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Freie Intensivbetten in Italien

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Von: Dominik Straub

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Intensivstation in Verduno im Nordwesten Italiens.
Intensivstation in Verduno im Nordwesten Italiens. © afp

Der erstmalige Rückgang der Zahl der schwer erkrankten Patienten verschafft dem Land eine Atempause.

Die Bilder aus dem Krankenhaus von Bergamo gingen um die Welt: Patienten auf Liegen in den Korridoren, die nach Luft schnappen; Dutzende in der Intensivstation unter Sauerstoffhauben mit angsterfüllten Augen – oder bereits bewusstlos, am Leben gehalten durch künstliche Beatmung. Die Ärzte waren mit dem Ansturm der schwer an Covid-19 erkrankten Patienten völlig überfordert: Sie mussten die schmerzhaften Entscheidung fällen, wer noch behandelt werden kann und wer nicht.

Am Wochenende hat sich die Lage nun endlich ein wenig entspannt: Zwar wurden am Samstag landesweit immer noch 80 Kranke neu auf die Intensivstationen gebracht, aber weil sich gleichzeitig 154 bisherige Patienten erholten und auf reguläre Abteilungen verlegt werden konnten, wurden insgesamt 74 Betten frei. Der größte Teil davon geht auf das Konto der Lombardei, wo in der Intensivmedizin unterm Strich 55 Plätze frei wurden. Auf dem Höhepunkt der Epidemie mussten in Italien täglich bis zu 250 Patienten zusätzlich auf Intensivstationen untergebracht werden. „Es handelt sich um den ersten Rückgang seit Beginn der Epidemie“, sagte der Chef des nationalen Zivilschutzes, Angelo Borrelli. „Das bedeutet noch nicht, dass wir über den Berg sind. Aber es sind sehr wichtige Neuigkeiten, denn das verschafft unseren Krankenhäusern eine Atempause.“

Die Lage bleibt aber vorerst angespannt: Insgesamt befanden sich in Italien am Wochenende immer noch knapp 4000 Covid-19-Patienten in Intensivpflege, weitere 25 000 Infizierte mit schweren Symptomen wurden in anderen Abteilungen behandelt, 12 000 davon in der besonders betroffenen Lombardei.

Der Höhepunkt der Epidemie scheint nicht nur bei den Intensivpatienten überschritten zu sein, sondern auch bei den Toten: Am Samstag registrierten die Behörden landesweit noch 681 Todesfälle (Lombardei: 351), während vor einer Woche an einem einzigen Tag noch fast 1000 Menschen am Coronavirus starben. Insgesamt zählt Italien nun laut offiziellen Angaben mehr als 15 000 Tote.

Die Entspannung in den Intensivstationen sowie die sich reduzierende Zahl der Toten befeuert in Italien die öffentliche Diskussion darüber, wann die sehr weitreichenden Restriktionen zur Bekämpfung der Epidemie rückgängig gemacht oder zumindest gelockert werden sollen. Ex-Premier Matteo Renzi fordert seit längerem, dass der „Lockdown“ in den Betrieben umgehend aufgehoben wird; Ex-Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini regte am Samstag die Öffnung der Kirchen über die Osterfeiertage an.

Gesundheitsminister Roberto Speranza will davon nichts hören: Schon heute von einem Datum der Rückkehr in die Normalität zu reden, sei „unverantwortlich“. Die gesamten Bemühungen zur Eindämmung der Epidemie und die großen, von der Bevölkerung bisher erbrachten Opfer könnten damit zunichte gemacht werden. „Wir müssen uns nichts vormachen: Die Situation ist nach wie vor dramatisch, die Gefahr ist noch nicht gebannt“, sagte der Gesundheitsminister. Die Aufgabe der Regierung bestehe nun darin, „die Bedingungen zu schaffen, um in den kommenden Monaten mit dem Virus leben zu können“.

Zu diesem Zweck präsentierte Speranza in der Zeitung „La Repubblica“ vom Sonntag ein Programm mit fünf Punkten. Bevor man an eine Aufhebung der Quarantäne denken könne, müssten unter anderem die geplanten neuen Covid-19-Kliniken fertiggestellt, flächendeckend Antikörper-Tests durchgeführt sowie eine App für die Mobiltelefone entwickelt werden, mit der Kontakte mit Infizierten nachvollzogen werden könnten.

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