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Großbritannien-Wahl: Waterloo in Westminster – Wahlpleite verschärft Krise für Johnson

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Von: Julius Fastnacht, Stefan Krieger, Nail Akkoyun

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Die Zahlen der Kommunalwahl in Großbritannien sprechen gegen den Premier, das Vertrauen in Johnson scheint erschöpft. Ist das der Anfang vom Ende?

+++ 17.00 Uhr: Nun geht es um Boris Johnsons Kopf. Tief sitzt der Schock in seiner Konservativen Partei über spektakuläre Verluste bei der Kommunalwahl. Das schwache Abschneiden der Tories vor allem in London wird dem Premierminister persönlich angekreidet, erstmals seit Jahrzehnten hat die Labour-Partei den Konservativen die Bezirke Westminster und Wandsworth entrissen. An der Basis brodelt es.

Ausgerechnet in Westminster, wo er selbst seine Stimme abgegeben hat, könnte Johnson sein persönliches Waterloo erleiden. Künftig hat Labour - zumindest lokalpolitisch - die Kontrolle im Regierungsviertel. „Aufgewacht zu katastrophalen Ergebnissen für die Partei in London“, twitterte Gavin Barwell, einst Stabschef von Johnsons Vorgängerin und Parteikollegin Theresa May und nun Mitglied des Oberhauses. Die Niederlage sei ein „Weckruf“.

Nun fragt sich, ob Johnson, der nicht zum ersten Mal unter Druck steht, sich erneut aus einer aussichtslos erscheinenden Lage wird befreien können.

Boris Johnson hat es zurzeit nicht immer ganz leicht.
Boris Johnson hat es zurzeit nicht immer ganz leicht. © DANIEL LEAL/afp

Großbritannien-Wahl: Johnson in der Kritik - erste Stimmen fordern Führungswechsel

+++ 14.02 Uhr: In Teilen der Konservativen wird nach den Kommunalwahlen in Großbritannien offen über einen Führungswechsel gesprochen. David Simmons, Abgeordneter der Tories, sagte gegenüber dem Guardian, Boris Johnson habe nun „schwierige Fragen zu beantworten.“ Er müsse nun einen Weg finden, das Vertrauen in die Regierung wiederherzustellen. Ein Führungswechsel sei einer dieser Wege.

+++ 13.27 Uhr: Boris Johnson hat sich trotz der Verluste seiner Partei bei den Kommunalwahlen in Großbritannien positiv über das Ergebnis der Tories geäußert. Das sei mancherorts zwar „gemischt“ und „hart“, andernorts habe man aber auch „bemerkenswerte Gewinne“ erzielen können. Aus den Reihen der Konservativen wird dagegen immer mehr Kritik auch am Parteichef laut.

Kommunalwahlen in Großbritannien: Referendum in Nordirland scheint möglich

+++ 12.20 Uhr: Die britische Regierung würde einem Referendum in Nordirland über die Vereinigung mit der Republik Irland nicht im Wege stehen. Das sagte der Generalsekretär der Konservativen Partei von Premier Boris Johnson, Oliver Dowden, am Freitag nach dem Start der Stimmauszählung bei der nordirischen Regionalwahl dem Nachrichtensender Sky News. „Wenn es eine andauernde Mehrheit in den Meinungsumfragen für ein vereintes Irland geben sollte, müsste es ein Referendum geben“, sagte Dowden. Dieser Vereinbarung aus dem Karfreitagsabkommen aus dem Jahr 1998 müsse sich die Regierung beugen. In jüngsten Umfragen hatten sich etwa 30 Prozent der Wähler in Nordirland für die Vereinigung ausgesprochen. 

Großbritannien-Wahl: Verluste für Konservative – Sinn Fein in Nordirland vor Sieg

+++ 9.30 Uhr: Auch bei der richtungsweisenden Regionalwahl in Nordirland wird am Freitag (6. Mai) mit Spannung auf ein Gesamtbild der Ergebnisse gewartet. Bei der Wahl zum Regionalparlament in Nordirland wird erst am Nachmittag mit einem klaren Ergebnis gerechnet. Erwartet wird, dass die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein erstmals stärkste Kraft wird.

