Kampf gegen Antisemitismus: Faeser plant Polizei-Studienfahrten nach Israel

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will angehende Polizeikräfte in Israel für Antisemitismus sensibilisieren lassen. Die Schulungen sollen in den eigenen Reihen für Aufklärung sorgen – doch es gibt auch Kritik.
Auf ihrer Reise nach Israel und bei einem Besuch in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem bekannte sich die Bundesinnenministerin Nancy Faeser nicht nur zu Deutschlands historischer Vergangenheit für die Verbrechen der Nazis. Sie schuf auch Fakten: In Yad Vashem unterzeichnete die SPD-Politikerin eine Absichtserklärung, dass in Zukunft alle Polizeianwärter:innen und Auszubildenden am Bundeskriminalamt (BKA) von Fachleuten der Gedenkstätte im Erkennen von Antisemitismus geschult werden.
Damit sollen künftige Exekutivbeamt:innen nicht nur besser gerüstet sein, um den steigenden Antisemitismus zu identifizieren, bevor er sich in Gewalttaten äußert. Die Schulungen sollen auch helfen, den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu bekämpfen. Zuletzt waren immer wieder Inhalte aus polizeiinternen Chatgruppen an die Öffentlichkeit gelangt, aus denen rassistische und antisemitische Tendenzen hervorgingen.
„Es geht um Sensibilisierung und darum, Antisemitismus zu erkennen“
Auch eine Reise nach Israel und ein Besuch von Yad Vashem soll dann Teil des Lehrplans angehender Polizist:innen sein. „Es geht um Sensibilisierung und darum, Antisemitismus zu erkennen“, sagte Faeser am Rande ihres Jerusalem-Besuchs am Dienstag. Bei manchen Straftaten sei nicht immer eindeutig zu erkennen, ob Antisemitismus im Spiel ist oder nicht. Im Strafrecht werden Taten, die aus einem judenfeindlichen Motiv heraus begangen werden, strenger gewertet. Es liegt an Polizist:innen, die dafür nötigen Indizien ernst zu nehmen und zu dokumentieren.
Was aber, wenn der Antisemitismus in der Polizei selbst verankert ist und dazu führt, dass Mitglieder der jüdischen Gemeinden schlechter geschützt sind, obwohl sie allgemein stärker gefährdet sind?
Israelischer Historiker: „Ich kann jemanden über Antisemitismus aufklären, er bleibt trotzdem Antisemit.“
„Da hilft es nichts, sich von der Gedenkstätte schulen zu lassen“, sagt der israelische Historiker und Antisemitismusforscher Moshe Zimmermann: „Ich kann jemanden über Antisemitismus aufklären, er bleibt trotzdem Antisemit.“ Yad Vashem sei zwar ein guter Ort, um sich theoretisches Wissen über Antisemitismus anzueignen. Um die eigenen antijüdischen Vorurteile zu reflektieren, brauche es „keinen kognitiven Zugang, das ist eine Frage der Gefühle“. Und für solche pädagogischen Maßnahmen zur Sensibilisierung gebe es in Deutschland bereits gute Angebote, sagt Zimmermann, der an mehreren deutschen Universitäten als Gastprofessor tätig war. „Da könnte man sich die Reisekosten nach Israel sparen.“ Zumal, wie der Sohn vertriebener Hamburger jüdischen Glaubens hinzufügt, die israelische Polizei selbst einigen Nachholbedarf hätte, wenn es darum geht, den eigenen Rassismus zu reflektieren. Jüngste Fälle von Polizeigewalt, etwa auf der Begräbnisprozession für die erschossene Al-Dschasira-Reporterin Shirin Abu Akleh, hatten für scharfe Kritik gesorgt.
Konservative Definition von Antisemitismus
„An der Gedenkstätte gibt es sehr qualifizierte Leute, die viel geforscht haben zu Antisemitismus und wie er zustande kommt“, widerspricht Faeser. Angehende deutsche Polizist:innen könnten davon nur profitieren.
Unter Fachleuten gilt Yad Vashem als Vertreterin einer konservativeren Definition von Antisemitismus. Diese Denkschule ist eher dazu geneigt, auch israelkritische Äußerungen als Antisemitismus zu interpretieren, während linksliberale Strömungen tendenziell schärfer trennen zwischen Judenfeindlichkeit und Israelkritik, wenn sie nicht eindeutig als Deckmantel für antisemitische Hetze erkennbar ist.
Engere Kooperation in der Terror- und Cyberabwehr
Hinzu kommt, dass selbst die deutsche Rechtspraxis keine klare Linie entwickelt hat, was Antisemitismus ist. Das geht aus einem Forschungsprojekt der Uni Gießen hervor, dessen Ergebnisse von den Forscherinnen auf einer Antisemitismustagung in Jerusalem am Dienstag präsentiert wurden. Gerichte, die über Fälle antisemitischer Hetze zu entscheiden haben, wenden demnach nicht immer einheitliche Maßstäbe an.
Israel war die erste außereuropäische Reise der Bundesinnenministerin. In Gesprächen mit israelischen Regierungsvertreter:innen einigte sich Faeser unter anderen auf eine engere Kooperation in der Terror- und Cyberabwehr und beim Bevölkerungsschutz.