Gewalttat von Freudenberg: Debatte über Strafmündigkeit
Der gewaltsame Tod einer Zwölfjährigen setzt Deutschland unter Schock. Die mutmaßlichen Täterinnen bleiben straffrei. Ist das angemessen? Die Debatte beginnt.
Freudenberg/München - Freudenberg. Eine Kleinstadt mit kaum 18.000 Einwohnern. Mit vielen idyllischen Fachwerkhäuschen in hügeliger Mittelgebirgslandschaft des Siegerlandes gelegen. Seit wenigen Tagen ist hier, etwas mehr als 70 Kilometer östlich der Metropolregion Köln-Bonn-Düsseldorf, nichts mehr so wie es vorher war.
Fall Luise F.: Zwölfjähriges Mädchen wird in NRW mutmaßlich von Gleichaltrigen erstochen
Denn: Freudenberg, ein Luftkurort, ist durch den Fall der getöteten Luise F. (12) unfreiwillig und plötzlich deutschlandweit in die Schlagzeilen geraten. Das junge Mädchen wurde Ermittlungsergebnissen zufolge mutmaßlich von zwei gleichaltrigen Klassenkameradinnen, zwölf und 13 Jahre jung, erstochen.
Ob die beiden mutmaßlichen Täterinnen als strafmündig gelten sollten oder nicht, darüber ist in ganz Deutschland nach dem schrecklichen Tötungsdelikt des Mädchens aus Nordrhein-Westfalen (NRW) eine intensive Debatte entfacht. Per Gesetz sind sie nicht strafmündig und bleiben dadurch wohl straffrei.

Der rechtspolitische (juristische) Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, hat nun gefordert, über eine mögliche Senkung der Strafmündigkeitsgrenze auf unter 14 Jahre zumindest zu diskutieren. „Auch Kinder wissen, dass sie nicht töten dürfen. Es ist erschütternd, dass zwei Mädchen ein anderes Mädchen getötet haben“, sagte Krings dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Wir müssen die Debatte führen, ob das Alter der Strafmündigkeit für schwere Straftaten gesenkt werden muss. Denn bei den schwersten Straftaten – wie insbesondere Tötungsdelikten – handelt es sich um keine jugendlichen Verfehlungen. Auch Kinder wissen, dass sie nicht töten dürfen.“
Fall Luise F.: Nach Tötung von Mädchen durch Gleichaltrige debattiert Deutschland über Strafmündigkeit
Krings zufolge muss dringend geprüft werden, ob es eine Zunahme von schweren Straftaten durch Kinder gebe. „Unser Recht ermöglicht innerhalb des Zivilrechts auch schon die freiheitsentziehende Unterbringung von straffälligen Kindern und Jugendlichen per Gerichtsbeschluss. Deshalb müssen die Länder solche geschlossenen Einrichtungen wieder stärker vorhalten“, erklärte der 53-jährige Rheinländer. Er steht mit seinen Forderungen nicht allein. Auch die NRW-Polizeigewerkschaft fordert wegen des Falls Luise F. eine Neugestaltung der Strafmündigkeit und in Einzelfällen auch Haftstrafen.
Auch Kinder wissen, dass sie nicht töten dürfen. Es ist erschütternd, dass zwei Mädchen ein anderes Mädchen getötet haben.
Es gibt gegensätzliche Meinungen - auch innerhalb der Polizei. „Freudenberg ist ein schrecklicher Einzelfall, der betroffen macht. Aber so etwas kommt tatsächlich sehr, sehr selten vor“, sagt laut WDR Nadine Bals, Professorin für Soziologie und Politikwissenschaften an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen. Sie erklärte, dass es nach der polizeilichen Kriminalstatistik in den letzten 20 Jahren jährlich zwischen vier und 21 Fällen von versuchten und vollendeten Tötungsdelikten durch strafunmündige Kinder gegeben habe.
Fall Luise F.: Mutmaßliche Täterinnen sind zwölf und 13 Jahre jung - und schon strafmündig?
Auch der Kriminologe Ralf Kölbel, Professor an der Universität München, sieht keinen Grund, die Strafmündigkeitsgrenze zu ändern und das Alter dafür herunterzusetzen. „Eine Verschiebung der Strafmündigkeitsgrenze nach unten kommt aus meiner Sicht überhaupt nicht in Betracht. Das wird in der wissenschaftlichen Diskussion auch überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Wenn, dann denkt man darüber nach, die Strafmündigkeitsgrenze nach oben zu verschieben“, erklärte der Strafrechtler der WDR.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte erklärt, dass Kinder unter 14 Jahren zwar strafrechtlich nicht belangt würden, „aber unsere Rechtsordnung kennt andere Wege, um darauf zu reagieren, etwa das Kinder- und Jugendhilferecht sowie das Familienrecht“. Laut Strafgesetzbuch ist eine Person schuldunfähig, wenn sie bei der mutmaßlichen Tat nicht das 14. Lebensjahr erreicht hat. Die beiden Mädchen, die Luise F. bei Freudenberg getötet haben sollen, wurden inzwischen dem Jugendamt übergeben. Über das, was sie getan haben, spricht ganz Deutschland. (pm)