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Die Frau mit der lachenden Sonne

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Von: Hannes Gamillscheg

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Das Symbol hat einen Wiedererkennungswert wie die Shell-Muschel oder das M von McDonald’s - hat seine Schöpferin aber weder reich noch berühmt gemacht. Die Dänin Anne Lund erfand das Anti-AKW-Symbol.

Als sie im Fernsehen die Bilder aus Berlin sah, 100.000 Menschen mit Fahnen und Bannern, und zwischendrin immer wieder ihr Symbol, die lächelnde Sonne und der Slogan „Atomkraft, nein danke“, da sei sie froh geworden, sagt Anne Lund. „Das war wie damals“, sagt sie. Damals, als sie selbst gegen Atomkraft demonstrierte und das Zeichen entwarf. 1975 hatte die damals 21-jährige Wirtschaftsstudentin auf einem Küchentisch im dänischen Aarhus die Sonnenmarke auf ein Stück Papier gekritzelt. 35 Jahre später symbolisiert sie immer noch den Widerstand gegen die Nuklearenergie.

Das Symbol hat einen Wiedererkennungswert wie die Shell-Muschel oder das M von McDonald’s - hat seine Schöpferin aber weder reich noch berühmt gemacht. Nur froh: „Es zeigt mir, dass das, was wir als Einzelpersonen tun, etwas bedeutet. Es ist eine Erfahrung fürs Leben: Man kann etwas bewirken.“

Die Frau, die inzwischen 57 ist, Diplomvolkswirtin und an einer Fachhochschule über Leitungsstrukturen unterrichtet, war Mitglied der Lokalgruppe der OOA, der „Organisation für Aufklärung über Atomkraft“, wie sich die dänischen Anti-AKW-Aktivisten nannten. Anne und ihr Mitstreiter Søren Lisberg sollten ein Treffen organisieren. Die Elektrizitätsgesellschaften machten Druck; Dänemark sollte Atomkraftwerke bekommen. Anne war in Schweden gewesen und hatte die Methoden der dortigen Atomkraftgegner gesehen: ein Plakat mit geballter Faust, ein anderes mit einer Schwangeren, von Neutronenzeichen bedroht. „Starke Symbole. Aber wir wollten etwas Positiveres.“ Sie glaubte an Gewaltfreiheit, nicht Angstmache.

„Ich bin keine gute Zeichnerin, die ersten Versuche waren sehr unbeholfen“, sagt Lund. Doch das Zeichen wirkte. „Die Sonne gehört uns allen“, sagt deren Erfinderin. Das Orange war ein Erbe der 60er-Ästhetik, das Gelb und Schwarz kam von den Schildern, die vor atomarer Strahlung warnen. Weil es ein „höfliches, freundliches Zeichen“ sei, habe es so durchgeschlagen, meint seine Schöpferin: Es sagt nicht nur nein zur Atomkraft, es bejaht auch Alternativen, lädt zum Dialog ein, ganz nach der dänischen Aufklärungstradition.

Die ersten 200 Marken druckten sie auf einer primitiven Maschine, zum Verkauf am 1.Mai. Im Handumdrehen waren sie weg. Dann wurde nachgedruckt, Stickers, Abziehbilder, Aufkleber. Dann kamen Anfragen aus anderen Ländern, in 45 Sprachen wurde der Slogan seither verbreitet. Anne Lund reiste als Studentin durch Europa, und wo sie hinkam, fand sie ihr Zeichen.

Mehr als 20 Millionen von Anne Lunds Sonnenmarken sind inzwischen verkauft worden. Aus dem Erlös wurde erst der dänische Widerstand finanziert, später auch der Anti-Atomkampf in anderen Ländern. Hätte sie für jeden Button nur zehn Cent kassiert, wäre Anne Lund heute reich. „An so etwas habe ich nie gedacht“, versichert sie. Auch um Ruhm ging es ihr nie. Jeder kennt ihr Zeichen, kaum jemand weiß, von wem es stammt.

In Dänemark hatte der Kampf Erfolg. Das Parlament beschloss, auf Atomkraft zu verzichten. Der enorme Widerstand in der Bevölkerung, quer durch alle Schichten ging, war der Hauptgrund. Dänemark ist dank AKW-Verzicht heute Vorreiter bei Windkraft, Fernwärme und Energiesparen. „Hätte man AKWs gebaut, wäre das wohl anders gekommen“, sagt Lund. Eine kleine Sonne hat dazu beigetragen.

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