Vor der Wahl in Frankreich: Macrons Verstrickungen mit der Medienwelt

Emmanuel Macron pflegt enge Beziehungen zu den Medien-Magnaten von Frankreich. Welchen Einfluss hat das auf die anstehenden Wahlen?
Paris – Die Szene aus dem Jahr 2010 ist unvergessen. Hauptdarsteller: ein gewisser Emmanuel Macron. Der damals 32-jährige Geschäftsbanker interessierte sich schon immer brennend für die Medienzunft. Als das Pariser Renommierblatt „Le Monde“ in die roten Zahlen rutschte, bot er dem Kollektiv der Redaktoren ganz selbstlos seine unentgeltliche Beratung an.
Umso peinlicher war es, als ein „Le Monde“-Journalist im Treppenhaus eines der Übernahmeinteressenten ausgerechnet auf Macron stieß. Damit war klar, dass der Rothschild-Banker nicht den Journalist:innen helfen wollte; er handelte vielmehr im Auftrag der Konzerne Orange und Prisa, die an der Zeitung interessiert waren. Wie ein Schuljunge ertappt, tat Macron so, als sei er in ein Handygespräch vertieft. Der Journalist fragte ihn trotzdem: „Bonjour Emmanuel, kennst du mich nicht mehr?“.
Frankreich: Macron beschwert sich bei „New York Times“-Journalist
Damals wusste er nicht, dass er den nachmaligen Staatspräsidenten vor sich hatte. In den Pariser Redaktionen lachte man noch lange über die Episode. Das ist heute nicht mehr so. Seit seiner Wahl im Jahr 2017 wacht Macron mit Argusaugen über die Pariser Medienszene. Redaktor:innen können ein Lied davon singen. Am Freitag nehme der Präsident jeweils die wichtigsten Zeitungen und Magazine des Landes in seine Wochenendresidenz bei Versailles mit, erzählen sie. Dort streiche er mit Leuchtstift an, was ihm nicht genehm sei. Seine Presseberatenden hätten dann am Montag die Autor:innen der Texte anzurufen, um ihnen die Leviten zu lesen.
Manchmal greift Macron selber zum Hörer. Ein Journalist der „New York Times“ machte dies 2020 publik – nachdem ihn Macron persönlich angerufen und für einen Artikel über Rassismus in Frankreich gescholten hatte.
Macrons enge Beziehungen zu Frankreichs Medien-Magnaten
Auf einer höheren Ebene pflegt der Präsident enge Beziehungen zu den Magnaten, die in Paris seit dem 19. Jahrhundert die Zeitungen kontrollieren – heute mehr denn je. Zwei dieser Milliardäre sind Macron freundschaftlich verbunden. Bernard Arnault, Gründer des Luxusgüterkonzerns LVMH, sammelt seit Jahren Pressetitel. Dazu gehören die führende Wirtschaftszeitung „Les Echos“, das wichtigste Boulevardblatt „Le Parisien“ sowie Titel wie „Challenges“ oder „L’Opinion“, die von politischen und wirtschaftlichen Entscheider:innen gelesen werden.
Der zweite der Pariser Oligarchen ist Xavier Niel, ein Selfmademan aus dem Telekom-Bereich, der mit Pornoseiten groß geworden ist. Er ist bei wichtigen Regionalblättern wie „Nice-Matin“ eingestiegen und beherrscht mit Aktionären vor allem „Le Monde“, das liberale und sehr einflussreiche Vordenkerblatt.
Wie klein Paris ist, zeigt sich darin, dass Niel mit der Tochter Arnauds zusammenlebt. Beide Familien verkehren auch privat mit den Macrons. Öffentlich kam das 2017 zum Ausdruck, als Arnaud in seinen Blättern explizit zur Wahl Macrons aufrief. Niel wiederum erklärte 2018 im Radio, als Macron von den Gelbwesten bedrängt war: „Wir haben einen Super-Präsidenten.“
Wahlkampf in Frankreich: Macrons Einfluss auf die Medienwelt
Im April steht eine neue Wahl unter veränderten Vorzeichen an. Jetzt pirscht im Pariser Blätterwald ein neuer Jäger an, der so weit rechts steht, dass ihm auch Macron zu links ist: Der Financier Vincent Bolloré, unter anderem Hauptaktionär des Medienkonzerns Vivendi und von Lagardère News. Bretone kontrolliert damit den wichtigsten Bezahlsender Canal+, das Sonntagsblatt „Journal du dimanche“, die Illustrierte „Paris-Match“ und die traditionsreiche Radiostation Europe 1. Dazu den kleinen, aber mit dem amerikanischen Fox News vergleichbaren Live-Sender CNews, der den rechten Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour hervorgebracht hat.
Geld, Macht und Politik sind bei Bolloré, der sein Vermögen in Afrika gemacht hat, seit jeher untrennbar miteinander verbunden. Das gilt allerdings auch für die Gegenseite – das Macron-Lager. Im Élysée herrscht derzeit mediale Alarmstimmung, seitdem der deutsche Bertelsmann-Konzern den populären TV-Kanal M6 verkaufen will. Macron unternimmt alles, damit der bei Jungen beliebte Privatsender nicht in Bollorés Hände fällt. Diesem Wunsch will sich die M6-Gruppe nicht verschließen. Sie führt derzeit Übernahmeverhandlungen mit dem französischen Marktleader TF1. Der befindet sich im Besitz des Bauunternehmens Bouygues.
Macron im Wahlkampf – Zunehmende Medienkonzentration in Frankreich
Der Milliardär Martin Bouygues neigt den Konservativen zu. Das passt dem Präsidenten auch nicht ins Konzept, ist für ihn aber das kleinere Übel. Macrons ehemaliger Arbeitgeber Rothschild führt zudem die Übernahmegespräche zwischen M6, TF1 und Bertelsmann. Die große Frage ist, ob dieses Medien-Monopoly die Präsidentschaftswahlen von April beeinflusst? Vielleicht weniger als man meinen würde. Die neuen, aufstrebenden Livesender haben zwar klare Schlagseite nach rechts. Online-Newsportale wie Mediapart oder Huffington Post neigen dafür nach links. Die Presse wahrt ihre Meinungsvielfalt von der linken „Libération“ über die liberale „Le Monde“ bis zum konservativen „Le Figaro“; das Fernsehen ist ebenfalls ausgewogen zwischen rechten Privatsendern wie TF1, Canal+ und M6 sowie den eher linken öffentlichen Sendern France 2, France 3 oder France 5.
Problematisch ist aber die zunehmende Medienkonzentration Frankreichs. Selbst für Paris ist der Umstand neu, dass fünf Milliardäre einen Großteil der französischen Medienszene beherrschen: 44 Prozent der Newsportale, 47 der Radio-Reichweiten, 57 Prozent der Fernsehstationen, 81 Prozent der Tageszeitungen und 95 Prozent der Wochenmagazine. In einer Senats-Anhörung behaupteten die fünf Financiers im Januar allesamt, sie verfolgten keinerlei politischen Absichten. Warum sie trotzdem in die defizitäre Druckpresse investieren und sich um hoch verschuldete Medientitel reißen, blieb offen. (Stefan Brändle)
Kurz vor der Wahl in Frankreich setzen Vorwürfe Macron unter Druck: Die Kosten für externe Berater sind während seiner Amtszeit in die Höhe geschnellt.