Frankreich: Planspiele gegen Macron

Frankreichs Linke rauft sich vor der Parlamentswahl im Juni gegen den Präsidenten zusammen.
Es wäre übertrieben zu behaupten, dass Emmanuel Macron nach seiner Wiederwahl von einer Welle der Euphorie getragen wird. Als er sich am Mittwoch erstmals wieder unter das Volk mischte, wurde er auf dem Markt von Cergy-Pontoise nordwestlich von Paris mit Cherrytomaten beworfen. Seine Leibwächter spannten zur Sicherheit einen Regenschirm auf.
Die Demoskopie hat eruiert, dass die Stimmen für Macron nur zum Teil ihm galten. 42 Prozent seiner Wählerschaft stimmten in der Stichwahl nur für ihn, weil sie gegen seine Widersacherin Marine Le Pen sind. Schlussfolgerung: Macron erhält in seiner zweiten Amtszeit wohl noch weniger Unterstützung als in der ersten, die von Gelbwesten- und anderen Krisen überschattet war.
Ein erstes Indiz dafür könnte die Parlamentswahl von Juni geben. Nach der Präsidentschaftswahl angesetzt, werden sie traditionell dazu genutzt, dem Staatschef eine Regierungsmehrheit für die nächsten fünf Jahre mitzugeben. Jetzt arbeiten aber alle Oppositionsparteien daran, dies zu verhindern.
Eine politische Zwangsehe, eine „Cohabitation“, ist nicht auszuschließen
Linkenchef Jean-Luc Mélenchon, der im ersten Wahlgang mit 22 Prozent Stimmen nur knapp hinter Le Pen ausgeschieden war, ruft zu einem „dritten Wahlgang gegen Macron“ auf. Und falls er diesen selber gewinnt, beansprucht er den Posten des Premierministers, wie er gleich auf seinem neuen Wahlplakat präzisiert.
Auch wenn Linkspopulist Mélenchon den Mund gerne etwas voll nimmt, ist eine solche politische Zwangsehe, „Cohabitation“ genannt, angesichts der Unpopularität Macrons nicht auszuschließen. Nicht zuletzt wegen der steigenden Preise und sinkenden Kaufkraft im Land macht sich die Linke Hoffnung auf einen Wahlsieg. Voraussetzung ist allerdings, dass sie sich nicht wie bei der Präsidentschaftswahl völlig verzettelt.
Mélenchon schlägt deshalb eine „Volksunion“ vor – unter seiner Führung. Die Sozialisten und Grünen, die in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl nicht einmal auf fünf Prozent Stimmen kamen, haben diese Woche Verhandlungen mit Mélenchons „Unbeugsamen“ aufgenommen. Die Führung der Sozialisten hat sich den radikalen linken Positionen der „Unbeugsamen“ – Rentenalter 60, staatliche Preissperre – am Freitag überraschend angeschlossen. Zu Mélenchons EU-feindlichen Positionen bleiben sie vage. Grünen-Chef Julien Bayou erklärte ebenfalls, man nähere sich einer Einigung. Eine formelle Absprache mit Mélenchon würde die proeuropäischen Sozialisten zweifellos spalten. Der frühere sozialistische Präsident François Hollande warnt seine Partei, sie werde noch ganz „verschwinden“, wenn sie sich von Mélenchon unterjochen lasse. Auch die Grüne Sandrine Rousseau sieht für diesen Fall eine „Explosion“ ihrer Partei voraus.
Marine Le Pen will ihr Lager ähnlich wie Mélenchon in die Wahlen führen
Immerhin sprechen die Linksparteien miteinander. Die Rechte schafft nicht einmal das. Ähnlich wie Mélenchon will Marine Le Pen ihr Lager in die Parlamentswahlen führen – nur schart sich niemand hinter sie. Ihr interner Rivale Eric Zemmour meinte am Wahlabend bitterböse, die Le Pens hätten nun zum achten Mal eine Präsidentschaftswahl verloren. Das stimmt: Vater Jean-Marie Le Pen trat seit 1974 fünfmal erfolglos zu einer Präsidentenwahl an, seine Tochter Marine dreimal seit 2012.
Alles deutet darauf hin, dass Macron im Juni mehr von der Linken als von der Rechten zu befürchten hat. Er hat deshalb bereits erklärt, er werde einen „sozialen, ökologischen und produktiven“ Premier ernennen, wenn seine Partei „La République en marche“ die Wahlen gewinne. Gut einen Monat vor den Parlamentswahlen weht der Wind in Frankreich wieder von links, nachdem die „rechte Gefahr“, wie die Pariser Medien Le Pen nennen, gebannt scheint.