Gegen Hass im Netz: Wie gut schützt das neue Gesetz Opfer?
Das „Gesetz gegen digitale Gewalt“ will Opfer von Hass im Netz besser schützen. Trotz neuer Regelungen soll es für Account-Sperrungen hohe Hürden geben.
Frankfurt – Ob Beleidigungen, Verleumdungen oder gar konkrete Drohungen: Hass im Netz ist auf vielen Plattformen ein ernstes Problem. Betroffene haben meist kaum die Möglichkeit, sich gegen die virtuellen Angriffe zu wehren. Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern – ein neues Gesetz soll die rechtliche Situation von Betroffenen stärken.
Das Bundesjustizministerium veröffentlichte bereits einige Eckpunkte des geplanten „Gesetzes gegen digitale Gewalt“, das die Bundesregierung noch in diesem Jahr auf den Weg bringen möchte. Wie Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in einem Statement von Mittwoch (12. April) erläutert, gehe es hierbei nicht darum, die Meinungsfreiheit einzuschränken. „An den Spielregeln des demokratischen Diskurses wird das Gesetz nichts ändern. Was heute geäußert werden darf, darf auch künftig geäußert werden“, betont Buschmann.
Account-Sperrungen gegen Hass im Netz: Nur bei „schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen“
Stattdessen müsse der Aufwand für Betroffene von Hass im Netz minimiert werden. Etwa aufgrund von Schwierigkeiten der Identifizierung, fehlender Informationen oder fehlender Zeit haben es Betroffene „oft unnötig schwer, ihre Rechte selbst durchzusetzen“, wie die Webseite des Bundesjustizministeriums Buschmann zitiert. Wie aus den Eckpunkten hervorgeht, sieht das Gesetz etwa vor, die Identität derjenigen Menschen, die Hassbeiträge verfassen, leichter in Erfahrung bringen zu können.
Zudem sollen Opfer von „schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen“ unter gewissen Voraussetzungen per Gericht die Sperrung eines Accounts verlangen können. Dieses Vorhaben richtet sich gegen „notorische Rechtsverletzer im digitalen Raum“ und soll vor allem dann zum Einsatz kommen, wenn unklar ist, wer hinter dem Account steht. Außerdem dürfe die Sperrung nur erfolgen, wenn es um „schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen“ gehe und einer Wiederholungsgefahr bestehe. Die Hürden für eine Sperrung sind dementsprechend relativ hoch.
Gesetz gegen Hass im Netz: Höhere Sanktionen für Beleidigungen in der analogen Welt
Einige Expert:innen für Hass im Netz halten den Gesetzesentwurf daher für unzureichend. In einem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erläutert etwa Josephine Ballon, Sprecherin der Nichtregierungsorganisation Hate-Aid, dass Accountsperren in der aktuellen Ausgestaltung keine „besonders große praktische Relevanz haben werden.“ Es sei wichtig, sich klar zu machen, „dass viele Menschen ohnehin mehrere Profile haben und sich innerhalb von wenigen Minuten mit anderen Daten auch einfach einen neuen Account anlegen können. Insofern ist bereits der konkrete Nutzen einer solchen Sperre fraglich.“

Auch der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Ulf Buermeyer sieht in dem „Gesetz gegen digitale Gewalt“ des Bundesjustizministeriums noch Verbesserungspotenzial. Wie die ARD berichtet, sei es für ihn unverständlich, dass ein:e Nutzer:in erst mehrfach aktiv sein muss, damit eine Sperrung des Accounts erfolgen kann: „Warum soll man einmal jemanden beleidigen dürfen?“, so Buermeyer. Im Vergleich zur analogen Welt seinen die Sanktionen im digitalen Kontext zu lasch.
Gesetz gegen Hass im Netz: Hohe Hürden für Account-Sperrungen prinzipiell richtig
Wichtig bei Hass im Netz sei eine „generalpräventive Wirkung“: Täter müssen laut Buermeyer abgeschreckt werden – etwa in Form von Accountsperrungen. Ballon dagegen hält die hohen Hürden für Sperrungen für prinzipiell richtig. Um gegen digitales Mobbing trotzdem besser vorgehen zu können, fordert die Organisation Hate-Aid, die gemeinsam mit anderen Organisationen über Hass im Netz aufklärt, die Einführung eines gesetzlichen Schmerzensgeldanspruchs sowie einheitlicher elektronischer Anzeigenformulare. Bislang müssen Betroffene schriftliche Anträge stellen – dies sei „nicht mehr zeitgemäß“.
Darüber hinaus formuliert Hate-Aid auf ihrer Webseite weitere Forderungen, die die Gerichtskosten betreffen. Bislang müssen Betroffene diese selbst tragen. Zwar sieht der aktuelle Gesetzesentwurf vor, diese Kosten zu erlassen, Hate-Aid fordert allerdings zudem einen pauschalen Betrag für die Streitwerte innerhalb von Verfahren, sodass diese günstiger werden.
Um gegen Hass im Netz vorzugehen werden überdies immer wieder Forderungen nach einer Abschaffung von Pseudonymen laut. Pseudonyme sind jedoch weiterhin wichtig. (tt)