Ich selbst kann mich noch an ein Ereignis erinnern aus den letzten Märztagen. Ich war mit meiner Mutter allein zu Hause, der Bruder war in Gefangenschaft, Vater zuletzt noch beim Volkssturm. Das muss wohl zur Zeit gewesen sein, als der Gauleiter Sprenger verfügte, alle Brücken zu sprengen und die Bevölkerung sollte sich in Sicherheit bringen. Die Bewohnerinnen unseres Hauses in Sachsenhausen standen abends mit ihren Köfferchen im Hauseingang und fragten meine Mutter, was sie machen sollten. Und meine Mutter sagte nur, sie bliebe im Haus, denn wo sollten wir in der zerbombten Stadt hin? Und wir haben alle lange uns aus den Fenstern gelehnt (mit einem Kissen auf der Fensterbank) und auf irgendein schlimmes Ereignis gewartet. Als nichts geschah, und wir froren, haben wir das Fenster geschlossen, sind zu Bett gegangen und am anderen Morgen aufgewacht, und es war nichts geschehen. Für mich als damals Zehnjährige war das Ganze unheimlich.
Mein damals 17-jähriger Bruder hatte aus der Gefangenschaft am
1. Juni 1945 meinen Eltern einen Brief geschrieben, den ich beifüge:
Meine lieben Eltern und liebe Schwester, . . . ich bin in amerikanischer Kriegsgefangenschaft seit 11. April und bin seit 15.Mai hier in Frankenberg a. d. Eder im Reservelazarett mit erfrorenen Füßen. Zur Zeit habe ich eine leichte Angina und bekomme täglich 2 x einen Halswickel. Jetzt habe ich einen großen Sprung getan und will nun das Vergessene nachholen. Also dass ich am 25. Februar nach Siegen in Westfalen zur Veterinär Ersatz- und Ausbildungsabteilung 9 musste, wisst ihr ja. Am 6. März wurden wir abgestellt zum Heimat-Pferdelazarett 9 in Kassel. Dort war das Lazarett kurz zuvor ausgebombt und in der Nähe auf dem Land untergebracht. Wir schliefen eine Nacht in einer Kaserne in Kassel-Wilhelmshöhe und fuhren am anderen Tag nach Westerfelden, das 9 km von Hofgeismar liegt. Dort verlebte ich drei ruhige Wochen. Am Karfreitag begannen wir den Rückzug Richtung Harz. Dort wurden wir am 11. April in einem Kessel bei Hörden vom Ami geschnappt. 8 Tage verbrachten wir in Nordhausen in einem Auffanglager mit 5000 Mann unter blauem Himmel. Dann transportierte er uns nach Remagen a. Rhein, wo ich bis zum 8. Mai lag; denn ich hatte mir die Füße in der Nässe und Kälte nachts erfroren. Das kann man fast als Glück bezeichnen, denn im Lager noch längere Zeit zu bleiben, bedeutete Selbstmord. Ich habe in den 14 Tagen Aufenthalt in Frankenberg ziemlich wieder zugenommen und bin schon wieder ganz schön bei Kräften. Nur das Laufen macht noch Schwierigkeiten. Zuerst war ich acht Tage im Lazarett in Andernach, fuhren dann nach Frankenberg. . . . Vor allem schon, man hat gar nicht mehr das Gefühl, Gefangener zu sein. Das macht schon viel aus . . .
viele Grüße und Küsse an alle.
