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Fluchtroute Mittelmeer: Das Sterben geht immer weiter

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Von: Fabian Scheuermann

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Das Jahr hat auf der Fluchtroute im zentralen Mittelmeer besonders tödlich begonnen. Derzeit sind nur wenige Rettungsschiffe im Einsatz.

Das neue Jahr ist gerade mal einen Monat alt, und schon jetzt haben mindestens 105 Menschen den Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, mit dem Leben bezahlt. Dazu kommen 22 Tote zwischen Westafrika und den Kanaren. Das besagen Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die bekannt gewordene Tode auf ihrer Projektseite „Missing Migrants“ veröffentlicht. Auf einer Karte kann man dort die einzelnen Vorfälle anklicken.

So erfährt man zum Beispiel von einer Frau und ihrem Baby, die am 8. Januar nahe der marokkanischen Hafenstadt Nador in einem Schlauchboot gefunden wurden (Todesursache: „vermutlich Unterkühlung“). Ein paar Klicks weiter liest man von einem 30-jährigen Marokkaner, der am 10. Januar versucht hat, um eine Seebarriere im Mittelmeer herum in die spanische Exklave Ceuta zu schwimmen. Auch er hat es nicht geschafft.

Fluchtroute: Die meisten Geflüchteten sterben im zentralen Mittelmeer

Die meisten Menschen sterben Jahr für Jahr aber nicht im westlichen oder östlichen, sondern im zentralen Mittelmeer, wo die Entfernungen von Land zu Land besonders groß sind. Insgesamt geht die Zahl der Toten allerdings seit Jahren zurück, ebenso wie die Zahl derer, die es über das Mittelmeer nach Europa schaffen – rund 90 000 waren es laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR im Jahr 2020, etwa 1100 Menschen starben bei dem Versuch oder gelten als vermisst.

Zum Vergleich: 2019 kamen etwa 124 000 Menschen, mindestens 1300 starben. Nicht in den Zahlen enthalten sind all jene, die von Küstenwachen wieder zurückgeschleppt wurden in jenes Land, von dem aus sie mit ihrem Boot aufgebrochen waren. Alleine die libysche Küstenwache hat laut Zahlen der IOM zwischen Januar und November 2020 mehr als 10 000 Menschen auf dem Mittelmeer aufgegriffen und zurückgebracht.

Dabei warnte der Leiter der Libyen-Mission der IOM, Federico Soda, gerade wieder vor den Zuständen in dem Land. So sei es wahrscheinlich, dass die Menschen nach ihrem „Pullback“ – also dem Zurückgeschlepptwerden – in libyschen Lagern landen, wo sie „Ausbeutung und Gewalt“ ausgesetzt seien.

Vor dem Anlanden gibt es viel Dank für die Crew.
Vor dem Anlanden gibt es viel Dank für die Crew. © Fabian Mondl

Flucht übers Mittelmeer: Nur wenige Rettungsschiffe im Einsatz

Private Rettungsorganisationen sind derzeit kaum unterwegs. Die meisten ihrer Einsatzschiffe wurden, teils schon vor vielen Monaten, in italienischen Häfen festgesetzt. Zum Beispiel das Rettungsschiff „Alan Kurdi“ der deutschen Organisation Sea Eye: Die italienischen Behörden hatten dem Schiff nach einem Rettungseinsatz im Herbst wie auch anderen Schiffen „Sicherheitsmängel“ attestiert. Seitdem liegt die nach einem im Mittelmeer ertrunkenen Jungen benannte „Alan Kurdi“ im Hafen der sardischen Stadt Olbia.

Der Vorsitzende des Vereins Sea Eye, Gordon Isler, spricht von „politischem Missbrauch des Instruments Hafenstaatkontrolle, um ein politisches Ziel zu erreichen, nämlich die Rettungsschiffe festzumachen und zu stoppen“. Nur zwei Schiffe – die „Open Arms“ und die „Ocean Viking“ – sind derzeit im Einsatz, wobei in Zeiten von Corona vor jedem Einsatz für die Quarantäne der Crews zusätzliche Zeit eingeplant werden muss. (Fabian Scheuermann)

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