Flüchtlingspolitik: Scharfe Worte der EU sollen Dänemark bremsen

Brüssel will die geplante Abschiebung Asylsuchender nach Ruanda nicht hinnehmen. Kopenhagen nimmt sich die britische Regelung zum Vorbild.
Die EU-Kommission droht Dänemark mit „ernsten Konsequenzen“, wenn das EU-Land, genau wie Großbritannien, tatsächlich Asylsuchende in das 6000 Kilometer entfernte Ruanda abschieben sollte. Die für Migration zuständige Kommissarin Ylva Johansson bezeichnete die seit längerem bekannten Kopenhagener Pläne am Freitag in der Zeitung „Jyllands-Posten“ als „egoistisch“, „kontraproduktiv“ sowie „eine schlechte Idee“. Sie könnten den Rauswurf Dänemarks aus der Dublin-Asylzusammenarbeit in der EU zur Folge haben.
Die britische Regierung hatte vor zwei Wochen genau die von Kopenhagen angestrebte Einigung mit Ruanda über den „Export“ von Asylsuchenden in das zentralafrikanische Land gegen Bezahlung bekanntgegeben. Sie sollen für das Asylverfahren dorthin gebracht werden und bei positivem Bescheid auch dort bleiben.
Johansson kritisierte dies auf Twitter als „inhuman“. Was aber den britischen Premier Boris Johnson nicht weiter stören muss, hat er doch beim Brexit-Feldzug die angepeilte vollkommene Unabhängigkeit von der EU in Sachen Flüchtlingspolitik als Lockmittel für einen Austritt angepriesen. Mit der „Entsorgung“ Unerwünschter nach Afrika liefert er nun den Beweis, dass er nicht zu viel versprochen hat.
Minister Tesfaye nennt den Plan einen humanen Schritt gegen das Schleusergeschäft
In Kopenhagen ist das komplizierter. Der für Migration zuständige Minister Mattias Tesfaye wird nicht müde zu betonen, wie wichtig die Zugehörigkeit zum Dublin-Prozess für seine Regierung sei. Da tut es schon weh, wenn die EU-Fachkommissarin seine wohlklingenden Begründungen für den Ruanda-Export zerpflückt, demzufolge die Auslagerung von Asylverfahren ein humaner Schritt gegen das Schleusergeschäft mit lebensgefährlichen Fluchtrouten über das Mittelmeer sei. Johansson meinte dazu in „Jyllands-Posten“ kühl, der Deal mit Ruanda werde niemanden von so einer Flucht abhalten: „Der Effekt wird einfach sein, dass Menschen statt in Dänemark dann in Deutschland oder Schweden Asyl suchen werden.“
Dem hält Tesfaye entgegen, dass sich seine Regierung mit ihrem seit 2018 öffentlich propagierten Plan zur Auslagerung des Asylrechts in möglichst ferne Länder als Pionierin sieht: „Wir hoffen, dass andere Länder in der EU denselben Weg gehen werden.“ Unbestritten hat die Regierung der Sozialdemokratin Mette Frederiksen Pionierarbeit beim brachialen Aushebeln von bisher als unantastbar geltenden Menschenrechten geleistet. Seit Ende vergangenen Jahres steht ein Vertrag des reichen Dänemark mit dem bettelarmen Kosovo, wonach gegen Bezahlung dort auch zur Abschiebung Verurteilte ihre Strafe absitzen sollen. Dagegen wie gegen die nicht fertig ausgehandelte Einigung mit Ruanda hagelt es Kritik aus allen erdenklichen Ecken: Kopenhagen propagiere ein Denken und Handeln, wonach man unerwünschte Menschen für eine Gebühr möglichst weit weg wie Abfall entsorgen könne.
Dänische Sozialdemokratie hat massenhaft Stimmen der rechtspopulistischen Wählerschaft erobert
EU—Kommissarin Johansson formuliert ihre Kritik naturgemäß weniger drastisch: Für jemanden, dem die Flucht etwa aus Afghanistan gelungen sei, mute es wirklich seltsam an, nach Ruanda geschickt zu werden – einem Land mit höchst zweifelhaftem Verhältnis der Regierenden zu den Menschenrechten.
Mit Ankündigungen genau dieser Art haben die dänischen Sozialdemokrat:innen 2019 die Regierungsmacht durch massenhafte Stimmengewinne in der bisher rechtspopulistischen Wählerschaft erobert. Und genau wie der britische Kollege Johnson kann Frederiksen jederzeit Wahlen zum Besten der eigenen Partei ausrufen. Wahrscheinlich ist das nach der Sommerpause der Fall. Für den Wahlkampf wird dann wohl die Regelung bereits unter Dach und Fach sein, dass Asylsuchende aus Dänemark nach Ruanda verfrachtet werden können.