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Festnahme 30 Jahre nach Anschlag in Saarlouis – Saar-Polizei entschuldigt sich

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Von: Pitt von Bebenburg

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Samuel Kofi Yeboah starb am 19. September 1991 bei einem Brandanschlag auf ein Asylheim. Foto: Landespolizeipräsidium Saarland / AFP.
Samuel Kofi Yeboah starb am 19. September 1991 bei einem Brandanschlag auf ein Asylheim. © STR / Landespolizeipräsidium Saarland / AFP

Der Ermittlungserfolg in Saarlouis gelang erst nach 30 Jahren. Nun gibt es einen Verdächtigen für den tödlichem Brandanschlag – Beratungsstellen sagen: Überlebende wurden „im Stich gelassen“

Die späte Festnahme eines tatverdächtigen Rechtsextremisten bringt die Polizei im Saarland unter Druck. Mehr als 30 Jahre nach dem tödlichen Brandanschlag auf ein Wohnheim von Asylsuchenden in Saarlouis hatte die Polizei den 50-Jährigen am Montagmorgen verhaftet. Gegen ihn bestehe der dringende Verdacht auf Mord, 20-fachen Mordversuch sowie Brandstiftung mit Todesfolge.

Bei dem Feuer am frühen Morgen des 19. September 1991 war der damals 27-jährige Ghanaer Samuel Kofi Yeboah ums Leben gekommen, der in der Unterkunft als Hausmeister tätig war. Mehrere Menschen hatten sich durch Sprünge aus dem mehrstöckigen Haus gerettet und dabei verletzt.

Polizei: „Defizite etwa bei der Erhebung, Bewertung und Weitergabe“

Die saarländische Polizei räumte Versäumnisse bei den ursprünglichen Ermittlungen ein. Sie habe „in der damaligen Organisationsstruktur, zum Beispiel in der dezentralen Bearbeitung von Tötungsdelikten, in Teilen nicht richtig funktioniert“, teilte sie mit. Es seien „Defizite etwa bei der Erhebung, Bewertung und Weitergabe von Informationen festgestellt“ worden. All das werde im Landespolizeipräsidium aufgearbeitet.

Landespolizeipräsident Norbert Rupp zeigte sich „erleichtert, dass diese schreckliche Tat nach über 30 Jahren endlich aufgeklärt scheint“. Er entschuldigte sich im Namen des Landespolizeipräsidiums dafür, „dass offensichtlich auch Defizite in der damaligen Polizeiarbeit zur Einstellung der Ermittlungen geführt haben“. So etwas dürfe sich nicht wiederholen.

Rechtsextremismus-Expertin: „Die Ermittlungen der Polizei im Saarland waren skandalös“

Im Jahr 2020 hatte die Bundesanwaltschaft den Fall „auf Grundlage neuer Erkenntnisse“ neu aufgerollt, nachdem die saarländischen Ermittlungen im Sande verlaufen waren. Nun führte die Spur zu einem Rechtsextremisten, den die antifaschistische Szene von Anfang an im Verdacht gehabt hatte.

„Die Ermittlungen der Polizei im Saarland waren skandalös“, urteilt die Rechtsextremismus-Expertin Heike Kleffner, die Geschäftsführerin des Verbands der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG). Sie monierte auch den Umgang mit den Überlebenden des Brandanschlags. Sie seien „30 Jahre von den Behörden komplett im Stich gelassen worden, ohne jegliche Unterstützung zu erhalten“, sagte Kleffner.

Saarlouis: Überlebender berichtete von schlechter Behandlung

Vor wenigen Monaten hatte ein Überlebender von Saarlouis berichtet, wie miserabel er und seine geretteten Mitbewohner damals von der Polizei behandelt worden seien. Man habe sie direkt nach dem Anschlag drei Stunden lang ohne Essen und Trinken auf der Polizeiwache vernommen. „Wir fühlten uns wie schuldige Menschen“, sagte er. Seither hätten er und die anderen damaligen Asylbewerber nie mehr etwas von der Polizei gehört. Auch über die Neuaufnahme der Ermittlungen seien sie nicht informiert worden.

Die Anwältin Kristin Pietrzyk, die einen Überlebenden vertritt, hegt den Verdacht, dass dieses „Desinteresse“ der Behörden an den Überlebenden auf „strukturellen Rassismus“ hindeute. Sie fragt: „Warum ist jetzt möglich, was vor 30 Jahren nicht möglich war?“.

Die saarländische SPD-Bundestagsabgeordnete Josephine Ortleb nennt den Ermittlungserfolg „unerträglich spät“. Sie kündigte an: „Das Vorgehen von Polizei und Justiz im Saarland muss uns jetzt beschäftigen“.

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