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Frankfurter Grünen-Abgeordnete zum Klimaschutz: „Wir müssen Seite an Seite kämpfen“

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Von: Pitt von Bebenburg, Tobias Schwab, Friederike Meier

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„Wenn es nur nach uns Grünen ginge, würde kein Zentimeter Autobahn mehr gebaut werden“: Deborah Düring in der FR-Redaktion. C. Boeckheler
„Wenn es nur nach uns Grünen ginge, würde kein Zentimeter Autobahn mehr gebaut werden“: Deborah Düring in der FR-Redaktion. C. Boeckheler © christoph boeckheler*

Die Grünen-Abgeordnete Deborah Düring über Reibungen mit der FDP beim Thema Klimaschutz und nachhaltige Hilfe für die Ukraine.

Frau Düring, im FR-Interview haben Sie uns vor vier Jahren gesagt: „Wir müssen den Klimanotstand ausrufen.“ Müssen wir das?

Die Klimakrise ist eine Notsituation, in der wir entschiedenes, konsequentes Handeln brauchen.

Viele Leute in der Klimaschutzbewegung halten die Politik der Grünen in den Regierungen aber nicht für entschiedenes, konsequentes Handeln, etwa im Dannenröder Forst, in Lützerath oder im Fechenheimer Wald. Sind die Grünen noch die Klimaschutzpartei?

Prinzipiell haben die Klimaschutzbewegung und die Partei Die Grünen die gleichen Ziele. Wir haben im Dannenröder Forst und auch im Fechenheimer Wald sehr klar gemacht: Wenn es nur nach uns Grünen ginge, würde in Zeiten der Klimakrise kein Zentimeter Autobahn mehr gebaut werden. Die Klimaschutzbewegung hat aber eine andere Rolle als die Partei. Die Rolle der Bewegung ist, Maximalforderungen zu stellen, sie vehement zu vertreten und Aufmerksamkeit zu generieren. Die Rolle der Grünen in Regierungsverantwortung ist, dafür Mehrheiten zu gewinnen und das Maximale herauszuholen. Da sind wir nicht so weit, dass kein Zentimeter Autobahn mehr gebaut wird, im Gegenteil: Die FDP will die Planung von Autobahnen beschleunigen. Wir Grüne sagen sehr klar, dass das mit uns nicht geht.

Wie hart bleiben die Grünen an diesem Punkt?

Im Koalitionsausschuss sind die Verhandlungen dazu vor einigen Tagen gescheitert. Jetzt schauen wir, ob wir einen Kompromiss finden, den alle mittragen können. Wir wollen ja in anderen Bereichen beschleunigte Planung, etwa bei erneuerbaren Energien und beim ÖPNV.

Nie waren die Grünen stärker als heute. Sie regieren im Bund, in Hessen und in Frankfurt. Da provozieren Sie hohe Erwartungen und auch Enttäuschungen.

Wenn die Grünen in Deutschland 52 Prozent hätten, dann sähe die Politik anders aus. Demokratie bedeutet, dass man Kompromisse finden muss, wenn man nicht die Mehrheit hat. Jedes Ressort muss aber seine Hausaufgaben machen. Besonders reißt der Verkehrssektor die Klimaziele. Wir Grüne erwarten da deutlich mehr vom Bundesverkehrsminister.

Die FDP fordert regelmäßig, die Grünen sollten die Atomkraftwerke länger laufen lassen, wenn sie wirklich Klimaschutz leisten wollten.

Da sage ich mit einem Schmunzeln: Olaf Scholz hat ein Machtwort gesprochen. Das gilt für alle.

Zur Person

Deborah Düring, 28, sitzt seit 2021 für die Grünen im Deutschen Bundestag. Die Friedens- und Konfliktforscherin lebt seit einigen Jahren in Frankfurt und ist in ihrer Fraktion Sprecherin für Entwicklungspolitik. FR

FDP-Fraktionschef Christian Dürr will Klimaprojekte im globalen Süden nur finanzieren, wenn die entsprechenden Länder sich bereit erklären, geflüchtete Menschen zurückzunehmen.

Unterstützung an die Rückübernahmebereitschaft zu koppeln, ist zynisch, erpresserisch und verstößt außerdem gegen den Koalitionsvertrag, den auch die FDP unterschrieben hat. Christian Dürrs Vorschlag ist bestenfalls absurd. Die Finanzierung des Klimaschutzes ist kein Gefallen, den der globale Norden den Ländern des globalen Südens tut. Wir sind für die Klimakrise verantwortlich und brauchen die Anstrengungen aller Länder, wenn wir eine Chance haben wollen, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Außerdem, und das fand ich an Christian Dürrs Aussage besonders entlarvend, spricht er eben nicht von Maßnahmen, die den jeweiligen Ländern zugutekämen, wie etwa dem Ausbau erneuerbarer Energien oder Anpassungsmaßnahmen gegen Dürren oder Überschwemmungen. Er spricht von der Förderung und Lieferung von Rohstoffen für unsere Energie- und Mobiltätswende in Deutschland. Das wirkt auf mich einfach nur kolonial arrogant.

Das klingt nicht nach guter Zusammenarbeit in der Koalition beim Klimaschutz.

Klimaschutz ist die Aufgabe aller. Sowohl die SPD, die den Klimakanzler plakatiert hat, als auch die FDP müssen mit uns Grünen Seite an Seite kämpfen. Wenn wir jetzt nicht mit allem, was wir haben, dafür arbeiten, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, dann reden wir in zehn, 20, 30 Jahren nicht mehr über Wohlstandserhalt. Dann reden wir über noch viel mehr Menschen, die direkt von der Klimakrise betroffen sind, ihr Zuhause verlassen müssen, deren Gesundheit anhaltend geschädigt ist. Die Verantwortung der Politik ist es, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass ein gutes Leben auf diesem Planeten möglich bleibt.

Dann muss ja die Politik von Wirtschaftsminister Habeck für Sie ein Graus gewesen sein: Der Kauf von fossilen Energien aus Staaten wie Saudi-Arabien und Katar, ausgerechnet aus Staaten von Menschenrechtsverletzern, der Bau von LNG-Terminals für Fracking-Gas…

Was Robert Habeck im vergangenen Jahr probiert hat, ist den Spagat hinzubekommen zwischen Versorgungssicherheit und Klimaschutz. Es ist eine der großen Herausforderungen dieses Jahres, nicht weiter in fossile, sondern in erneuerbare Energien zu investieren.

Sie beschäftigen sich bereits mit dem Wiederaufbau der Ukraine – und fordern den „nachhaltigen und 1,5-Grad-konformen Wiederaufbau“. Das wirkt irritierend, während russische Bomben ukrainische Städte in Schutt und Asche legen. Ist es der richtige Zeitpunkt, um über Wärmedämmung künftiger Häuser in der Ukraine zu sprechen?

Ich habe im Bundestag gesagt, dass das auf den ersten Blick grotesk erscheinen könnte. Die Ukraine zu unterstützen, bedeutet mehr, als ihr Waffen zu liefern. Die ukrainische Bevölkerung braucht auch eine Perspektive für die Zeit nach dem russischen Angriffskrieg. Natürlich müssen wir jetzt schon über den Wiederaufbau sprechen. Ein 1,5-Grad-konformer Wiederaufbau hat dabei auch eine geopolitische Komponente. Dann nämlich, wenn die Ukraine so wie wir unabhängiger von Lieferungen fossiler Brennstoffe wird. Das fordern auch Stimmen aus der ukrainischen Zivilgesellschaft .

Interview: Pitt von Bebenburg, Friederike Meier und Tobias Schwab

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