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Macron will Frankreichs Präsident bleiben – Geringe Chance für Linke

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Von: Stefan Brändle

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Emmanuel Macron liegt in Umfragen derzeit deutlich vorne, aber vielen Menschen in Frankreich ist er zu selbstherrlich. Foto: Olivier Matthy /AFP
Emmanuel Macron liegt in Umfragen derzeit deutlich vorne, aber vielen Menschen in Frankreich ist er zu selbstherrlich. © Olivier Matthy/AFP

2022 wird in Frankreich der Präsident oder die Präsidentin gewählt. Amtsträger Emmanuel Macron würde zu Wahlkampfzwecken gerne den EU-Ratsvorsitz nutzen.

Paris – Kinder stellen direktere Fragen. „Haben Sie Lust, 2022 Präsident zu sein?“, fragte ein zehnjähriges Mädchen Emmanuel Macron vor einer Woche in einer Radiosendung. Die Nation kennt die Antwort längst, doch der Befragte schmunzelte die Frage weg: „Ich werde über die Festtage ein wenig darüber nachdenken.“

Natürlich hat der Präsident Lust, im April für ein zweites Fünfjahresmandat gewählt zu werden. Große Lust. Seit Wochen scheinen sämtliche seiner Beschlüsse einem einzigen Ziel zu folgen: wahlkompatibel zu sein. Auch wenn Macron seine Kandidatur erst im Februar anmelden dürfte, listete der konservative Senator Bruno Retailleau bereits 42 Finanzgeschenke an diverse gesellschaftliche Gruppen auf; er schätzt den Geldsegen aus dem Elysée auf „eine Milliarde pro Woche“.

Frankreich: Die Präsidentschaftswahlen 2022 will Macron gewinnen

Natürlich: Macrons Vorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande hatten sich im Vorfeld von Urnengängen (fast) ebenso generös gezeigt. Die Wiederwahl verpassten sie dennoch. Macron zählt indessen auf einen weiteren Trumpf: den französischen EU-Ratsvorsitz des ersten Halbjahres 2022, der zufällig mit der Wahlkampagne in Frankreich zusammenfällt. Und es braucht keinen bösen Willen, um auch im Inhalt und der Form eine auffällige Überschneidung festzustellen.

So bemüht sich Macron, als starker und beschützender EU-Lenker aufzutreten. Der Europa-Präsident für ein halbes Jahr wird sich deshalb nicht auf die Vermittlerrolle beschränken, die ihm das Amt des Ratsvorsitzenden zuweist. Im Gegenteil schanzt er sich mehrere erste Rollen und Chefauftritte zu: Im Februar lädt er zu einem EU-Afrika-Gipfel, im März zu einem Wachstums-Sondergipfel. Das wird auf dem Höhepunkt des Präsidentschaftswahlkampfes sein. Macron hätte die Spitzentreffen auch auf ruhigere Momente nach der Wahl, zum Beispiel im Mai oder Juni, verlegen können. Aber dann ist er nicht mehr auf das Rampenlicht angewiesen.

Macron schneidet Ratsprogramm auf seinen Wahlkampf zu

Auch inhaltlich schneidet Macron das Ratsprogramm auf den französischen Wahlkampf zu. Die dominierende Migrationsfrage findet Eingang in die französischen EU-Ratsvorschläge, die eine Anpassung des Schengenraums anregen. Er will auch das europäische Sozialmodell vertiefen. Er übernimmt die Idee eines europaweiten Mindestlohnes, den auch die deutsche Regierung in ihrem Koalitionsvertrag erwähnt. Die Maastricht-Regeln mit dem Drei-Prozent-Defizit und dem Schuldenlimit von 60 Prozent sollen wegfallen. Das passt Berlin weniger ins Konzept, doch Macron hält daran fest: Er will damit in Frankreich gegenüber Rechtspopulist:innen wie Marine Le Pen oder Eric Zemmour beweisen, dass die EU nicht etwa liberaler, sondern sozialer wird.

In den Meinungsumfragen steht der amtierende Präsident gut da: Seit Wochen führt er das Ranking mit 24 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang an. Le Pen und Zemmour kommen auf je rund 17 Prozent. Selbst wenn es eine:r der beiden in die Stichwahl schaffen würde, hätten sie dort aufgrund ihrer politischen Radikalität nur beschränkte Chancen gegen Macron.

Anders Valérie Pécresse: Die Kandidatin der konservativen Republikaner kommt ebenfalls auf etwa 17 Prozent, könnte aber im zweiten Wahlgang viel breiter Stimmen ernten als die Rechtsnationalen. Zumal Pécresse zum eher gemäßigten Flügel ihrer Partei zählt und Macron damit auf die Füße tritt.

Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Geringe Chancen für Linke

Im Präsidentenlager sorgt das für zunehmende Nervosität. Auch deshalb versucht sich der Präsident als europäische Autorität zu inszenieren: In Paris und Brüssel an den Schalthebeln der Macht zu sitzen und der nationalen Grandeur zu schmeicheln, kommt in Frankreich immer gut an. So verschafft sich Macron ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber seinen international unerfahrenen Widersachern. Auch Pécresse bringt als Vorsteherin des Pariser Regionalrates keine diplomatische Führungserfahrung mit.

Macron darf es mit dem Ausnutzen seiner präsidialen Funktion aber nicht zu weit treiben. So souverän und eloquent er auf dem internationalen Parkett auftritt, so rasch nährt er bei den Französinnen und Franzosen einen Eindruck von Selbstgefälligkeit, ja Selbstherrlichkeit. Aus diesem Grund hat er sich unlängst in einer abendfüllenden Fernsehsendung als demütiger Staatsdiener gegeben. „Ich habe Fehler gemacht“, erklärte er mit gesenktem Blick. Und nach einer Kunstpause: „Aber ich habe gelernt.“

Noch mitten im Lernprozess steht die französische Linke. Ihre Spitzenkandidat:innen Yannick Jadot (Grüne), Jean-Luc Mélenchon (Unbeugsame) und Anne Hidalgo (Sozialisten) kommen auf jeweils weniger als zehn Prozent Umfragestimmen. Statt sich auf eine Einheitskandidatur zu einigen, erhalten sie nun auch noch Konkurrenz durch Ex-Justizministerin Christiane Taubira.

Die auf der Linken sehr populäre Anti-Rassismus-Kämpferin erklärte diese Woche sybillinisch, sie „beabsichtige“ zu kandidieren. Jadot konterte wütend, Taubira zögere zu lange und komme zu spät. Gegen Macrons sehr professionelle Kampagne wirken die internen Querelen der Linken jedenfalls wie wahlpolitische Sandkastenspiele. (Stefan Brändle)

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