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Fliegen – und protestieren

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Von: Michael Kopatz

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Der Ausgleich eines Fluges mit Zertifikaten nutzt das schlechte Gewissen der Leute aus. Wenn schon Kompensation, dann lieber demonstrieren oder gar kleben.
Der Ausgleich eines Fluges mit Zertifikaten nutzt das schlechte Gewissen der Leute aus. Wenn schon Kompensation, dann lieber demonstrieren oder gar kleben. © Soeren Stache/dpa

Das scheinbar verwerfliche Verhalten von Klimaaktivist:innen kommt denen gerade recht, die offenbar nicht bereit sind, ihre persönliche Lebensführung in Frage zu stellen.

Groß war die Aufregung über die fliegenden Klimakleber. Man kann sich fragen, ob es so richtig clever war, als Aktivist:in in dieser hochbrisanten Zeit einen Fernflug zu unternehmen. Herablassende Sprüche kommen auch noch ausgerechnet vom Privatjet-Vielflieger Friedrich Merz.

Ich lehne diese Moralisierung ab. Deswegen hieß mein letztes Buch auch „Schluss mit der Ökomoral“. Damit meine ich die heuchlerische Moralisierung in der Umweltdebatte. Das scheinbar verwerfliche Verhalten der Klimaaktivist:innen kommt denen gerade recht, die offenbar nicht bereit sind, ihre persönliche Lebensführung in Frage zu stellen. Die anderen sind ja auch nicht besser. Die Rechtfertigungsgeschichten für SUV sind einfach nur peinlich.

Ich erinnere mich, dass man auch den FFF-Demonstrant:innen vorgeworfen hat, diese seien ja auch schon mal geflogen oder würden es zumindest noch tun. In der Konsequenz heißt das: Wer schon mal geflogen ist oder es noch nur vorhat, verwirkt das Recht, für den Klimaschutz zu demonstrieren. Ich behaupte das Gegenteil. Die ideale Kompensation für einen Flug ist die Demonstration gegen den Ausbau eines Flughafens oder zumindest die Teilnahme an einer Demonstration für den Klimaschutz.

Der Ausgleich eines Fluges mit Zertifikaten nutzt das schlechte Gewissen der Leute aus. Wenn schon Kompensation, dann lieber demonstrieren oder gar kleben. Der zivile Ungehorsam ist kein Appell zur ökokorrekten Lebensführung, sondern einer an die Politik. Diese Menschen machen den Unterschied, indem sie systemische Veränderungen einfordern! Es kommt gar nicht darauf an, dass der Einzelne verzichtet. Fliegen an sich ist ja gar nicht schlimm, entscheidend ist, dass es nicht immer mehr wird. Der Exzess ist das Problem.

Bundesverkehrsminister Wissing könnte das Wachstum ganz leicht stoppen – indem er nichts tut. Das dürfte ihm nicht so schwerfallen. Würden seine Behörden dem weiteren Ausbau von Flughäfen nicht zustimmen und keine zusätzlichen Lizenzen für Starts und Landungen bewilligen, könnte der Flugverkehr nicht weiter zunehmen. Es geht ganz oft darum, etwas besser zu lassen, als es besser zu machen. Das gilt insbesondere für neue Autobahnen. Besser lassen! Nicht moralische Appelle ändern unsere Routinen und Gewohnheiten, sondern die strukturellen Verhältnisse.

Michael Kopatz ist Dezernent für Klimastrukturwandel in Marburg

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