Auf baldiges Wiedersehen hofft Euer Sohn Horst
Gerdi Schmidt
Nachdem Gauleiter Sprenger erklärt hatte, Frankfurt müsse verteidigt werden, entschließen sich meine Eltern, die Stadt zu verlassen. So steigen wir, mein Vater, meine Mutter mit ihrer etwas über einjährigen Tochter und ich, der Zehnjährige, am 17. März 1945, einem Samstag, im Bahnhof Rödelheim in einen Zug in Richtung Friedberg ein, um in Reichelsheim, einem für uns sicheren Ort in der Wetterau, eine vorübergehende Bleibe zu finden. Dort arbeitet mein Vater die Woche über im ausgelagerten Betrieb der VDO-Werke und wohnt bei einem Bauern. Doch schon in Bad Homburg ist unsere Expedition zu Ende, weil der Zug wegen Tiefflieger nicht weiterfährt. Was also tun? Wir werden von einer befreundeten Familie aufgenommen, die vor kurzem bei Verwandten in Bad Homburg untergekommen ist. Die erste Nacht kampieren wir zu viert in deren Wohnung. Doch bereits am nächsten Tag können wir durch die Vermittlung eines Bekannten dieser Familie in ein leerstehendes Einfamilienhaus einziehen. Dort bleiben wir bis auf Weiteres wohnen, wochentags allerdings ohne meinen Vater, der mit dem Fahrrad zu seiner Arbeitsstelle fährt. Inzwischen erfahren wir, dass die amerikanischen Truppen am 28. März Frankfurt vollständig eingenommen haben. Die anschließenden Osterfeiertage verbringen wir noch in unserem Asyl, doch am 4. April machen sich meine Mutter mit meiner kleinen Schwester im Kinderwagen und ich uns zu Fuß auf den Weg zurück nach Rödelheim, denn Eisenbahnen fahren ja noch nicht. Auf den Landstraßen kommen uns Kolonnen von Panzern und Militärfahrzeugen entgegen, auf denen amerikanische GIs sitzen. Alle haben uns freundlich zugewinkt. An diesem Tag habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Schwarze gesehen. Später gehören sie zum alltäglichen Straßenbild in Frankfurt.
Günter Heidt
Ich erlebte das Kriegsende eher als einen gleitenden Übergang. Es gab keine Kampfhandlungen, und es fiel kein einziger Schuss. 1944 wurde in der Gelastraße in Seckbach mein Elternhaus durch zwei Bomben zerstört. Ich selbst war zu dieser Zeit in Niedermittlau, Kreis Gelnhausen, „kinderlandverschickt“. Wir gingen im benachbarten Meerholz zur Schule. Meist fuhren wir mit dem Fahrrad, bei schlechtem Wetter aber mit der Kleinbahn. Aus dem Keller der Schule konnten wir die Jagdfliegerangriffe auf den Segelflughafen in Rotenbergen beobachten. Spitfires zerschossen einen Transportflieger nach dem anderen. Die doppelrumpfigen Lightwings hatten besonderen Eindruck auf uns gemacht. Wir verfolgten natürlich die Kriegsberichterstattung und hörten auch regelmäßig Radio London, weil wir den deutschen Quellen nicht so ganz trauten. So fasste ich den Entschluss, meine Gasteltern zu verlassen und nach Frankfurt zu meiner Mutter zu gehen, sobald Kreuznach gefallen war. Das tat ich dann auch. Per Anhalter kam ich nach Offenbach, den Rest ging’s zu Fuß weiter. In der Woche vor Ostern kamen einzelne deutsche Soldaten durch unsere Straße. Sie hatten keine kämpferischen Absichten, wollten vielmehr eher ihre Gewehre los sein und Zivilkleidung erhalten. Es kamen keine geschlossenen Einheiten. Es gab auch keine Kampfhandlungen. Als keine Soldaten mehr auftauchten, wussten wir: Wir sind jetzt im Niemandsland. Nun galt es, die Zeit auszunutzen. Schnell sprach sich herum, wo etwas zu holen war. Am Ende der Gelastraße war in der Frießstraße ein Heeresverpflegungslager, vollgestopft mit haltbaren Lebensmitteln, also etwa getrockneten Kartoffeln, Eiern, Milchpulver, Erbsen, Linsen, Bohnen, auch Büchsen und Zucker in Doppelzentnersäcken. Die Gelegenheit, sich für eine ungewisse Zukunft zu versorgen, wurde eifrig genutzt. Niemand störte sich daran, dass wir auf militärischem Gelände waren. Plötzlich rief jemand in die plündernde Menge: „Alles Hände hoch, sie sind da!“ Weil ich aber niemanden sah, ging ich vor die Halle, um nachzusehen. Da stand ich dann unmittelbar vor einem amerikanischen Soldaten mit dem Gewehr im Anschlag. Er sagte mir: „Go home!“ Das habe ich dann auch gemacht. Auf dem Heimweg sah ich dann auch einen Soldaten, der einem Nachbarn eine Zigarette angeboten hatte und sich mit ihm friedlich unterhielt. Für uns war damit der Krieg zu Ende. Später fuhren noch Panzer durch unsere Straße, dann war wieder Stille, und die Plünderei ging weiter. Wie ein Lauffeuer wurde bekannt, wo etwas zu holen war. Am Ostbahnhof sollte ein Zug mit Zigaretten stehen. Auch die Kasernen der 88er in Eckenheim wurden heimgesucht. Es gab keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Später wurde dann eine abendliche Ausgangssperre verhängt, und die Besatzungszeit erhielt ihre Struktur. Es gab dann auch eine deutsche Zeitung. Die Anwesenheit amerikanischer Soldaten wurde zur Selbstverständlichkeit.
