Lauterbach kritisiert „Letzte Generation“ und drängt Klimapolitik zum Handeln: „Eine Notlage“

Gesundheitsminister Lauterbach kritisiert die Protestaktionen der „Letzten Generation“. Gleichzeitig fordert er ein schnelles Handeln in der Klimapolitik.
Berlin - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ davor gewarnt, mit ihren Protestaktionen Menschenleben zu gefährden. „Es ist absolut unverantwortlich, wenn durch Straßenblockaden Rettungskräfte und Krankentransporte behindert werden“, betonte Lauterbach gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Rettungswege müssten unbedingt frei bleiben. Die Polizei müsse daher in solchen Fällen „mit aller Konsequenz durchgreifen“. Lauterbach warnte die „Letzte Generation“ zudem davor, mit ihren Aktionen die gesamte Klimaschutzbewegung zu diskreditieren. Er teile die Ziele der Klimaaktivisten, ihre Protestform schade allerdings der Klimabewegung.
Gesundheitsminister Lauterbach: „Letzte Generation“ schmälere Erfolg von „Fridays For Future“
Lauterbach betrachtet die Straßenblockaden als nicht akzeptabel, da sie gesetzeswidrig und kontraproduktiv seien. „Damit vergraulen die Aktivisten am Ende nur wohlwollende Unterstützer, die die Bewegung dringend benötigt“, warnte der SPD-Politiker. „Und gleichzeitig schmälern sie damit den Effekt, den Fridays For Future gehabt hat.“
Trotz seiner Kritik an der „Letzten Generation“ sieht Lauterbach ebenfalls die Notwendigkeit einer effizienten Klimapolitik: „Wir sind in einer Notlage“. „Wenn es uns nicht gelingt, den CO2-Ausstoß massiv zu reduzieren und die Erneuerbaren Energien auszubauen, dann überschreiten wir Klimakipppunkte, die für alle künftigen Generationen dramatische Folgen haben werden.“ Dies sage er als Politiker, aber auch „ausdrücklich“ als Arzt und Wissenschaftler.
„Letzte Generation“: Verkehrsblockaden in Berlin geplant
Die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ wollen in den kommenden Tagen und Wochen mit möglichst vielen Blockaden den Verkehr in Berlin behindern. Auf diese Weise wollen sie gegen den Kurs der Bundesregierung in der Klimapolitik protestieren. Erste Protestaktionen fanden bereits am Mittwoch statt (19. April).
Für Debatten hatte in den vergangenen Monaten der Fall einer 44-jährigen Radfahrerin gesorgt, die Ende Oktober in Berlin von einem Betonmischer überfahren wurde und einige Tage später ihren schweren Verletzungen erlag. In diesem Zusammenhang stand der Vorwurf im Raum, dass Aktivisten der „Letzten Generation“, die sich an einer Brücke festgeklebt hatten, den Verkehr und damit auch die Bergung der Schwerverletzten verzögert hätten.
Kritik an Protestaktionen der „Letzten Generation“: Verfahren wegen fahrlässiger Tötung aber eingestellt
Die Berliner Staatsanwaltschaft ließ jedoch vor einer Woche den Vorwurf der fahrlässigen Tötung gegen zwei Aktivisten fallen. Ermittler gelangten zu dem Schluss, dass die Protestaktion zwar zu einem verspäteten Eintreffen des Spezialfahrzeuges am Unfallort geführt habe. Allerdings habe die Notärztin vor Ort bereits korrekt entschieden, dass eine Anhebung des Betonmischers durch das Spezialfahrzeug riskant wäre und den Zustand der Radfahrerin noch verschlechtert hätte.
Die Protestaktionen der „Letzten Generation“ sind insgesamt umstritten. Der Deutsche Richterbund sieht allerdings keine Notwendigkeit für schärfere Gesetzte gegen Klimaaktivisten. Laut dessen Bundesgeschäftsführer, Sven Rebehn, gäben die bestehenden Gesetze den Gerichten ausreichend Spielräume, um etwa Fälle von Nötigung, Sachbeschädigung oder Eingriffen in den Straßenverkehr „jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen“. Der Osnabrücker Zeitung sagte Rebehn, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit dort ende, wo das Strafrecht beginnt. Somit heilige auch ein guter Zweck wie der Klimaschutz nicht jedes Mittel.
Bundesjustizminister: Protestaktionen der „Letzten Generation“ könnten Reichsbürger motivieren
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kritisierte die „Letzte Generation“ durch Heranziehung von historischen Vergleichen. Die Aktionen der Klimagruppen ähneln seiner Meinung nach den Straßenprotesten vor 100 Jahren. Den Vergleich brachte er im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland an: „In den 1920er und 1930er-Jahren, gab es in Berlin straßenschlachtartige Zustände, weil sich Menschen am linken und rechten politischen Rand selbst ermächtigt fühlten, sich über die Rechtsordnung zu stellen und die eigenen Vorstellungen mit der Faust durchzusetzen“.
Buschmann warf wie andere Politiker den Aktivisten vor, mit ihrem Protesten dem Klimaschutz zu schaden. Die „Letzte Generation“ habe überzogene, aggressive Vorstellungen von der Durchsetzung ihrer Ziele. Mit Straftaten werbe man nicht für Klimaschutz. Buschmann verteidigt die Gerichtsurteile gegen Klimaaktivisten und warnt, dass wenn es akzeptiert würde, dass sich ein Teil der Gesellschaft unter Berufung auf ein höheres Ziel nicht an das Recht gebunden fühle, auch andere Gruppierungen so vorgehen werden. „Was jetzt die Klimakleber tun, probieren dann möglicherweise als Nächstes die Reichsbürger oder radikale Abtreibungsgegner“, sagte er.
Kritik auch von den Grünen: Hessens stellvertretender Ministerpräsident findet Aktionen „selbstgerecht“
Auch Grünen-Politiker wie Hessens stellvertretender Ministerpräsident Tarek Al-Wazir (Grüne) haben die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ kritisiert. Der Grünen-Politiker bezeichnete die Aktionen als „elitär und selbstgerecht“. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er, dass die Protestaktionen der „Letzten Generation“ zu einer Polarisierung der Gesellschaft und zur Entstehung von Gegenbewegungen zu den „dringend nötigen Klimaschutzmaßnahmen“ führen würden.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist bereit, sich mit Vertretern der „Letzten Generation“ am 2. Mai für ein Gespräch über Klimaschutz zu treffen. Das Treffen kam durch eine öffentliche Anfrage der Gruppe über Twitter zustande. Wie viele Aktivisten zu dem Gespräch ins Bundesverkehrsministerium in Berlin kommen, ist noch nicht bekannt. (at)