Doch es gab bereits vor der Wahl Sorgen vor eine Hängepartie bei der Regierungsbildung. Es könnte lange dauern, bis eine Regionalregierung zustande komme, sagte Katy Hayward von der Queen‘s Universität in Belfast. Es sei zu erwarten, dass die protestantisch-unionistische DUP (Democratic Unionist Party) ihre Blockade zur Bildung einer Einheitsregierung aufrechterhalte, sagte die Politiksoziologin.

Update vom Freitag, 06. Mai, 9.10 Uhr: Ersten Ergebnissen zufolge haben die Konservativen von Premierminister Boris Johnson bei den Kommunalwahlen in Großbritannien teils herbe Verluste hinnehmen müssen. Die oppositionelle Labour-Partei gewann unter anderem die Kontrolle über den Bezirksrat im Londoner Innenstadtbezirk Westminister – laut Guardian ein großer Erfolg, hielten die Tories den City Council doch seit seiner Gründung 1964. Auch der Londoner Bezirk Wandsworth ging zum ersten Mal seit 1974 an Labour. Zumindest symbolisch gilt das als schwere Niederlage für den Premier.

Und bei den Konservativen beginnt es auch schon zu rumoren. Zwar versuchte Partei Co-Chef Oliver Dowden den Erfolg der Opposition noch kleinzureden. Dem Sender Sky News sagte er, Labour sei „sicher nicht auf dem Weg an die Macht“. Doch vereinzelte Politiker aus den eigenen Reihen melden sich offen kritisch zu Wort. Lokalpolitiker John Mallinson, der mit den Konservativen bei den Kommunalwahlen die Mehrheit im Bezirksrat Cumberland verlor, äußerte sich gegenüber der BBC: „Es ist Partygate, aber nicht nur Partygate. Da ist das Glaubwürdigkeits-Problem.“ Seine Präferenz sei ein Rückzug Boris Johnsons, teilte Mallison mit.

Bei den Kommunalwahlen in Großbritannien erleiden die Konservativen von Premier Boris Johnson schmerzhafte Verluste.
Bei den Kommunalwahlen in Großbritannien erleiden die Konservativen von Premier Boris Johnson schmerzhafte Verluste. © dpa/SOPA Images via ZUMA Press Wire/Tejas Sandhu

Allerdings: In anderen Teilen Englands waren die Verluste der Tories zunächst begrenzt. Ob der durch die Affäre um illegale Lockdown-Partys im Regierungssitz in der Kritik stehende Premier durch die Kommunalwahlen noch weiter unter Druck geraten wird, stand daher am Morgen noch nicht fest.

+++ 21.00 Uhr: Bei der Wahl zum nordirischen Regionalparlament könnte erstmals in der Geschichte der früheren Unruheprovinz die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein stärkste Kraft werden. Sollten sich die Umfragen bestätigen, wäre das ein symbolischer Wendepunkt in dem vor gut 100 Jahren geschaffenen Landesteil des Vereinigten Königreichs. Bisher war stets eine Partei als stärkste Kraft hervorgegangen, die sich für die Beibehaltung der Union mit Großbritannien einsetzt. Mit einem Ergebnis der Auszählung wird frühestens am Freitagnachmittag gerechnet. 

+++ 17.00 Uhr: In Nordirland hat das Wahlamt inzwischen bestätigt, dass die Wahlbeteiligung am Donnerstagmittag bei 13 Prozent lag. Dies berichtet die nordirische Tageszeitung The Belfast Telegraph. Weitere Zahlen zur Wahlbeteiligung werden um 19 Uhr (Ortszeit 18 Uhr) erwartet, sowie um 23 Uhr (Ortszeit 22 Uhr), wenn die Wahllokale offiziell schließen.

Schon früh am Tag der Großbritannien-Wahl wurden Politiker:innen bei der Stimmabgabe nach Öffnung der Wahllokale um 7 Uhr morgens fotografiert. Darunter auch der britische Premierminister Boris Johnson, der im Londoner Bezirk Westminster den Gang zur Wahlurne antrat.

Anhänger:innen eines vereintes Irlands setzen bei den Kommunalwahlen in Nordirland auf Sinn Féin und Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill.
Anhänger:innen eines vereintes Irlands setzen bei den Kommunalwahlen in Nordirland auf Sinn Féin und Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill. © Larissa Schwedes/dpa

Wegweisende Großbritannien-Wahl für Nordirland: Wird Sinn Féin stärkste Kraft?

