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Erfolg in Berlin lässt die CDU auch in Frankfurt hoffen

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Von: Martin Benninghoff

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Spaziergang im Nordend, wo es Autos schwer haben. Fußgänger Uwe Becker (Mitte) folgt Radfahrerin Bettina Wiesmann.
Spaziergang im Nordend, wo es Autos schwer haben. Fußgänger Uwe Becker (Mitte) folgt Radfahrerin Bettina Wiesmann. © Rolf Oeser

CDU und Großstadt – das schien lange nicht mehr zu funktionieren. Vor der OB-Wahl in Frankfurt steigt aber die Hoffnung bei den Konservativen. Eine Analyse von Martin Benninghoff.

Frankfurt - Der Befund schien klar: Die CDU kann nicht mehr Großstadt. In Berlin seit 22 Jahren keinen Regierenden Bürgermeister mehr gestellt, in Bonn das Rathaus futsch, in Frankfurt erst die Kommunal-, dann die Bundestagswahl und damit die Direktmandate verloren. Nur noch in Düsseldorf knapp die Mehrheit verteidigt. Ein Desaster für die – im Selbstbild – Volkspartei mit Ewigkeitsgarantie, die bundesweit weniger als 400.000 Mitglieder hat. 1990 waren es doppelt so viele.

Und jetzt das: In Berlin könnte der nächste Regierungschef Kai Wegner heißen, ein CDU-Mann. In Frankfurt wird es der frühere CDU-Stadtkämmerer Uwe Becker wahrscheinlich in die Stichwahl schaffen. Kann die CDU also doch Großstadt und das berühmte urbane Lebensgefühl verkörpern?

Kann die CDU wieder Großstadt?

Die Antwort führt ins ARD-Talkstudio von Anne Will. Nach dem Sieg in Berlin sagte Parteivize Jens Spahn dort: „Die CDU kann wieder Großstadt.“ Mit zehn Punkten Vorsprung hat die Partei, die der Youtuber Rezo 2019 für tot erklärte, SPD und Grüne in den Schatten gestellt. Doch statt die schrillen, teilweise rechten Töne des Berliner Landesverbandes in der Migrationsfrage zu wiederholen, präsentierte Spahn eine Analyse, die das Dilemma der Konservativen zwischen Kleingärtnervereinen in Zehlendorf und dem polyglotten Friedrichshain auf den Punkt bringt: „Wer morgens um sechs montags vom Berghain nach Hause fährt, der will sicher in der U-Bahn sitzen.“

Der Satz ist erklärungsbedürftig. Das „Berghain“ ist einer der bekanntesten Clubs der Welt. Was für die arbeitende Bevölkerung in – sagen wir mal Rheda-Wiedenbrück - wie ein schlechter Witz klingt, montags früh um sechs erst nach Hause zu fahren, ist bei Berlins elitärem Partypublikum eine realistische Alltagsoption. Dass Spahn zudem über U-Bahnen spricht und im gleichen Atemzug das klassische Unionsthema Sicherheit adressiert, ist ein rhetorischer dreifacher Rittberger, bei dem sich selbst erfahrene CDU-Leute die Beine brechen können. Der im Vergleich zum Frankfurter Stadtverband konservativen Berliner CDU gelang diese Kür an der Urne.

Dazu muss allerdings das politische Klima stimmen: In Berlin galt die Erzählung, die Stadt sei dramatisch schlecht regiert und nichts funktioniere, inklusive der Wahl. Vor diesem Hintergrund konnte sich CDU-Kandidat Wegner als Macher positionieren, der die Verwaltung in den Griff bekommt. Im Wahlkampf ergriff er Partei für den Autoverkehr, um die CDU-Klientel in den sogenannten bürgerlichen Stadtteilen zu mobilisieren, zugleich umwarb er das Innenstadtpublikum mit der Forderung, den Radverkehr sicherer zu machen.

Für die CDU bleibt die Großstadt dünnes Eis

Die Strategie ging auch deshalb auf, weil die CDU im Bund, bislang in Berlin auf Landesebene, und in Frankfurt aktuell auf kommunaler Ebene in der Opposition ist. Unzufriedenheit mit der Ampel im Bund oder dem Viererbündnis SPD, Grüne, FDP und Volt in Frankfurt kann sich in einem Denkzettel für die CDU materialisieren. Auch wenn Uwe Becker in Frankfurt kein klassischer Denkzettel-Politiker ist. Im Vergleich zu Wegner ist der Staatssekretär ein liberaler CDU-Mann, mit Verbindung zum Sozialflügel.

Beckers Strategie ist nicht unähnlich: Sicherheit, Sauberkeit, das sind klassische CDU-Themen bei einem Kandidaten, der zwar auf seinen Plakaten das Logo der Partei abdruckt (was nicht mehr Usus ist), trotzdem stark auf die Person setzt. Wenn er sich gegen „blinde Autofeindlichkeit“ positioniert, dient das der Mobilisierung klassischer Unions-Anhänger:innen und wildert zudem bei der FDP. Zugleich will er den Radverkehr ausbauen und die Verkehrswende hinbekommen, die berühmten Anschlussthemen in einer Großstadt. Am Ende muss also auch hier der dreifache Rittberger bestanden werden. Für die CDU bleibt die Großstadt daher dünnes Eis. (Martin Benninghoff)

OB-Wahl in Frankfurt

FR-Online-Dossier: Wer wird Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Frankfurt? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden am 5. März. Stichwahl-Termin wäre der 26. März. Die FR bündelt ihre Berichterstattung mit Analysen, Porträts und aktuellen Nachrichten in einem Online-Dossier.

Mit dem exklusiven FR-Wahlhelfer können Sie einfach und interaktiv herausfinden, welche:r Kandidat:in Ihnen inhaltlich nahe steht. 25 Thesen hat die FR-Redaktion ausgesucht - die Sie selbst gewichten können.

FR-Stadtgespräch zum Nachschauen: Am Mittwoch, 8. Februar, stellten sich den Fragen des FR-Römerteams die Kandidat:innen Manuela Rottmann, Uwe Becker, Mike Josef, Daniela Mehler-Würzbach und Yanki Pürsün. Die Diskussionsrunde lässt sich im Video nachsehen.

OB-Talks: Mit dem Medienmanager Bernd Reisig (Stiftung „Helfen helfen“) lud die FR vier Kandidat:innen zu Einzelgesprächen ins SAE Institute: Uwe Becker (CDU), Manuela Rottmann (Grüne), Mike Josef (SPD) und - als Ergebnis einer Lerser:innen-Abstimmung - der Kandidat der „Partei“, Prof. Dr. Dr. Bembel, vertreten durch Katharina Tanczos. Die vier Abende im Video zum Nachschauen.

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