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Geschrei aus Moskau

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Von: Stefan Scholl

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Kremls-Sprecher Dmitri Peskow.
Kremls-Sprecher Dmitri Peskow. © dpa

Politik und Medien in Russland reagieren laut und aggressiv auf Berichte aus dem ukrainischen Butscha.

Die Kiewer Fake-Machine mache vor nichts halt. „Für die Verteufelung Russlands und seine maximale Verunglimpfung ist das wütende Getier aus Nationalbataillonen und Territorialverteidigung bereit, nebenher die eigenen friedlichen Einwohner zu töten“, schrieb Dmitri Medwedew, stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, am Dienstag auf Telegram.

Seit Tagen sind Russlands Politiker und Medien damit beschäftigt, die Berichte, Videos und Fotos über die erschossenen Zivilisten in der Kiewer Vorstadt Butscha als Betrug oder zynische Provokation darzustellen. Der herrschende medial Ton in Moskau nimmt sie inzwischen auch zum Anlass, die gesamte Ukraine zum nicht existenzwürdigen Trugbild zu erklären.

Moskau widerspricht den Berichten

Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte vor der Presse, Russland lehne die Anschuldigungen kategorisch ab, es sei an den Morden in Butscha beteiligt gewesen. „Nach dem, was wir gesehen haben, kann man dem Videomaterial weitgehend nicht vertrauen, weil unsere Spezialisten aus dem Verteidigungsministerium Anzeichen von Videofälschungen oder anderer Fakes gefunden haben.“

Moskau verteidigt sich gewohnt aggressiv, das russische Ermittlungskomitee hat ein Strafverfahren wegen der „Verbreitung von wissentlich falschen Informationen über den Einsatz der russischen Streitkräfte“ eröffnet. Auch Peskow betont, es sei „unsere Initiative“ gewesen, das Thema vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, die die Großbritannien aber blockiert habe.

Medien sind auf Linie des Kremls

In Russlands Öffentlichkeit zweifelt niemand an Peskows Worten, alle Vorwürfe gegen Russland seien eine „gut inszenierte, tragische Schau“. Artjom Schejnin, Moderator der staatlichen TV-Talkshow „Wremja pokaschet“, erinnert an die Worte, den Joe Biden vorletzte Woche über Putin geäußert habe: „Er ist ein Fleischer.“ Fleischer, englisch Butcher, klinge für jeden angelsächsischen Zuhörer genauso wie Butscha, das könne doch kein Zufall sein …

Mehrere russische Medien entdeckten ein Video des ukrainischen TV-Kanals ESPRESO.TV mit einem Toten, der auf eine Straße in Butscha liegt und scheinbar die Hand hebt. „Die Leiche ist lebendig geworden“, kommentiert die Zeitung „Komsomolskaja Prawda“. Statt der Hand bewegt sich wohl eher ein heller Schmutzfleck auf der Windschutzscheibe des fahrenden Autos, aus dem gefilmt wurde. Aber eine der neuen Wahrheiten Russlands ist, dass jede Schuldzuweisung gegen den Kreml, seine Beamten und seine Truppen nur eine gemeine Lüge sein kann.

Rede vom Bürgerkrieg

Alle politisch aktiven Menschen wüssten, dass das Massaker in Butscha vom Kiewer Regime organisiert worden sei, unter Führung von Amerikanern und Engländern, schreibt der kremlnahe Politologe Sergej Markow auf Facebook.

Dmitri Medwedew stellt die Ukraine insgesamt in Frage. „Das innere Ukrainertum, getränkt mit antirussischem Gift und alles verschlingender Lüge über die eigene Identität, ist ein einziger großer Fake.“

Für den Publizisten Pjotr Akopow gibt es ebenfalls keine Ukraine mehr. Er schreibt für RIA Nowosti von einem russisch-russischen Bürgerkrieg. „Auch in Form eines zwischenstaatlichen Konfliktes kostet uns dieser Bürgerkrieg viel russisches Blut (eben das fließt auf beiden Seiten).“ Im Westen aber trauere deshalb kaum jemand. „Für die Angelsachsen sind die Russen fast wie Jemeniten, Somalier oder Afghanen. Das heißt, sie sind Menschen zweiter Klasse.“

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