Am Sonntag vor Ostern sollte meine Konfirmation sein. Unter den gegebenen Umständen hatten wir sie einfach völlig vergessen. Überraschend kam dann in der Karwoche vom Pfarramt die Nachricht, jetzt sei die Konfirmation auf Ostermontag festgesetzt. Im Dezember/Januar traf ich beim Schlittschuhlaufen einen Soldaten, der Interesse an meinen Schlittschuhen zeigte. Er bot mir dafür eine Packung Lucky Strike an. Das war natürlich damals ein sehr gutes Geschäft. Doch er war mit den Schlittschuhen nicht zufrieden und gab sie mir am nächsten Tag zurück. Die Zigaretten konnte ich ihm da allerdings nicht mehr zurückgeben.
Gerhard Klein, Grebenstein
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Als die Amerikaner 1945 in Frankfurt-Nied in die „Eisenbahner-Siedlung“ einmarschierten, stand meine Mutter mit mir (Jahrgang 1942) auf dem Arm mit vielen Nachbarn auf der Straße „Grüne Winkel“. Die Amerikaner verschenkten Schokoladentafeln an die Kinder, auch an mich, wie meine Mutter es immer wieder in späteren Jahren erzählte. Meine Mutter ging jedoch der deutschen Propaganda auf den Leim, die Schokolade und andere Süßigkeiten seien vergiftet. Sie nahm mir die Tafel aus der Hand und warf sie in den nächsten Straßengully. Ich soll gebrüllt haben und war lange nicht zu beruhigen. Später hatte ich dann Schokolade satt, denn meine Mutter war als Küchenhilfe bei den Amerikanern in den besetzten Farbwerken in Höchst beschäftigt.
Gerd Pfenninger
Deutsche Fachkräfte sprengten im März 1945 die Wilhelmsbrücke in Frankfurt in der Vorstellung, damit die amerikanischen Streitkräfte, die von Süden anrückten, wesentlich aufhalten zu können. Diese hatten allerdings innerhalb weniger Stunden eine Pontonbrücke über den Main gebaut in der Höhe des heutigen Museums Giersch und der damaligen Rollschuhbahn Mosler, auf der die späteren Weltmeister Marika Kilius und Franz Ningel ihre Pirouetten drehten. Die amerikanischen Truppen durchkämmten anschließend die noch stehen gebliebenen Häuser Stockwerk für Stockwerk und landeten so auch bei meinem Vater Carl Kraus, einem Weltkrieg-I-Soldaten, im ersten Stock der Gutleutstraße 94. Mein Vater, der kein Englisch sprach, war allein in der Wohnung. Meine Mutter war mit uns Kindern evakuiert. Mein Vater bezeichnete später die Vorhut der US-Soldaten als Elitetruppe. Die Soldaten nahmen einzelne Bücher aus unserem Bücherschrank, blätterten sie durch und stellten sie wieder ordentlich zurück. Sie verließen die Wohnung, ohne sie durchwühlt zu haben. Ich erkläre mir ihr Verhalten so, dass sie unter anderem Heinrich Heines Sämtliche Werke, erschienen 1867 bei Hofmann und Campe in Hamburg, in der Hand hatten und sie davon ausgingen, dass mein Vater das Werk eines im Dritten Reich verfemten Autors nicht erst einige Tage vorher zum Empfang der US-Armee dort hingestellt hatte. Es musste den Amerikanern wichtig sein, eine bereits seit zwölf Jahren schwer traumatisierte Bevölkerung nicht weiter zu verprellen, sondern sie zum Aufbau einer zukünftigen stabilen Demokratie zu ermuntern. Was ihnen nach dem Inferno seinerzeit auch in relativ kurzer Zeit erstaunlich gelang.
