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Das verinnerlichte Patriarchat überwinden

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Von: Bascha Mika

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Bascha Mika, 69, Autorin
Bascha Mika, 69, Autorin. © Gaby Gerster

Immer wieder opfern wir im Privaten unsere Selbstbestimmung – aus Angst, Konfliktscheue, Bequemlichkeit und dem, was wir Liebe nennen.

Ich behaupte gern, dass ich bereits als fünfjähriges Mädchen eine überzeugte Feministin war. Was blieb mir auch anderes übrig? Mein Vater machte Spaß mit Sprüchen wie „lange Haare, kurzer Verstand“, die mich wahnsinnig ärgerten. Um mich gegen ihn zu wehren, musste ich in den Widerstand gehen.

In der Familie merkte ich also sehr früh, was es bedeutet ein Mädchen zu sein. Und es war nicht schwer, irgendwann zu kapieren, dass dies nicht nur eine persönliche Erfahrung ist – dass die Diskriminierung von Mädchen und Frauen, die sich im Nahbereich zeigt, tief in der Gesellschaft verankert ist und damit alle betrifft.

Ich bin zu jung für die zweite Frauenbewegung gewesen, doch den damaligen Kampfruf: „Das Private ist politisch!“ fand ich schon immer großartig. Von der Ausbeutung im Haus bis zur Ausbeutung im Bett hatten Frauen verstanden, wie strukturelle Unterdrückung funktioniert. „Frauen haben angefangen, die Privatsphäre, in der sie hauptsächlich leben, deren Lasten ihre Lasten sind, zu analysieren“, schrieb Ulrike Meinhof damals.

Seitdem füllen Forschungsergebnisse über die Strukturen weiblicher Diskriminierung ganze Bibliotheken. Und meist stehen Erfahrungen am Anfang der Erkenntnis über die Muster männlicher Herrschaft. Auch der Aufschrei von Women of Colour gegen einen Feminismus weißer Prägung und der intersektionale Feminismus wurden durch die verschiedenen Formen der Unterdrückung von Frauen im Alltag ausgelöst.

Inzwischen wissen wir somit sehr viel darüber, wie und wo das Private politisch ist. Der Feminismus heute krankt nicht an mangelnder Kenntnis über Strukturen, dem weiblichen Teil der Welt fehlt meist nur die Macht, die Verhältnisse wirksam zu verändern.

Was auch an einem blinden Fleck liegt, mit dem wir Frauen uns ungern selbst konfrontieren oder konfrontieren lassen: Wie privat ist das Politische? Wo haben wir Frauen männliche Dominanzstrukturen über Jahrtausende so verinnerlicht, dass wir sie mit unserem individuellen Verhalten fortdauernd unterstützen? Und so zu ihrem Überleben beitragen. Selbst in freiheitlichen Gesellschaften, selbst dann, wenn keine Gewalt im Spiel ist. Immer wieder opfern wir im Privaten unsere Selbstbestimmung – aus Angst, Konfliktscheue, Bequemlichkeit und dem, was wir Liebe nennen. Und machen uns so zu Komplizinnen eines Systems, das uns abwertet.

Es ist hart zu erkennen, wie privat das Politische ist. Wie sehr wir Frauen noch immer in das männliche Herrschaftsgefüge verstrickt sind. Bei allem, was wir an Gleichberechtigung in den vergangenen Jahrzehnten erreicht haben – wir hätten schon längst weiter sein können, weiter sein müssen.

Bascha Mika, 69, Autorin

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