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Verfassungsrat stimmt Kernpunkten der Rentenreform zu – Polizei befürchtet Massen-Proteste

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Von: Nail Akkoyun

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Seit Monaten streitet Frankreich über die Rentenreform von Präsident Macron. Der Verfassungsrat entscheidet nun, ob die Reform Bestand hat – oder sogar kassiert wird.

Update vom 14. April, 22.46 Uhr: Nach dem grünen Licht von Frankreichs Verfassungsrat für die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron ist es am Freitagabend in mehreren Städten erneut zu Protesten und Ausschreitungen gekommen. In Paris hätten laut der Lokalzeitung Le Parisien einige Demonstrierende Mülltonnen, Fahrräder und E-Scooter angezündet. Die Polizei habe in Schutzwesten und mit Schlagstöcken versucht, die Demonstrierenden daran zu hindern weiter vorzudringen, so france 24.

Auch in anderen französischen kam es Medienberichten zufolge zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstrierenden. So wurden in der westlichen Stadt Rennes der Eingang einer Polizeistation in Brand gesetzt, während in der Stadt weitere Brände gelegt wurden. In Nantes setzte die Polizei unterdessen Wasserwerfer ein, um Menschen daran zu hindern, das örtliche Rathaus zu erreichen.

Verfassungsrat stimmt Kernpunkten der Rentenreform zu – Polizei befürchtet Massen-Proteste

Update vom 14. April, 18.50 Uhr: Demonstrierende versammelten sich vor dem Pariser Rathaus, während die Bereitschaftspolizei das Gebäude des Verfassungsrats bewacht. Sie hielten laut france 24 Transparente hoch, auf denen „Klima der Wut“ und „Kein Ende der Streiks, bis die Reform zurückgezogen wird“ zu lesen war, als das Urteil des Verfassungsrats verkündet wurde.

Die Polizei rechnet damit, dass sich am Freitagabend erneut bis zu 10.000 Menschen in Paris versammeln werden und befürchtet Vandalismus und Zusammenstöße wie bei den letzten Kundgebungen. Der Verfassungsrat wurde mit Absperrungen geschützt, und Dutzende von Bereitschaftspolizisten stehen in der Nähe Wache.

Proteste in Frankreich
Proteste gegen Rentenreform: Demonstrierende versammelten sich vor dem Pariser Rathaus © Lewis Joly/dpa

Update vom 14. April, 18.00 Uhr: Der Verfassungsrat hat den Schlüsselelementen der Rentenreform zugestimmt, wie der TV-Sender france 24 berichtet. Unter anderem bestätigten sie die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Allerdings sei die Entscheidung noch nicht final. Es stünde noch ein Treffen mit Präsidenten Emmanuel Macron an, berichtet france 24.

Erstmeldung vom 14. April, 14.26 Uhr: Paris – Frankreichs Verfassungsrat entscheidet am Freitag (14. April) über die Zukunft der umstrittenen Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron. Das Urteil des obersten Hüters der französischen Verfassung wird ab 18.00 Uhr erwartet.

Die Instanz kann die Rentenreform ganz oder in Teilen kippen oder für verfassungskonform erklären. Die Entscheidung wird beeinflussen, ob das Land nach monatelangem Streit um die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre wieder etwas zur Ruhe kommt.

Frankreich: Darum geht es bei der Rentenreform

Macron und die Mitte-Regierung wollen das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben, um ein drohendes Loch in der Rentenkasse zu verhindern. Die Einzahldauer für eine volle Rente soll schneller steigen.

Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es unabhängig von der Einzahldauer dann Rente ohne Abschlag – dies will die Regierung beibehalten. Mittlerweile ist die Reform, gegen die seit Monaten protestiert wird, beschlossen. Macron will, dass sie bis zum Jahresende in Kraft tritt.

Ein Demonstrant wirft einen Tränengaskanister während der Zusammenstöße mit der Polizei auf dem Place de la Bastille am Rande der Proteste gegen die Rentenreform. Das Foto entstand am 13. April.
Ein Demonstrant wirft einen Tränengaskanister während der Zusammenstöße mit der Polizei auf dem Place de la Bastille am Rande der Proteste gegen die Rentenreform. Das Foto entstand am 13. April. © Christophe Archambault/AFP

Rentenreform in Frankreich: Der Verfassungsrat hat drei Entscheidungsmöglichkeiten

Nach den heftigen Debatten im Parlament haben sowohl Premierministerin Élisabeth Borne als auch Abgeordnete sowie Senatorinnen und Senatoren den Verfassungsrat gebeten, die Reform zu prüfen. Die Abgeordneten kritisieren etwa, dass die Regierung die Reform in einem Haushaltstext verpackt und die Debattenzeit verkürzt hat.

Der Verfassungsrat kann den Text nun vollständig kippen – das gilt allerdings als unwahrscheinlich. Dem Sender France Info zufolge hat die Instanz seit ihrer Gründung 1958 nur 17 Gesetze komplett kassiert. Sollte dies geschehen, wäre die Reform gescheitert und Macron sowie seine Regierung enorm geschwächt. Sie könnten theoretisch versuchen, ihr Vorhaben in anderer Form auf den Weg zu bringen.

Die Reform könnte auch vollständig gebilligt werden oder – und das gilt Expertinnen und Experten zufolge als wahrscheinlicher Ausgang – in weiten Teilen. Sollte der Verfassungsrat bestimmte Passagen kassieren, müsste Macron vorerst auf diese verzichten, könnte den Rest der Reform aber offiziell machen. Die gestrichenen Passagen könnte die Regierung dann in einem neuen Arbeitsgesetz angehen.

Urteil zur Rentenreform: Entscheidung wird Einfluss auf Protest in Frankreich haben

Der Verfassungsrat entscheidet am Freitag auch, ob das Verfahren für ein mögliches Referendum in die Wege geleitet werden kann, das das Renteneintrittsalter auf 62 Jahre deckeln will. Das Verfahren ist aber nur eine schwache Waffe der Reformgegner. Auch wenn das Verfassungsgericht hierzu grünes Licht gibt, kann das nicht verhindern, dass die Reform in Kraft tritt. Dass es tatsächlich zu einem Referendum kommt, ist äußerst unwahrscheinlich. Selbst wenn die nötigen Unterschriften erreicht würden, könnte die Regierung es verhindern, indem sie den Vorschlag im Parlament diskutieren lässt.

Auch wenn die Entscheidung des Verfassungsrats von Gewerkschaften und Opposition größtenteils respektiert werden dürfte, heißt das nicht, dass die Proteste mit dem Urteil vorbei sind. Verfassungsrechtler Benjamin Morel schätzte im Sender France Info, dass eine Validierung der Reform die Krise verschärfen und eine Wiederaufnahme des Dialogs verhindern dürfte. Denkbar wären in diesem Fall auch wieder verstärkt spontane Proteste. In der Vergangenheit war es bei den spontanen Demonstrationen häufig zu Gewalt gekommen. (nak/dpa)

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