+++ 14.45 Uhr: In Nordirland ist die republikanisch-katholische Partei Sinn Féin auf Kurs, erstmals stärkste politische Kraft zu werden. Sollte ihr das gelingen, wäre das nach Ansicht vieler ein symbolischer Wendepunkt in der Geschichte der Provinz. Als stärkste Kraft hätte Sinn Fein nach dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss von 1998 erstmals das Recht, den Regierungschef (First Minister) in der Einheitsregierung zu stellen.

Ob es zu einer erfolgreichen Regierungsbildung kommt, hängt jedoch von der Zustimmung der stärksten protestantisch-unionistischen Partei DUP (Democratic Unionist Party) ab und gilt daher als fraglich.

Die DUP muss mit schweren Verlusten rechnen. Die Partei hat sich auf die kategorische Ablehnung des im Brexit-Abkommen festgelegten Sonderstatus für Nordirland eingeschossen und die vergangene Einheitsregierung im Streit darüber im Februar platzen lassen. Sie verlangt von der Regierung in London, die Abmachungen mit Brüssel zu kippen. Das sogenannte Nordirland-Protokoll sei ein „absolutes Desaster“, das den Handel zwischen Nordirland und Großbritannien schwer belaste, sagte Ian Paisley, britischer DUP-Abgeordneter und Sohn des gleichnamigen Parteigründers vor Reporter:innen in London.

Großbritannien-Wahl: Premierminister Boris Johnson war bereits an der Wahlurne

+++ 11.20 Uhr: Der britische Premierminister Boris Johnson hat als einer der ersten Wähler:innen seine Stimme bei der wegweisenden Kommunalwahl abgegeben. Der Regierungschef wählte am Donnerstagmorgen in der Nähe seines Amtssitzes in der Downing Street. Sein Londoner Bezirk Westminster wird bisher von Johnsons Konservativer Partei regiert, aber gilt als einer der am stärksten umkämpften Wahlkreise.

Johnson kam zu Fuß mit seinem Hund Dilyn, aber ohne Ehefrau Carrie Johnson. Er winkte Fotograf:innen und Reporter:innen zu, äußerte sich aber ansonsten nicht. Johnson selbst steht nicht zur Wahl.

Regional- und Kommunalwahlen in Großbritannien
Boris Johnson: Mit dem Hund zur Wahlurne. © Stefan Rousseau/dpa

Wahl in Großbritannien: Wahllokale geöffnet

Update vom Donnerstag, 5. Mai, 10.00 Uhr: Bei den Lokal- und Regionalwahlen im Vereinigten Königreich haben am Donnerstag (5. Mai) seit 8 Uhr MESZ (7 Uhr Ortszeit) die Wahllokale ihre Türen geöffnet. Bis um 23 Uhr MESZ sind die Menschen in London und anderen Teilen Englands, sowie in Schottland und Wales dazu aufgerufen, neue Mitglieder für die Gemeinde- und Bezirksräte zu bestimmen. In Nordirland wird ein neues Regionalparlament (Northern Ireland Assembly) gewählt.

Die Augen sind dabei neben der Gesamtzahl der Sitze auf die Londoner Bezirke Wandsworth und Westminster sowie die Gemeinden Newcastle-under-Lyme in den West Midlands und Southampton an der Südküste gerichtet. Je nachdem, wie verheerend die Wahlen für die Konservativen ausgehen, wird damit gerechnet, dass Johnsons Position in der eigenen Fraktion infrage gestellt werden könnte.

Großbritannien-Wahl: Historisches Ergebnis erwartet

In Nordirland zeichnet sich ein historisches Ergebnis ab, bei dem die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein zum ersten Mal stärkste Kraft in dem Landesteil werden könnte. Die Partei galt einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA (Irish Republican Army), die jahrzehntelang gewaltsam für eine Vereinigung der beiden Teile Irlands kämpfte. Die Partei setzt sich mit friedlichen Mitteln für ein geeintes Irland ein, hat dies im Wahlkampf jedoch nur als längerfristiges Ziel ausgegeben.

Mit ersten Ergebnissen aus den Lokalwahlen in England wird in der Nacht auf Freitag gerechnet. Die Auszählung der Stimmen in Nordirland beginnt erst am Freitagmorgen und könnte sich bis in den Samstag hineinziehen.

