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Frankreich: „Die Nase voll“ vom Testchaos an Schulen

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Von: Stefan Brändle

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Schulpersonal versammelt sich in Südfrankreich während einer Demonstration, zu der die Lehrergewerkschaften aufgerufen haben, um „ein unbeschreibliches Chaos“ aufgrund der Corona-Maßnahmen der neuen Regierung anzuprangern.
Schulpersonal versammelt sich in Südfrankreich während einer Demonstration, zu der die Lehrergewerkschaften aufgerufen haben, um „ein unbeschreibliches Chaos“ aufgrund der Corona-Maßnahmen der neuen Regierung anzuprangern. © Clement Mahoudeau/dpa

Drei Viertel aller Lehrerinnen und Lehrer bestreiken den Unterricht. Sie treibt auch der Frust über die halbherzige Anerkennung ihrer Arbeit durch Präsident Macron.

Ein Spaßvogel meinte in den sozialen Medien, Frankreich gehe es offenbar wieder besser, wenn der öffentliche Dienst zur guten alten Streiktradition zurückfinde. Die Lehrerinnen und Lehrer waren seit Beginn der Covid-Krise nicht mehr auf die Straße gegangen und hatten die Offenhaltung der Schulen gewährleistet.

Doch jetzt haben sie genug. Oder mit den Worten ihrer größten Gewerkschaft Snuipp-FSU: „ras-le-bol“, die Nase voll. Am Donnerstag blieben nach ersten Schätzungen drei Viertel des Lehrpersonals in den Kindergärten und Primarschulen zu Hause. In den Mittelschulen war die Präsenz etwas höher; doch auf allen Ebenen mussten Rektor:innen den gesamten Unterricht absagen. Das ist auch ein Schlag gegen die Regierungspolitik, die in Frankreich darauf abzielt, die Schulen – und damit die Wirtschaft – offen zu halten.

Mehrere Gewerkschaften freuten sich über die „historische Mobilisierung“. Unüblicherweise schlossen sich auch Elternverbände wie FCPE dem Streikaufruf an. Konkret richtet sich der Protest gegen die ständig sich ändernden Testvorschriften. Die einzelnen Schulklassen müssen in Frankreich ihren Unterricht fortsetzen, selbst wenn mehrere Ansteckungsfälle registriert werden. Für diese Fälle hatte Bildungsminister Jean-Michel Blanquer nach Neujahr ein neues Protokoll in Kraft gesetzt, das ab dem fünften Altersjahr eine dichte Testreihe vorsieht: Nach einem Soforttest am ersten Tag müssen sich die Sprösslinge am dritten und fünften Tag erneut ein Stäbchen in die Nase stecken lassen.

Viele Eltern begehren dagegen auf. Blanquer änderte darauf die Regel ein erstes, wenige Tage später ein zweites Mal. Das führte laut Snuipp-FSU zu einem „unbeschreiblichen Durcheinander“, weil selbst die Schulleitungen nicht mehr wissen, wann welche Schüler:innen welchen PCR- oder Autotest vollziehen müssen. Trotz der Tests mussten Tausende Klassen ganz geschlossen werden.

Der Protest richtet sich allerdings nur vordergründig gegen die Tests. Das in Frankreich schlecht bezahlte Lehrpersonal fühlt sich ähnlich wie die Pflegebediensteten alleingelassen an der Covid-Front. Präsident Emmanuel Macron scheint mehr mit seiner Wiederwahl im April beschäftigt zu sein.

Blanquer lässt er deshalb elegant im Regen stehen. Sollte das Schulchaos anhalten, wäre der Minister ein bequemes Bauernopfer für den Staatschef. Für ihn kommt der Lehrerstreik im ungünstigsten Moment, verstärkt er doch drei Monate vor den Wahlen den Eindruck, dass die Regierung die Pandemie nicht so souverän meistert, wie es Macron gerne behauptet. Die Lehrer- und Elternverbände erhielten denn auch Unterstützung durch die übrigen Präsidentschaftskandidat:innen – sogar vom rechten Polemiker Eric Zemmour, der sonst gerne auf die „linke“ Lehrerschaft schimpft.

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