Greenwashing in der EU? Umweltverbände klagen gegen Ökosiegel
Umweltorganisationen verklagen die EU für die Einstufung von Atomkraft und Gas als nachhaltig. Das EU-Ökolabel sei Etikettenschwindel.
Luxemburg - Greenpeace und mehrere andere Umweltorganisationen reichen heute gegen das EU-Ökolabel für Atomkraft und Gas Klage am Gericht der Europäischen Union in Luxemburg gegen die EU-Kommission ein. Umweltschützer wollen außerdem vor dem Gerichtsgebäude gegen die EU-Einstufung von Atomkraft und Gas als „nachhaltig“ demonstrieren - sie kritisieren ein „Greenwashing“ nicht erneuerbarer Energien.

Öko-Siegel für Atomkraft und Gas: EU-Taxonomie
Die Klage von Greenpeace, BUND, dem WWF und weiteren Umweltorganisationen richtet sich gegen die sogenannte Taxonomie der EU: Eine Art europäisches Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte. Das EU-Klassifizierungssystem soll Finanz-Anlegern Orientierung geben und zum umweltfreundlichen Umbau der Wirtschaft beitragen. Seit Anfang 2023 stuft die EU auch Atomkraft und Gas als grün und nachhaltig ein - Investitionen in Gas- oder Atomkraftwerke werden also, unter bestimmten Bedingungen, als klimafreundlich bewertet. An der Aufnahme von Gas und Atom als nachhaltige Energien gab es schon im Vorhinein heftige Kritik.
EU-Ökolabel für Atomkraft und Gas
Die EU-Taxonomie-Verordnung ist ein System zur Klassifizierung von nachhaltigen, umweltfreundlichen Finanzaktivitäten - also eine Art EU-Ökolabel für Energieprodukte. Investitionen in AKWs können als nachhaltig klassifiziert werden, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen und bis 2050 ein konkreter Plan für eine Entsorgung der hoch radioaktiven Abfälle vorgelegt wird. Bei der Klassifizierung von Gaskraftwerken kommt es darauf an, wie viel Treibhausgase ausgestoßen werden und ob die Anlagen bis spätestens 2035 auch mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas betrieben werden können.
Nina Treu, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, kritisiert: „Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein“. Das Ökolabel der EU ermögliche Gas und Atomkraft den Zugang zu Geldern, die sonst in erneuerbare Energien fließen würden. „Grünes Geld darf nicht für Industrien missbraucht werden, die uns erst in die Natur- und Klimakrise geführt haben“, so Greenpeace. Außerdem sei Atomkraft „weder eine Hilfe bei der Transition zur Treibhausgasneutralität noch frei von erheblichen Umweltrisiken“, sagt Klimaanwältin Dr. Roda Verheyen, die Greenpeace in dem Verfahren vertritt.
Klage gegen EU-Ökosiegel für Erdgas
BUND, WWF und andere Umweltorganisationen reichen neben Greenpeace eine separate Klage gegen das EU-Ökolabel für Erdgas am Gerichtshof der Europäischen Union ein. „Vermeintlicher Klimaschutz durch Etikettenschwindel ist inakzeptabel“, erklärte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. „Mit der Entscheidung, fossiles Erdgas als klimafreundlich zu klassifizieren, hat sich die EU-Kommission sowohl faktisch als auch rechtlich auf sehr dünnes Eis begeben“.
Zuvor hatte bereits Österreich gegen das EU-Ökolabel für Atomkraft und Gas geklagt. Die Entscheidung, die beiden Energieträger als nachhaltig und umweltfreundlich in die EU-Taxonomie aufzunehmen, gilt als typischer EU-Kompromiss: Frankreich, das weiterhin an der Atomkraft festhält, hatte sich für dessen Aufnahme in die Ökoklassifizierung eingesetzt und Deutschland wiederum für Gas, das für die deutsche Industrie eine wichtige Rolle spielt. (kasa/dpa/AFP)