Wahl in Großbritannien: Kommt der Schritt Richtung vereintes Irland?

Erstmeldung vom Mittwoch, 04. Mai: Belfast - Eine ganz besondere Herausforderung erwartet den britischen Premierminister Boris Johnson und das gesamte Vereinigte Königreich bei der Regionalwahl in Großbritannien am Donnerstag (5. Mai). In Nordirland nämlich könnte Sinn Fein die Mehrheit der Sitze gewinnen. Es wäre das erste Mal in der 100-jährigen Geschichte der britischen Provinz, dass eine irisch-nationalistische Partei stärkste Kraft im Parlament wird.  

In den Umfragen führt Sinn Fein - also jene Partei, die sowohl in Nordirland als auch in Irland aktiv ist. „Wir glauben an die irische Einheit. Aber es wird die Öffentlichkeit sein, die in dieser Frage eines Tages das Sagen hat“, sagt Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill kurz vor der Wahl in einem Interview. Ihre Partei will ein Datum für ein Referendum - eine sogenannte „Border Poll“ - in den kommenden Jahren ansetzen, so steht es jedenfalls im Wahlprogramm. Eine Aussicht, die manche ängstigt und andere strahlen lässt.

Regionalwahl in Großbritannien: Wie entscheidet Nordirland?

Die Frage nämlich, ob Nordirland sich mit der Republik Irland vereinigen oder Teil des Vereinigten Königreichs bleiben sollte, spaltet die Menschen seit mehr als einem Jahrhundert und hat in einem blutigen Bürgerkrieg Tausende Leben gekostet. Jetzt also könnte neue Bewegung in die Sache kommen – wenn die Wähler:innen Nordirlands am 5. Mai Sinn Fein eine Mehrheit bescheren.

Sinn Fein Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill
Sinn Fein Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill: „Wir glauben an die irische Einheit.“ © Paul Faith/AFP

Ein kleiner Hinweis auf den Ausgang der Wahl könnte sein, dass in Nordirland 2020 erstmals innerhalb eines Jahres mehr irische als britische Pässe beantragt worden sind, wie die Zeitung Irish Times am Dienstag (3. April) unter Berufung auf offizielle Zahlen britischer Behörden meldete. Demnach beantragten 48.911 Bürger:innen in Nordirland einen Pass des EU-Mitglieds Republik Irland. Britische Pässe wurden knapp 400 weniger angefordert. Ob daraus ein Trend wird, zumal für die anstehende Wahl, ist allerdings unklar.

Nordirland: Starker Anstieg an Anträgen für die irische Staatsbürgerschaft

Die Zahlen dürften jedoch Befürchtungen der Befürworter eines Verbleibs Nordirlands im Vereinigten Königreich verstärken. Ohnehin müssen sie damit rechnen, dass bei der Wahl zum Regionalparlament die republikanische Sinn-Fein-Partei erstmals als stärkste Kraft hervorgeht.

Nordirland
Einwohnerzahl1.881.641 (2018)
AmtsspracheEnglisch, Irisch, Ulster Scots
HauptstadtBelfast
RegierungErster Minister: Paul Givan, Stellvertretende Erste Ministerin: Michelle O’Neill
StaatsoberhauptKönigin Elisabeth II., Minister für Nordirland Brandon Lewis

Die Entscheidung der Brit:innen zum Brexit im Jahr 2016 hatte im gesamten Vereinigten Königreich zu einem starken Anstieg an Anträgen für die irische Staatsbürgerschaft geführt. Wer in Nordirland geboren wurde oder bei Geburt mindestens ein Elternteil mit Anspruch auf irische Staatsbürgerschaft oder ein irisches Großelternteil hatte, kann die irische Staatsbürgerschaft beantragen. Davon machten auch viele Menschen in anderen britischen Landesteilen Gebrauch, um weiterhin Bürger der EU zu bleiben.

In Nordirland mit seinen etwa 1,9 Millionen Einwohner:innen haben der Irish Times zufolge rund 35 Prozent derzeit einen irischen Pass. Ob dies ein Indiz zu einem Votum pro Sinn Fein ist, und ob es damit zu einem Referendum für die Vereinigung mit Irland reicht, wird die Wahl zeigen. (skr/nak/dpa)

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