Hannelore Kraus
Als Zeitzeuge würde ich mich nicht bezeichnen, aber immerhin bin ich 1942 in Frankfurt geboren. Aufgewachsen bin ich in Eschersheim im sogenannten Negerdörfchen am Wasserturm. Wir Kinder hatten dort viel Freiheit, kein Verkehr, nur Gärten und Felder. Mein erster Kontakt mit Amerikanern war an der Eschersheimer Landstraße. Ein Armeetruck fuhr vorbei und ein Soldat warf mir eine Tafel Schokolade zu, meine erste. Auch wurde ich einmal von Nachbarn zu einer Weihnachtsfeier für Kinder mitgenommen. Sie wurde von der US-Armee an der Hansaallee veranstaltet. Manche Kinder bekamen Spielzeug und alle bekamen Süßigkeiten. Auch meine erste Orange bekam ich von einem GI, der uns ab und an besuchte. Nur unterhalten konnten wir uns nicht, keiner von uns konnte Englisch. Viel später wurde auch schon mal eine Galone Whiskey oder anderes aus der PX besorgt. Auch in den dort an gesiedelten Toperclub sind wir sehr gerne gegangen. Es gab dort tolle Live-Musik. Es würde mich sehr freuen, wenn noch ein paar Leute von damals aus dem Negerdörfchen in Frankfurt leben.
R. P. Wagner, Frankfurt
Zu Ende des Krieges war mein Onkel, Franz Kissel, als Kaplan im Taunus eingesetzt. Als die Amerikaner in Schlossborn einrückten, hatte er gerade begonnen, in der Dorfkirche eine Messe zu zelebrieren. Nach dem „Introitus“ betraten schwerbewaffneten Soldaten die Kirche und schickten sich an, die Gläubigen in Schach zu halten. Mein Onkel ließ sich nicht beirren und forderte die Eindringlinge höflich auf, ihre Helme abzusetzen und das Ende des Gottesdienstes abzuwarten. Die Soldaten waren so verdutzt, dass sie der Aufforderung Folge leisteten und dem Gottesdienst andächtig folgten. Nach Kriegsende wurde in der Gemeinde oft daran erinnert, dass ein junger Kaplan den amerikanischen Einmarsch um fast eine Stunde aufgehalten hat.
Dr. Thomas Ollig
Es ist Frühling 1945, Mitte März, wir sind des Krieges müde. Angesicht der zerstörten und verwüsteten Heimat sind die Menschen apathisch. Alles befindet sich in Auflösung. Unsere deutschen Soldaten, die in Richtung Osten durch Frankfurt ziehen, wirken abgekämpft und müde. Vom Westen her hören wir Kanonendonner, die Amerikaner haben den Rhein überquert. Einen Tag vor meinem 14. Geburtstag fahren sie über die Kaiser-Wilhelm-Brücke in unsere Stadt hinein. Alle anderen Brücken waren von den Unseren gesprengt worden. Am Tag zuvor lief ich noch über die Zeil zur Metzgerei Kirschenbauer an der Konstablerwache. Sie verteilten ihre Fleisch- und Wurstvorräte an die Bürger. Es war sehr gefährlich, da die Stadt unter Beschuss war, aber ich dachte an die Familie, Hunger und Not würden kommen. Ich hatte auch keine Angst nach so vielen überstandenen Bombennächten. Auf meinem Weg nach Hause, wir wohnten am Börneplatz am alten jüdischen Friedhof, begegnete mir der erste amerikanische Soldat. Er fragte mich nach deutschen Soldaten, ich antwortete ihm auf Englisch: „They all had gone eastward“. Ich bewunderte im Stillen seine lässige Art und seine Schuhe, die leicht und weich waren, keine schweren genagelten Knobelbecher wie bei uns. Da unsere Straße trümmerfrei war, so auch die Hanauer Landstraße Richtung Osten, wurden sie Hauptverkehrsstraßen für die Amerikaner. Öltanker, Munitionslaster, Panzer, Kanonen, alles rollte an unserem Haus vorbei. Ich saß auf der Eingangsstufe unseres Hauses und bestaunte das unendliche Material. Das war mein erstes Erlebnis mit Amerikanern. Ich habe heute noch die Musik der lockeren US-Soldaten im Ohr, den Swing.
