Folgen für das Klima: Die Katastrophe nach dem Ukraine-Krieg
In der Ukraine verursachen die Kampfhandlungen langfristige Umweltschäden. Trotzdem gibt es ein Lichtblick: Ukrainische Initiativen fördern Erneuerbare Energie.
Kiew – Vor knapp einem Jahr begann Putins brutaler Angriffskrieg auf die Ukraine. Inzwischen wird immer deutlicher: Nicht nur die Menschen leiden unter den militärischen Attacken, es gibt auch verheerende Natur-, Umwelt- und Klimaschäden. Ein aktueller Greenpeace-Report zeigt das Ausmaß davon. Allerdings könnte der Konflikt, der die Energiemärkte weltweit durcheinandergebracht hat, indirekt den schnelleren Umstieg auf CO2-freie Energien fördern. Das wäre ein Push für den Klimaschutz.

Der Greenpeace-Bericht dokumentiert insgesamt knapp 900 Fälle schwerer Umweltschäden, darunter großflächige Waldbrände, das Austreten von giftigen Gasen aus Kraftwerken und Ölverschmutzungen in Gewässern. Er basiert auf einer Dokumentation der ukrainischen Umweltorganisation „Ecoaction“. Von den 900 Fällen wurden 30 besonders schwerwiegende ausgewählt und durch Greenpeace Zentral- und Osteuropa mittels Satellitenaufnahmen überprüft. Sie sind als digitale Karte verfügbar unter maps.greenpeace.org/maps/gpcee/ukraine_damage_2022/.
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Viele Umweltschäden werden durch russische Attacken verursacht
Berichtet wird unter anderem über einen Waldbrand in der Region Luhansk, der über 17 000 Hektar betraf und durch russische Raketen ausgelöst worden war, außerdem über einen großflächigen Ölteppich im Schwarzen Meer durch eine beschossene Ölplattform. Dokumentiert sind des Weiteren mehrere Fälle von starker Luftverschmutzung, nachdem aus bombardierten fossilen Kraftwerken hochgiftiger Rauch ausgetreten war. Andere dokumentierte Fälle: die Zerstörung einer Erdgas-Pipeline, Angriffe auf das Atomkraftwerk Saporischschja sowie die Zerstörung eines Elektrizitäts-Umspannwerks.
Ein Großteil der Verwüstungen rührt von den gezielten Attacken des russischen Militärs auf die Energie-Infrastruktur her, die seit Herbst verstärkt wurden. Nach Angaben des ukrainischen Parlaments sind bis Ende Januar mehr als 700 Raketen und Drohnen auf Energieanlagen abgeschossen worden, besonders im Osten und Süden des Landes. Nach den Angaben ist dort die Hälfte der Infrastruktur bereits zerstört worden, und es kommt regelmäßig zu Stromausfällen.
Solarstrom in der Ukraine
Russland zerstört gezielt die energetische Infrastruktur der Ukraine. Der Westen hilft vor allem mit Dieselgeneratoren, um Krankenhäusern und anderen wichtigen Einrichtungen Strom zu liefern.
Lokale Initiativen spenden Solaranlagen mit Batteriespeichern, um in Gebieten ohne Strom die Handykommunikation aufrechtzuerhalten oder für Licht in den dunklen Nächten zu sorgen. Spenden dafür sind willkommen. Auch die NGO Eurosolar, Sektion Berlin, sammelt Geld für Solaranlagen mit Speichern, um sie in die Ukraine zu bringen.
Die Welt-Wind-Energie-Organisation in Bonn hat zusammen mit der „Globalen Initiative für 100 Prozent Erneuerbare Energien“ eine Initiative zur Lieferung für Solartechnik in die Ukraine gestartet. Unterstützt wird sie von der Sängerin Ruslana, Gewinnerin des European Song Contest und früher Abgeordnete in Kiew. jw
Millionen Hektar Wald durch den Ukraine-Krieg geschädigt „Der Krieg trifft die Natur so schwer wie die Menschen“
Stark in Mitleidenschaft gezogen wurden auch die Wälder und Naturschutzgebiete. Die Umweltstiftung WWF schätzt, dass bisher rund drei Millionen Hektar Wald von den Kampfhandlungen betroffen waren, was einem Drittel aller ukrainischen Wälder entspreche. Nach offiziellen Angaben aus Kiew trifft das zudem für 1,24 Millionen Hektar Naturschutzgebiete oder rund 20 Prozent zu. Greenpeace verweist in dem aktuellen Report darauf, dass neben der direkten Zerstörung auch die langfristige Belastung etwa durch Munitionsreste eine Gefahr darstelle. So enthielten zum Beispiel Patronenhülsen unter anderem Schwefel und Kupfer. „Das kann über den Boden in das Grundwasser gelangen und damit letztlich in die Nahrungskette und so Menschen und Tiere schädigen“, warnt die Umweltorganisation.
Yevheniia Zasiadko, die Leiterin der Ecoaction-Klimaabteilung, sagte: „Der Krieg trifft die Natur so schwer wie die Menschen und die Infrastruktur.“ Die Natur sei aber ein stilles Opfer, deshalb blieben die Schäden weitgehend unbeachtet. Greenpeace-Campagner Denys Tsutsaiev aus Kiew mahnte, es seien erhebliche finanzielle Mittel nötig, um Natur und Umwelt wiederherzustellen. „Diese Mittel müssen jetzt bereitgestellt werden und nicht erst nach Kriegsende.“ Dies müsse von der ukrainischen Regierung wie auch der Plattform der EU-Kommission zur Koordinierung der Geberländer berücksichtigt werden. Greenpeace selbst unterstützt den Wiederaufbau der Ukraine nach eigenen Angaben mit einem Öko-Energie-Projekt. Es sei ein Krankenhaus in der Nähe von Kiew mit einer Solarstrom-Anlage und einer Wärmepumpe ausgestattet worden, weitere Projekte seien in Vorbereitung.
Exakte Klimabilanz des Ukraine-Kriegs ist keine leichte Sache
Eine exakte Klimabilanz des Krieges aufzustellen, ist nicht möglich – zumal er offenbar noch lange anhalten wird. Negativ zu Buche schlagen auf jeden Fall die direkten CO2-Emissionen von Kampfjets, Panzern, Truppentransportern und Militärschiffen. Ein sowjetischer T-72-Panzer beispielsweise verbraucht 250 Liter Diesel auf 100 Kilometer, ein Kampfflugzeug verbraucht rund 5000 Liter Kerosin pro Stunde. Auch der nach Kriegsende nötige Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastruktur verbraucht große Mengen Energie und Ressourcen. Andererseits sinken die CO2-Emissionen aktuell, auch wenn das eine zynische Rechnung ist, da fossile (Heiz-)Kraftwerke wegen der Angriffe nicht weiter betrieben werden können und weniger Auto gefahren wird.
Langfristig spielt für das Klima aber die größte Rolle, wie sich die Energiepolitik der wichtigen Wirtschaftsblöcke aufgrund von Putins „Energiekrieg“ verändert. Kurzfristig steigen die Emissionen an, etwa in der EU durch das Wiederanwerfen von Kohlekraftwerken und mehr Flüssiggas-Einsatz. Doch entscheidender dürfte der Push für die erneuerbaren Energien sein. (Joachim Wille)