Update vom Donnerstag, 5. Mai, 10.00 Uhr: Bei den Lokal- und Regionalwahlen im Vereinigten Königreich haben am Donnerstag (5. Mai) seit 8 Uhr MESZ (7 Uhr Ortszeit) die Wahllokale ihre Türen geöffnet. Bis um 23 Uhr MESZ sind die Menschen in London und anderen Teilen Englands, sowie in Schottland und Wales dazu aufgerufen, neue Mitglieder für die Gemeinde- und Bezirksräte zu bestimmen. In Nordirland wird ein neues Regionalparlament (Northern Ireland Assembly) gewählt.
Die Augen sind dabei neben der Gesamtzahl der Sitze auf die Londoner Bezirke Wandsworth und Westminster sowie die Gemeinden Newcastle-under-Lyme in den West Midlands und Southampton an der Südküste gerichtet. Je nachdem, wie verheerend die Wahlen für die Konservativen ausgehen, wird damit gerechnet, dass Johnsons Position in der eigenen Fraktion infrage gestellt werden könnte.
In Nordirland zeichnet sich ein historisches Ergebnis ab, bei dem die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein zum ersten Mal stärkste Kraft in dem Landesteil werden könnte. Die Partei galt einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA (Irish Republican Army), die jahrzehntelang gewaltsam für eine Vereinigung der beiden Teile Irlands kämpfte. Die Partei setzt sich mit friedlichen Mitteln für ein geeintes Irland ein, hat dies im Wahlkampf jedoch nur als längerfristiges Ziel ausgegeben.
Mit ersten Ergebnissen aus den Lokalwahlen in England wird in der Nacht auf Freitag gerechnet. Die Auszählung der Stimmen in Nordirland beginnt erst am Freitagmorgen und könnte sich bis in den Samstag hineinziehen.
Erstmeldung vom Mittwoch, 04. Mai: Belfast - Eine ganz besondere Herausforderung erwartet den britischen Premierminister Boris Johnson und das gesamte Vereinigte Königreich bei der Regionalwahl in Großbritannien am Donnerstag (5. Mai). In Nordirland nämlich könnte Sinn Fein die Mehrheit der Sitze gewinnen. Es wäre das erste Mal in der 100-jährigen Geschichte der britischen Provinz, dass eine irisch-nationalistische Partei stärkste Kraft im Parlament wird.
In den Umfragen führt Sinn Fein - also jene Partei, die sowohl in Nordirland als auch in Irland aktiv ist. „Wir glauben an die irische Einheit. Aber es wird die Öffentlichkeit sein, die in dieser Frage eines Tages das Sagen hat“, sagt Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill kurz vor der Wahl in einem Interview. Ihre Partei will ein Datum für ein Referendum - eine sogenannte „Border Poll“ - in den kommenden Jahren ansetzen, so steht es jedenfalls im Wahlprogramm. Eine Aussicht, die manche ängstigt und andere strahlen lässt.
Die Frage nämlich, ob Nordirland sich mit der Republik Irland vereinigen oder Teil des Vereinigten Königreichs bleiben sollte, spaltet die Menschen seit mehr als einem Jahrhundert und hat in einem blutigen Bürgerkrieg Tausende Leben gekostet. Jetzt also könnte neue Bewegung in die Sache kommen – wenn die Wähler:innen Nordirlands am 5. Mai Sinn Fein eine Mehrheit bescheren.
Ein kleiner Hinweis auf den Ausgang der Wahl könnte sein, dass in Nordirland 2020 erstmals innerhalb eines Jahres mehr irische als britische Pässe beantragt worden sind, wie die Zeitung Irish Times am Dienstag (3. April) unter Berufung auf offizielle Zahlen britischer Behörden meldete. Demnach beantragten 48.911 Bürger:innen in Nordirland einen Pass des EU-Mitglieds Republik Irland. Britische Pässe wurden knapp 400 weniger angefordert. Ob daraus ein Trend wird, zumal für die anstehende Wahl, ist allerdings unklar.
Die Zahlen dürften jedoch Befürchtungen der Befürworter eines Verbleibs Nordirlands im Vereinigten Königreich verstärken. Ohnehin müssen sie damit rechnen, dass bei der Wahl zum Regionalparlament die republikanische Sinn-Fein-Partei erstmals als stärkste Kraft hervorgeht.
Nordirland | |
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Einwohnerzahl | 1.881.641 (2018) |
Amtssprache | Englisch, Irisch, Ulster Scots |
Hauptstadt | Belfast |
Regierung | Erster Minister: Paul Givan, Stellvertretende Erste Ministerin: Michelle O’Neill |
Staatsoberhaupt | Königin Elisabeth II., Minister für Nordirland Brandon Lewis |
Die Entscheidung der Brit:innen zum Brexit im Jahr 2016 hatte im gesamten Vereinigten Königreich zu einem starken Anstieg an Anträgen für die irische Staatsbürgerschaft geführt. Wer in Nordirland geboren wurde oder bei Geburt mindestens ein Elternteil mit Anspruch auf irische Staatsbürgerschaft oder ein irisches Großelternteil hatte, kann die irische Staatsbürgerschaft beantragen. Davon machten auch viele Menschen in anderen britischen Landesteilen Gebrauch, um weiterhin Bürger der EU zu bleiben.
In Nordirland mit seinen etwa 1,9 Millionen Einwohner:innen haben der Irish Times zufolge rund 35 Prozent derzeit einen irischen Pass. Ob dies ein Indiz zu einem Votum pro Sinn Fein ist, und ob es damit zu einem Referendum für die Vereinigung mit Irland reicht, wird die Wahl zeigen. (skr/nak/dpa)