Gerhard Geis
Das Kriegsende habe ich (Jahrgang 1934) nicht in Frankfurt erlebt. Unser Gemeindepfarrer der Heilig-Geist-Pfarrei im Riederwald hat eine große Anzahl Kinder an seine frühere Kaplanstelle im Oberwesterwald bei Bauersleuten vermittelt, um sie der „Kinder-Landverschickung“ der Nazis zu entziehen. Wir sind im Februar 1943 aus Frankfurt entkommen, haben also die schweren Bombenangriffe nicht persönlich erlebt. Die Eltern erzählten vom Kriegsende, wie sie im Keller des Pfarrhauses mit mehreren ausgebombten Familien notdürftig unterkommen konnten. Der Kaplan Rendenbach, der verwundet von der Front gekommen war, hat sie unterrichtet, wie es draußen stand. Er hat auch berichtet, dass man jetzt sich bei dem „Heeresverpflegungslager“ in der jetzigen Mergenthaler Straße bedienen könne, da die deutschen Truppen nicht mehr da seien, die Amerikaner aber noch am Bornheimer Hang warteten. So holten die Leute Konserven, Lebensmittel, Hülsenfrüchte und alles Brauchbare und konnten so die nächste Zeit einigermaßen überleben. Wir Kinder kamen etwa im September 45 wieder nach Frankfurt und hatten in den Trümmern einen wunderbaren Abenteuerspielplatz.
Heinrich Kress
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Sie kamen auf beiden Seiten der Sauer-Straße von der Mainzer Landstraße her, eng an den Hauswänden entlang, die Gewehre in beiden Händen: die Amerikaner. Ich sehe sie langsam näher kommen. Mich fast 6-Jährigen hatten sie wohl auf die Straße gestellt, damit die Befreier keine Gefahr befürchten sollten. Rechtzeitig gingen wir ins Haus, der Willi, die Frauen und ich. Der Parteigenosse war schon ein paar Tage vorher abgehauen. Angst hatten wir schon, als die GIs im Haus hochstiegen in den zweiten Stock. Der Offizier der Gruppe sah meine Mutter, die schwanger war, und mich daneben, er lächelte: „Okay.“ Dann waren sie weg und wir ganz schön erleichtert. Sie durchkämmten jedes Haus. – Es folgten die Sperrstunden. Da hingen ab 18 Uhr fast alle in der Sauerstraße an den Fenstern. Ich stand hinter dem Haustor, als ein Jeep mit US-Soldaten neben dem Bürgersteig vorfuhr. Der Schwarze auf dem Beifahrersitz bot mir "Chocolate" an. Er war der erste Schwarze, den ich sah. Ich traute mich nicht auf die Straße, auch wegen der Sperrstunde. „Ei, Gerti, sei doch net so blöd, geh doch hin …“, schallte es aus den Fenstern.
Gert Linz, Rodgau
Als 1962 Geborene kann ich die Geschehnisse nur aus zweiter Hand wiedergeben. Bei Kriegsende war mein Opa dienstverpflichtet als Telefonist, da er durch Kriegsteilnahme am ersten Weltkrieg nicht wehrdiensttauglich war. Allerdings sollte er laut dem Ortsgruppenleiter von Heddernheim am sogenannten Volkssturm teilnehmen. Meine Oma, ebenso resolut wie erfindungsreich, wusste das zu verhindern, indem sie ihn kurzerhand als an einer Magen-Darm-Grippe leidend „krank“ meldete. „des is des letzte Aufgebot – alles Kanonefudder – du gehst mir da net hin“. Bis zuletzt fürchtete mein Opa, dass man ihm auf die Schliche kommen würde. Schließlich endete aber alles gut, die Amerikaner zogen ins Stadtgebiet ein und der Krieg war endlich beendet. Leider wohnte meine Familie, seit sie im September 1944 ausgebombt war, in der Römerstadt in Heddernheim, so dass sie kurze Zeit später ihre Wohnung verlassen musste, da die Amerikaner die gesamte May-Siedlung beschlagnahmt hatten und dort ehemalige Zwangsarbeiter einquartierten.
Angelika Grueger
Ich war zehn Jahre alt, als die Amis kamen. Die letzten zwei Jahre saßen wir in einem Rohrbunker, der in Seckbach im alten Friedhof eingegraben war. Die schöne Kirche ging in Flammen auf. Die Angst hat mich auf Jahre verfolgt. Dann kamen die Amis. Die Panzer standen auf der Hauptstraße. Wir sahen zum ersten Mal Schwarze. Weiße Fahnen wurden herausgehängt, das waren Bettlaken. Aber wir hatten keine Angst mehr. Dann kamen die Soldaten in die Straße und fragten nach Eiern und Zwiebeln. Die waren freundlich und ließen Süßes dafür da. Ich habe das in guter Erinnerung.
Horst Friedrich