Streit zum EU-Gipfel: Wird das Verbrenner-Aus ab 2035 jetzt endgültig gestoppt?
Obwohl inzwischen ein Lösungsvorschlag der Kommission vorliegt, wie neue Verbrenner auch nach 2035 noch für E-Fuels zugelassen werden können, geht der Streit weiter.
Alle Seiten geben vor, zeitnah eine Lösung finden zu wollen. Doch die Uhr tickt – bis zum EU-Gipfel am Donnerstag soll alles geklärt werden.
Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 22. März 2023
Eine Perspektive für „E-Fuels only“-Fahrzeuge hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) Mitte vergangene Woche gefordert, um das vollständige Verbrenner-Aus im Jahr 2035 noch abzuwenden. Die Kommission hat bereits kurze Zeit später einen entsprechenden Entwurf für eine ergänzende Gesetzgebung vorgelegt. In dem Entwurf, der Table.Media vorliegt, wird – wie von Wissing gefordert – die bestehende Gesetzgebung zur Abgasnorm für Pkw (Euro 5 und Euro 6) aufgegriffen.
Die Kommission schlägt demnach vor, eine neue Fahrzeugkategorie zu schaffen für Fahrzeuge, die ausschließlich mit kohlenstoffneutralen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden. Diese sollen so konstruiert sein, „dass sie nicht mit anderen Arten von Kraftstoffen betrieben werden können“. Das Auto soll zudem durch ein Kraftstoffüberwachungsgerät erkennen, wenn es mit herkömmlichen Kraftstoffen betankt würde. In diesem Fall müsste das System verhindern, dass das Fahrzeug überhaupt startet. Hersteller müssten sicherstellen, dass Überwachungsgeräte und Betankungssysteme vor Manipulation geschützt sind, heißt es weiter.
Newsletter von Table.Media
Erhalten Sie 30 Tage kostenlos Zugang zu weiteren exklusiven Informationen der Table.Media Professional Briefings – das Entscheidende für die Entscheidenden in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und NGOs.
Bedingungen Wissings nicht erfüllt
Für Fahrzeughersteller dürfte das eine massive Hürde sein, solche Fahrzeuge überhaupt zu bauen, da hohe Entwicklungskosten und nur ein kleiner Absatzmarkt zu erwarten wären. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Dienstag aus dem Umfeld Wissings, die Bedingung der Kommission, dass Autos CO₂-neutrale Kraftstoffe von fossilen Brennstoffen unterscheiden müssten, sei für Deutschland problematisch, weil Autohersteller neue Motoren entwickeln müssten.
Das heißt, auch wenn der Kommissionsentwurf in die Richtung einer „E-Fuels only“-Lösung geht, dürfte das Verkehrsministerium Nachbesserungsbedarf sehen, um eine realistische Perspektive für E-Fuels zu schaffen. Die FDP hatte dies im Koalitionsvertrag und in einem Erwägungsgrund der überarbeiteten EU-Flottengrenzwerte reinverhandelt. Zwei der Forderungen Wissings wurden von der Kommission nicht berücksichtigt: Eine Anrechnung von „E-Fuels only“-Fahrzeugen auf die Flottengrenzwerte der Hersteller sowie die Aufnahme einer Definition für vollständig CO₂-neutrale Kraftstoffe in die Gesetzgebung der Flottengrenzwerte.
Der Spiegel berichtete am Dienstag sogar, dass Wissing den Kommissionsvorschlag bereits komplett abgelehnt habe.
Auf Nachfrage von Table.Media wollte das Verkehrsministerium dies zwar nicht bestätigen, jedoch legt die Tatsache, dass noch immer keine Einigung erzielt wurde, nahe, dass der Vorschlag nicht den Vorstellungen des Ministers entspricht. „Wir sind an einer schnellen Klärung interessiert, die aber belastbar und verbindlich sein muss“, so das Ministerium. Bedeutet: Der aktuelle Vorschlag erfüllt diese Kriterien noch nicht.
Im Bundesumweltministeriums sieht man das offenbar ganz anders. „Soweit wir den Vorschlag der Kommission kennen, wäre dem Erwägungsgrund im Sinne der FDP Rechnung getragen und einer Zustimmung dürfte an sich nichts mehr im Wege stehen“, heißt es aus Kreisen des Ministeriums.
Klärung bis zum EU-Gipfel
Eine weitere noch offene Frage: Aus dem Kommissionsentwurf geht nicht hervor, welche EU-Rechtsvorschrift Anwendung findet. Sollte die Kommission ihren Vorschlag über einen Durchführungsrechtsakt umsetzen wollen, müsste sie diesen mit den Mitgliedstaaten konsultieren. Bei einem delegierten Rechtsakt wäre das nicht notwendig, allerdings hätten EU-Parlament und Ministerrat die Möglichkeit, Einspruch einzulegen.
Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) sagte am Dienstag in Brüssel, sie gehe davon aus, dass sich das gesamte Thema vor dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel lösen werde. Lührmann betonte noch einmal, man habe sich darauf verständigt, dass das Trilog-Ergebnis gelte. Zugleich unterhalte sich die Bundesregierung mit der EU-Kommission darüber, wie der Erwägungsgrund konkret umgesetzt werde. „Ich gehe davon aus, dass diese Gespräche vor dem Gipfel abgeschlossen werden.“
Von Lukas Scheid