1. Startseite
  2. Politik

Präsident Selenskyj ändert überraschend die Strategie

Erstellt:

Von: Lukas Zigo

Kommentare

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlangt im Ukraine-Krieg nicht länger eine Flugverbotszone, sondern stellt nun realistischere Forderungen.

Kiew – Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine* fordert ihr Präsident Wolodymyr Selenskyj* die Errichtung einer No-Fly Zone (Flugverbotszone) über ukrainischem Territorium. Russische Luftangriffe könnten auf diesem Weg zwar gestoppt werden, die größere Angriffslast geht allerdings von Raketen- und Artillerieangriffen sowie Marschflugkörpern aus. Diese wären davon weitgehend unbetroffen. Auch eine mögliche Eskalation des Krieges auf mehrere Nato-Staaten wird befürchtet.

Präsident Selenskyj hatte in der letzten Woche seine Forderung nach einer Flugverbotszone abgeschwächt – ist möglicherweise sogar ganz davon abgerückt. Als er vergangene Woche mit den Staats- und Regierungschefs der Nato* und der Gruppe der Sieben zusammentraf, erwähnte er die Flugverbotszone mit keinem Wort.

Ukraine News: Flugverbotszone über der Ukraine – Was das bedeutet

Das heißt nicht, dass Selenskyj eine Flugverbotszone der Nato im Ukraine-Konflikt* nicht immer noch akzeptieren würde. Eine sogenannte No-Fly Zone über der Ukraine hätte allerdings Implikationen über das ukrainische Staatsgebiet heraus.

Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, spricht zum norwegischen Parlament. (Archivfoto) © Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Russische Luftverteidigungssysteme S300 und S400 besitzen eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern. Das bedeutet, dass Russland eine nahezu komplette Abdeckung des ukrainischen Luftraums erzielen kann, ohne seine Luftabwehr auf ukrainischem Gebiet stationieren zu müssen. Nato Jets müssten demnach nicht nur russische Jets über ukrainischem Luftraum abschießen. Sie müssten aktiv in russischen und belarussischen Luftraum eindringen und die dortige Luftabwehr zerstören.

Ukraine News: Flugverbotszone schlicht unrealistisch

„Ich glaube, ihm ist klar, dass es dazu nicht kommen wird“, sagte Ivo Daalder, der ehemalige US-Botschafter bei der Nato, in Bezug auf eine Flugverbotszone im Ukraine-Krieg*. „Denn damit wird eine wichtige Schwelle für ein direktes militärisches Aufeinandertreffen zwischen der Nato und oder der USA überschritten.

Es gibt viele Gründe für Selenskyjs Abkehr von der Flugverbotszone. Eine davon: Es ist einfach unrealistisch. „Nachdem er so lange darum gebeten hatte, erkannte er, dass die Nato dem einfach nicht zustimmen würde“, sagte Steven Pifer, ehemaliger US-Botschafter in der Ukraine, gegenüber dem Nachrichtenportal Daily Beast. „Denn das hätte von der Nato nicht nur verlangt, russische Flugzeuge abzuschießen, sondern auch Luftangriffe gegen russische Luftabwehranlagen in Belarus oder Russlands selbst durchzuführen.“

Selenskyj scheint verstanden zu haben, dass die Verbündeten der Ukraine nicht bereit sind, derartige Schritte einzuleiten. Schritte, die eine buchstäbliche Kettenreaktion auslösen könnten, die in nuklearer Vernichtung mündet. Daher hat Selenskyj seine Forderungen auf etwas Realistischeres verlagert: mehr Hilfe zur Selbsthilfe.

Ukraine News: Flugverbotszone nur Verhandlungstaktik?

Manche Analysten sehen in Selenskyjs extremer Forderung eine Verhandlungstaktik. Das Fordern einer extremen Konzession – wissend man wird sie nicht erhalten – um im Gegenzug eine etwas kleinere, aber doch sehr wertvolle Art der Unterstützung zu erhalten.

„Ich hatte eine ganze Reihe von Gesprächen, in denen mir klar wurde, dass sie (eine Flugverbotszone) auf jeden Fall bevorzugen würden, aber wenn sie das nicht bekommen können – und sie sind sich nicht sicher, ob sie das können – dann nehmen sie etwas weniger“, sagte John Herbst, ehemaliger US-Botschafter in der Ukraine gegenüber der Nachrichtenplattform Daily Beast.

In seinem Plädoyer für eine Flugverbotszone in einer virtuellen Ansprache vor dem Capitol Hill in den USA*, deutete Wolodymyr Selenskyj an, dass er sich nicht sicher sei, ob seine Forderung auf durchschlagenden Erfolg stoßen würde – also baute er eine Reihe von Forderungen ein, von denen jede für die Vereinigten Staaten vielleicht akzeptabler ist als eine Flugverbotszone.

Ukraine-Krieg: Selenskyjs Alternative

In seiner Ansprache vor dem Capitol Hill gab Selenskyj den USA zu verstehen, wie er sich eine mögliche Alternative vorstellt. „Wenn das zu viel verlangt ist (die Flugverbotszone), bieten wir eine Alternative“. Diese wäre „Verteidigungssysteme, die wir brauchen, S300 und ähnliche Systeme“, sagte er in Bezug auf Flugabwehrsysteme.

Im Anschluss an dessen Ansprache setzten die Gesetzgeber US-Präsident Joe Biden* unter Druck, über andere Länder Flugzeuge an die Ukraine zu liefern. Und auch wenn diese Anträge noch in der Schwebe sind, gibt es noch zahlreiche andere Wege für die USA und andere Staaten, die Ukraine zu unterstützen.

Ukraine News: Ukraine schickt USA neue Liste gewünschter Militärunterstützung

Kiew* hat Washington in den letzten Tage eine aktualisierte Liste der von den Vereinigten Staaten gewünschte militärischen Unterstützung zukommen lassen. Diese schließt eine Bitte um 500 Stinger-Flugabwehrraketen und 500 Javelin-Panzerabwehrraketen pro Tag ein.

Wladimir Klitschko, Mitglied der Kiewer Territorialverteidigung und Bruder des Kiewer Bürgermeisters, sagte am Donnerstag (24.03.2022) durch die Bereitstellung der richtigen Verteidigungsausrüstung könnte die Ukraine im Wesentlichen eine eigene De-facto-Flugverbotszone schaffen.

„Wenn Sie uns nicht helfen können, den Himmel zu schließen, werden wir den Himmel selbst schließen“, sagte Klitschko dem US-Sender MSNBC. „Wir brauchen dafür nur Verteidigungswaffen.“ (Lukas Zigo) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

Auch interessant

Kommentare