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Rechtsruck in Europa: Was die finnische Niederlage von Sanna Marin bedeutet

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Der Rechtsruck in Europa setzt sich fort.

Nach Italien und Schweden, die bereits seit dem vergangenen Jahr von konservativen, populistischen und nationalistischen Parteien regiert werden, ist bei der Parlamentswahl am Sonntag auch Finnland ein Stück nach rechts gerückt. Das hat auch Folgen auf EU-Ebene.

Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 04. April 2023 

Bei der Parlamentswahl in Finnland am Sonntag verzeichnen die bisher regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Sanna Marin zwar Zugewinne — sie legten um 2,2 Prozentpunkte auf 19,9 Prozent zu. Sie fielen aber dennoch auf den dritten Platz hinter die konservative Nationale Sammlungspartei von Ex-Finanzminister Petteri Orpo (20,8 Prozent) und die rechtspopulistische Partei Die Finnen (20,1 Prozent) zurück.

Nun zeichne sich eine Koalition unter Beteiligung der Rechtspopulisten ab, sagte Rikhard Husu, EU-Korrespondent für den finnischen Rundfunk, bei einer Veranstaltung der Landesvertretung Hessen in Brüssel. Politische Berührungsängste gebe es in Finnland keine, die (Wahren) Finnen waren schon 2015 an der Regierung beteiligt. Zumindest in der Finanzpolitik sei nun ein Kurswechsel zu erwarten.

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Die Finanzpolitik hatte bereits zusammen mit der Migration den Wahlkampf in Finnland beherrscht. Den Sozialdemokraten wurde vorgeworfen, zu viele Schulden zu machen und die finanzielle Stabilität des Landes zu gefährden. Vor diesem Hintergrund erwarte er eine Rückkehr zur Austeritätspolitik, so Husu. Zudem dürfte sich Helsinki gegen einen EU-Souveränitätsfonds wenden, wie ihn Frankreich fordert.

Wie geht es weiter mit Sanna Marin?

Unklar ist, welche Folgen das Wahlergebnis für die weit über Finnland hinaus bekannte und populäre Marin hat. In Brüssel wird sie als mögliche Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten bei der Europawahl im Frühjahr 2024 gehandelt. Ob sie dafür einen Ministerposten in der neuen finnischen Regierung braucht oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Als mögliche Konkurrenten Marins gelten unter anderem Kommissionsvize Frans Timmermans, dem aber eher Ambitionen in seiner Heimat Niederlande nachgesagt werden, und Spaniens Premier Pedro Sánchez, sollte dieser die Parlamentswahl zum Jahresende verlieren.

Die Sozialdemokratie schaut aber erst einmal besorgt auf das finnische Wahlergebnis. Der Wahlausgang sei „kein Grund zum Feiern“, sagte Katarina Barley von den deutschen Sozialdemokraten zu Table.Media. In Finnland stelle grundsätzlich die stärkste Partei die Regierungsspitze, diesmal also die Nationale Sammlungspartei. Diese ziehe eine Zusammenarbeit mit der EU-feindlichen Partei Die Finnen in Betracht.

„Damit setzt sich ein Muster fort, was unter europäischen Konservativen zur Gewohnheit zu werden scheint“, kritisierte Barley. Um die Macht im Europäischen Rat auszubauen, kollaborierten EVP-Mitgliedsparteien mit Europas Feinden – zuletzt in Italien und Schweden. „Die Konservativen tragen daher eine besondere Verantwortung: Wer sich mit Europas Feinden einlässt, der begräbt das europäische Projekt.“

Nur noch fünf Sozialdemokraten beim EU-Gipfel

Zunächst müssten sich aber vor allem die europäischen Sozialdemokraten Sorgen machen, meint Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Mit der Niederlage in Finnland komme auch das „kurze Revival“ der sozialdemokratischen Parteienfamilie im Europäischen Rat zu Ende: Nach der Niederlage in Schweden und Finnland seien nur noch fünf Sozialdemokraten beim EU-Gipfel vertreten.

Neben Deutschland werden noch Spanien, Portugal, Malta und Dänemark sozialdemokratisch regiert. Allerdings verfügt auch die EVP nicht mehr über die — lange selbst-verständliche — Mehrheit. Das könnte sich allerdings mit der Wahl in Spanien im Dezember ändern, so von Ondarza: Wenn wie erwartet die Konservativen siegen, würde die EVP wenige Monate vor der Europawahl wieder die Oberhand gewinnen.

Von Eric Bonse

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