1. Startseite
  2. Politik

F-16 für die Ukraine: Pilot warnt vor zu hohen Erwartungen – und Kiew hat noch ein Problem

Erstellt:

Von: Patrick Mayer

Kommentare

Die Ukraine soll amerikanische F-16-Kampfjets bekommen. Experten erklären, warum das Flugzeug der russischen Su-35 nicht unbedingt überlegen ist.

München/Donbass - „Dies wird unsere Armee am Himmel erheblich stärken.“ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte bei Twitter begeistert. Denn: Die USA haben der Ukraine die Lieferung von F-16-Kampfjets ( „Fighting Falcon“) zugesichert.

Ukraine-Krieg: USA, Großbritannien und Niederlande wollen Kiew F-16 liefern

Der nationale Sicherheitsberater, Jake Sullivan, hatte am Samstag (20. Mai) mitgeteilt, dass Washington „in den kommenden Monaten mit unseren Verbündeten zusammenarbeiten werde, um festzulegen, wann Flugzeuge geliefert werden, wer sie ausliefern wird und wie viele“. Zuletzt hatten Großbritannien und die Niederlande eine F-16-Koalition in der Nato angestoßen.

Bereits an diesem Dienstag (23. Mai) begann Polen als erstes Nato-Mitglied mit der Ausbildung ukrainischer Piloten an der F-16. Markant: Mit besagter F-16 sind die ukrainischen Luftstreitkräfte absehbar in der Lage, die direkte Konfrontation mit der russischen Su-35 („Super Flanker“) zu suchen.

Schlagkräftig: Eine F-16 (li.) der polnischen Luftwaffe und eine F-35 der niederländischen Luftwaffe bei einer gemeinsamen Übung über der Danziger Bucht.
Schlagkräftig: Eine F-16 (li.) der polnischen Luftwaffe und eine F-35 der niederländischen Luftwaffe bei einer gemeinsamen Übung über der Danziger Bucht. © IMAGO/Björn Trotzki

Experten sind sich indes uneins, ob die F-16 der Su-35 überlegen wäre. Die Ukraine steht ferner vor riesigen Herausforderungen bei der Umsetzung. Der erste markante Unterschied zwischen beiden Kampfjets ist das Alter: Denn: Die Su-35 ist als modernisierte Version des Su-27-Jagdflugzeugs seit 2008 bei den russischen Luftstreitkräften im Einsatz. Die F-16 geht dagegen seit 1976 in Serienproduktion vom Band, die US Air Force flog noch im Vietnam-Krieg Einsätze mit dem einstrahligen Mehrzweckkampfflugzeug.

Ukraine bekommt F-16-Kampfjets: Pilot warnt vor zu hohen Erwartungen

Ein aktiver F-16-Pilot warnte bei CNN vielleicht auch deshalb davor, nicht zu hohe Erwartungen zu haben. „Zu Ihrer Frage, ob die F-16 einen Unterschied macht. Das ist nicht der Fall“, erklärte der namentlich nicht genannte Pilot laut einem Bericht auf der Website des US-amerikanischen Senders. So könne sich der effektive Einsatz in „einer dynamischen Bedrohungsumgebung“ wegen der notwendigen Ausbildung der Piloten Jahre hinziehen. Und Formationen mit mehreren Kampfjets müssten zum Beispiel erst einstudiert werden.

Zu Ihrer Frage, ob die F-16 einen Unterschied macht. Das ist nicht der Fall.

Anonymer F-16-Pilot bei CNN

Noch ein Bedenken: Der frühere britische Militäroffizier Frank Ledwidge warnte im US-amerikanischen Magazin Newsweek, dass die Su-35 als einer der fortschrittlichsten Jäger der sogenannten fünften Generation „speziell für den Abschuss“ von Kampfflugzeugen wie der F-16 konzipiert sei. Schaut man sich die Bewaffnung beider Flugzeuge an, müssten die ukrainischen Piloten eine russische Su-35 wohl nahe rankommen lassen, um einen Vorteil zu haben. Denn: Die passende IRIS-T des deutschen Herstellers „Diehl Defence“ aus Überlingen am Bodensee gilt als eine der fortschrittlichsten Kurzstreckenraketen der Welt. Mit ihr können Luftziele rund um das jeweilige Flugzeug bekämpft werden, ohne dass sich die Piloten in Abschussposition manövrieren müssen.

