Express-Abkehr von Russland: Partner Kasachstan versetzt Putin politischen Tiefschlag

Im Ukraine-Krieg wendet sich der wichtige Partner Kasachstan von Russland ab. Es erkennt laut einem Bericht die Republiken Luhansk und Donezk nicht an. Damit nicht genug.
München/Moskau/Almaty - Es war erst im Januar, als der kasachische Präsident seinen Partner Wladimir Putin in Moskau ersuchte, um Unruhen in der Hauptstadt Nur-Sultan und in Almaty sowie anderen Regionen des riesigen Landes niederzuschlagen. Russlands Machthaber reagierte prompt, entsendete tausende Fallschirmjäger. Eine Eingreiftruppe.
Kasachstan im Russland-Ukraine-Krieg: Keine militärische Hilfe von Almaty für Moskau
Ein militärisches Bündnis ehemaliger Sowjetrepubliken schritt ein: Das OVKS, das von Russland dominiert wird. Die Preise für Flüssiggas, Öl und Benzin waren in die Höhe geschossen, in einem Land voller Bodenschätze. All das, was die normalen Bürger zum Heizen und Kochen brauchen. All die Rohstoffe, von denen Kasachstan viel hat, woran aber die Wenigsten mitverdienen. Weswegen sie mutmaßlich auf die Straßen gingen. Es kam letztlich nicht zum Putsch.
Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Politische Veränderungen setzten trotzdem ein. Präsident Qassym-Schomart Toqajew, bis dahin ein enger Verbündeter Putins, versprach ein „neues Kasachstan“. Ein Land, in dem der Staat den Bürgern dient - und nicht umgekehrt. Kaum einen Monat später brach der Russland-Ukraine-Krieg* aus. Die Frage war: Was würde die Regierung in Nur-Sultan tun? Sie wandte sich - für viele überraschend - energisch von Moskau ab und unterstütze den russischen Machthaber bei dessen militärischer Intervention nicht.
Von entsprechender politischer Tragweite ist die Nachricht, die das liberale osteuropäische Online-Portal NEXTA an diesem Dienstag (5. April) verbreitete. Eine Nachrichtenseite, die auch die ARD und das ZDF in ihrer Osteuropa-Berichterstattung immer wieder zitieren.
So habe Außenminister Mukhtar Tleuberdi erklärt, dass Kasachstan die sogenannten Republiken Luhansk und Donezk nicht anerkennen werde. Deren Loslösung von der Ukraine und politische Anknüpfung an Russland gilt als eines der Hauptziele Moskaus im Ukraine-Konflikt*. Es wäre ein politischer Tiefschlag für Putin.
Im Video: Kompakt - Die News zum Russland-Ukraine-Krieg
Ein Tiefschlag, der sich in den vergangenen Wochen der Eskalation angedeutet hatte. So berichtete NBC News zuletzt, dass Kasachstan militärische Hilfe für Russland abgelehnt habe. In der UN-Vollversammlung enthielt sich das zentralasiatische Land bei der Resolution, die mit sehr großer Mehrheit zu einem Ende der russischen „Aggression“ aufrief. Kasachstan hätte auch gegen die Resolution stimmen können, tat dies aber nicht, was schon damals viel Aufmerksamkeit weckte.
Russland-Ukraine-Krieg: Kasachstan unterstützt plötzlich Kiew - nicht Moskau
Statt militärischer Unterstützung für Moskau folgten zivile Hilfsgüter in die Ukraine. Dort unterhält das Land mit seinen rund 19 Millionen Einwohnern weiterhin eine Botschaft im Westen in Lwiw (Lemberg). Einzelbeispiele? Schon vor dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges* hatte Kasachstan die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk nicht anerkannt. Dabei war die kasachische Haltung nach der russischen Hilfestellung gegen den Aufstand im eigenen Land mit Spannung erwartet worden.
Wenn es wieder einen Eisernen Vorhang gibt, dann wollen wir nicht dahinter sein.
Schließlich sendete Almaty stattdessen deutliche Signale der Annäherung an den Westen. Wie der Tagesspiegel schreibt, lud die kasachische Regierung bereits westliche Investoren dazu ein, ihr Geschäft mit den Rohstoffen aus Russland nach Zentralasien zu verlagern. Denn: Kasachstan könnte mit seinem Erdgas und Erdöl für den europäischen Markt sehr wichtig werden. Erst am Dienstag (5. April) hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Importverbot für Kohle aus Russland vorgeschlagen.
Russland-Ukraine-Krieg: Hat Wladimir Putin einen seiner wichtigsten Verbündeten verloren?
„Wenn es wieder einen Eisernen Vorhang gibt, dann wollen wir nicht dahinter sein. Deshalb hoffen wir, dass er nicht wieder fallen wird“, erklärte Vize-Außenminister Roman Vassilenko der WELT: „Wir ergreifen diese Schritte und politischen Reformen nicht, um irgendjemandem zu gefallen, auch nicht dem Westen. Sondern weil unser Präsident weiß, dass es der einzige Weg nach vorne ist.“
Vassilenko bekräftigte in dem Interview ferner, dass Kasachstan* im Dezember „mit viel Stolz“ den 30. Unabhängigkeitstag von der Sowjetunion gefeiert habe. Verliert Putin gerade einen seiner wichtigsten Verbündeten? Die Anzeichen mehren sich. (pm) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA