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Fossile Energien statt Erneuerbare: Schmutzige Staatsfonds

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Staaten, wie Saudi-Arabien (Bild) profitieren von fossilen Vermögen und tragen dazu bei, dass sich die Klimakrise verschärft.
Staaten, wie Saudi-Arabien (Bild) profitieren von fossilen Vermögen und tragen dazu bei, dass sich die Klimakrise verschärft. © Hans Lucas/Imago

Länder sollten auch in ihrer Rolle als Investoren auf Erneuerbare Energien setzen - Obwohl fossile Energien eindeutig nicht zukunftsträchtig sind, investieren Regierungen weiter in sie, statt auf die Energiewende zu setzen. Von Claudia Wiggenbröker

Oft betrachten wir Staaten ausschließlich als Mächte, die der Wirtschaft einen politischen Rahmen vorgeben. Sie legen Regeln fest. Doch Staaten gestalten den Markt nicht nur – sie nehmen auch daran teil. Nationen investieren in Unternehmen, kontrollieren sie teils sogar. Darunter sind auch Energie-Riesen, deren Geschäft sich um fossile Energieträger dreht.

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Saudi-Arabien kontrolliert den Ölmulti Saudi Aramco, der bereits in mehreren Jahren das wertvollste Unternehmen der Welt war – noch vor Apple. China lenkt mehrere Mineralölunternehmen. Russland hält die Mehrheit am Gaskonzern Gazprom, der Deutschland im Zuge des Ukraine-Kriegs den Gashahn zudrehte.

Wie groß die Rolle der Staatsunternehmen im Öl- und Gassektor ist, lässt sich allerdings nur schätzen. Laut Weltbank produzieren Staatsunternehmen drei Viertel des weltweiten Öls. „Andere Schätzungen gehen davon aus, dass staatlich kontrollierte Betriebe die Hälfte des globalen Öl- und Gasangebots produzieren“, sagt der Politökonom Milan Babic. Er lehrt an der dänischen Universität Roskilde und hat in einer Studie untersucht, welche Staaten stark in fossile Energien investiert sind. „Zudem sind Staaten für etwa 40 Prozent aller Investitionen in fossile Projekte verantwortlich“, so Babic. Diese Investitionen werden über Staatsunternehmen und auch Staatsfonds getätigt. Der Bund beispielsweise investiert aus den Pensionsfonds für Bundesbeamte mehr als 500 Millionen Euro in die Aktien fossiler Unternehmen. Bekannter dürfte aber Norwegens Pensionsfonds sein, der als einer der größten Investoren der Welt gilt.

Vermögenswerte, die „stranden“

Der Staat kauft relativ geringe Unternehmensanteile auf, ist dafür aber in eine Vielzahl von Firmen investiert. Dazu zählen auch fossile Unternehmen. Hinzu kommt: „Dieser Fonds wird von norwegischen Staatseinnahmen finanziert, die zu einem großen Teil aus dem Verkauf von Öl stammen“, so Babic. Auch wenn die Norweger:innen in ethische Werte investieren, kommt das Vermögen dafür dennoch aus dem fossilen Sektor und setzt auf diesem Weg Emissionen frei. Und somit werden Staatsunternehmen und -fonds zum Problem fürs Klima. „Wenn Staaten von fossilen Vermögen profitieren, dann tragen sie dazu bei, dass sich die Klimakrise verschärft und die Energiewende nicht gelingt“, sagt Politökonom Milan Babic.

Je schneller die Energiewende voranschreitet, desto schneller werden fossile Energieträger an Bedeutung verlieren – und damit auch an Wert. Die Anlagen werden zu „stranded assets“: Gestrandete Vermögenswerte, die dauerhaft Verluste einfahren, bis hin zum Totalausfall. Insbesondere Staaten, die ganze fossile Unternehmen besitzen, seien relativ stark in diese investiert und daher weniger geneigt, das Investment abzustoßen. „Es ist relativ unwahrscheinlich, dass China seine staatlichen Energiefirmen – eine der Grundlagen des chinesischen Wirtschaftswachstums – aufgeben oder dekarbonisieren würde.“

Um zukunftsfähig zu werden, scheint der Schritt allerdings nötig. Nach Berechnungen von Forschenden in den USA und Großbritannien werden Vermögenswerte von etwa 1,4 Billionen US-Dollar im Öl- und Gasfördersektor „stranden“. Von diesen Verlusten entfallen laut dem Modell rund 480 Milliarden auf Staaten. Trotzdem scheinen einige Nationen ihre Investments in fossile Energien noch ausbauen zu wollen: Unter den zehn größten Unternehmen, die bis 2030 neue Gas- und Ölquellen erschließen wollen, sind laut der NGO Global Witness fünf Staatsunternehmen.

Realität ausblenden

Ein positives Beispiel bietet dagegen der dänische Staatskonzern Ørsted. Das Energie-Unternehmen hat Ende der 2000er damit begonnen, sein Geschäftsmodell von fossilen Brennstoffen auf Erneuerbare Energien umzustellen. Es wurden unter anderem vermehrt Investitionen in Windparks getätigt, das Öl- und Gasgeschäft abgestoßen. Bis 2025 will Ørsted komplett auf fossile Energie verzichten und klimaneutral sein. Dieser Wandel kommt nicht von ungefähr. „Er war politisch motiviert“, erklärt Milan Babic von der Uni Roskilde.

„Es gibt ein hohes Potential für die Energiewende, wenn Staaten ihren eigenen, fossilen Besitz abstoßen“, sagt der Politökonom. Er schlägt daher vor, dass Staaten einen Fahrplan erstellen sollten, wie sie ihre Energiekonzerne auf Erneuerbare umstellen können. Und wie sie ihre fossilen Assets im nächsten Jahrzehnt loswerden wollen. Zumal Staaten hier auch eine Vorbildfunktion hätten – und Marktmacht ausüben können. „Staaten sind große Investoren. Wenn der norwegische Staatsfonds fossile Investments abstößt, dann hat das eine starke Signalwirkung.“ Und damit auch Konsequenzen am Markt.

Aber wie sollten Staaten dazu gebracht werden? Der erste Schritt sei, sie in der öffentlichen Diskussion nicht nur als Ordnungsmacht zu sehen – sondern auch als Marktteilnehmer. „Das ist eine Realität, die wir bislang ausblenden.“ Dabei hat die Zivilgesellschaft einen Einfluss auf das staatliche Geschäftsgebaren.

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