Ukraine erhält F-16-Kampfjets: Bewaffnung, Alter und Stückzahl weltweit

Die IRIS-T kann an F-16-Jets angebracht werden, hat jedoch eine begrenzte Reichweite von 25 Kilometern. Weder die amerikanischen noch die britischen oder die israelischen Langstreckenraketen der F-16 haben dagegen die Reichweite einer russischen Wympel R-37 (angeblich bis zu 300 Kilometer). Andrew Curtis, pensionierter Luftkommodore der britischen Royal Air Force, erklärte Newsweek: „Wie sich die F-16 gegen die russischen Su-35 schlagen, wird von den Luft-Luft-Waffen abhängen, die den Ukrainern zur Verfügung stehen.“ Russische Piloten würden seiner Einschätzung nach versuchen, „einen Distanzkampf mit Mittel- und Langstreckenraketen auszufechten. Wenn ihnen das gelingt, könnte das den Ausschlag zugunsten der Su-35 geben“, meinte Curtis.

Wie sich die F-16 gegen die russischen Su-35 schlagen, wird von den Luft-Luft-Waffen abhängen, die den Ukrainern zur Verfügung stehen.

Andrew Curtis, pensionierter Luftkommodore der britischen Royal Air Force, bei „Newsweek“

Bleibt die Frage, wo die F-16 starten und landen. CNN schreibt, dass womöglich mehrere Start- und Landebahnen repariert und ausgebaut werden müssten, während die Gefahr gezielter russischer Angriffe bestünde. Ein Beispiel: Ende März 2022 wurde der Militärflughafen von Starokostjantyniw massiv mit Raketen angegriffen. Laut BBC wurde zudem der Flughafen Iwano-Frankiwsk, ebenfalls im Westen des Landes gelegen, schon am ersten Tag des Ukraine-Kriegs (24. Februar 2022) mit einer Rakete attackiert.

Kiew bekommt F-16-Kampfjets: Ukraine müsste wohl Start- und Landebahnen nachrüsten

Das Beispiel Iwano-Frankiwsk zeigt ein anderes Problem. So waren Militärflugplätze zu Beginn des russischen Überfalls in mehreren Fällen in kleinere zivile Flughäfen integriert, die nur über eine Start- und Landebahn verfügen. So etwa der Militärflugplatz Kiew-Süd, auf dem bei Wassylkiw eine MiG-29-Staffel stationiert war. Die Start- und Landebahn ist hier rund 650 Meter lang. Eine „Fighting Falcon“ braucht aber in der Regel eine Rollstrecke von bis zu 760 Metern.

Eine russische Su-35 im Juni 2022 in der Ukraine. (Archivfoto)
Eine russische Su-35 im Juni 2022 in der Ukraine. (Archivfoto) © IMAGO/RIA Novosti

Ein ehemaliger Offizier der Royal Australian Air Force hätte einen anderen Kampfjet für sinnvoller erachtet. „Das technisch beste Flugzeug wäre aufgrund seiner Kampffähigkeiten, seiner Fähigkeit, von kargen Stützpunkten aus zu operieren und seiner einfacheren Wartung wohl der schwedische Gripen“, erklärte Peter Layton, Fellow am „Griffith Asia Institute“ CNN: „Allerdings ist ihre jährliche Produktionsrate gering und es gibt keine von der Stange.“

F-16-Kampfjets für die Ukraine: Vorteil etablierter Logistikketten

Zur Einordnung: Neben Schweden haben in der Nato nur Ungarn und Tschechien die Saab JAS 39 Gripen, die Teil des riesigen Nato-Manövers „Air Defender 23“ sein wird. Damit die Piloten auf den typischen schwedischen Behelfsstartbahnen (teils Landstraßen) landen können, hat das Fahrwerk der Gripen Bremsen mit ABS. Derart kurze Landungen sind mit der F-16 nicht möglich, die jedoch den Vorteil einer etablierten Logistikkette mit verfügbaren Ersatzteilen hat. Damit der Schutz des Luftraums permanent aufrechterhalten werden kann. (pm)

Auch interessant

Kommentare