1. Startseite
  2. Politik

„Es sind Menschen für weniger zurückgetreten“

Erstellt:

Von: Pitt von Bebenburg

Kommentare

Wenn das Land Berlin den Wohnungsbau selbst in die Hand nähme, seien Mieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter durchaus drin, sagt Kultursenator Klaus Lederer.
Wenn das Land Berlin den Wohnungsbau selbst in die Hand nähme, seien Mieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter durchaus drin, sagt Kultursenator Klaus Lederer. © Emmanuele Contini/dpa

Berlins Kultursenator Klaus Lederer im FR-Interview über Wohnungspolitik, den Volksentscheid zur Klimaneutralität und die Folgen des Linken-Streits für die Senatswahl.

Herr Lederer, mit der Wahlpanne von 2021 hat sich die Berliner Verwaltung lächerlich gemacht. Können Sie verstehen, dass der damals verantwortliche Senator Andreas Geisel (SPD) noch immer im Amt ist?

Ganz klar: Die Entscheidung zur kompletten Wiederholungswahl ist eine Klatsche und es sind auch schon Menschen für weniger zurückgetreten. Allerdings entscheiden die Parteien in einer Koalition selbst über ihr Personal.

Der Volksentscheid „Deutsche Wohnen enteignen“ war im Jahr 2021 erfolgreich, umgesetzt wurde er aber nicht. Wird ein neuer Senat unter Linken-Beteiligung die Deutsche Wohnen, die inzwischen von der Vonovia geschluckt wurde, enteignen?

Als Linke haben wir diesen Volksentscheid von Anfang an unterstützt und sind die einzige Partei, die sich nach wie vor klar dazu bekennt. Dass wir als Senat eine Expertenkommission eingesetzt haben, die sich mit den wohnungswirtschaftlichen und den verfassungsrechtlichen Fragestellungen auseinandersetzt, ist der richtige Weg. Wenn man sich mit Konzerninteressen anlegt, ist man gut beraten, das auf einer juristisch sicheren Grundlage zu tun.

Berlin-Wahl: Linke will sich für Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung von Wohnungskonzernen einsetzen

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat sich aber gegen die Enteignung des Wohnungskonzerns positioniert. Wie soll es also gehen?

Es gibt einen positiven Parteitagsbeschluss der SPD, und die Grünen halten die Enteignung als „Ultima Ratio“ für einen gangbaren Weg. Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass der Volksentscheid nach dem Fazit der Expertenkommission mit einem Gesetzgebungsprozess umgesetzt wird. Damit das in einer nächsten Regierung passiert, kämpfen wir dafür, dass die Linke bei der Wiederholungswahl stark abschneidet und auch künftig eine progressive Mehrheit in unserer Stadt das Sagen hat.

Auf das Land kämen dann Milliardenbelastungen zu, bis zu 39 Milliarden Euro. Würde das nicht die Politik der nächsten Jahre lähmen?

Dieser möglichen Belastung steht dann ein Gegenwert an Wohnungen in öffentlicher Hand gegenüber. Damit kann man besser gegensteuern, Mietsteigerungen bremsen, womit andere Kosten, etwa für Wohngeld oder zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit, weniger werden. Wir wissen aus einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dass in den Wohnungsbeständen trotz Zinslast eine Senkung der Mieten um 16 Prozent möglich wäre, wenn sie genauso bewirtschaftet werden wie landeseigene Wohnungen. Gleichwohl brauchen wir mehr bezahlbaren Wohnraum und werden mehr neuen bauen müssen.

Zur Person

Klaus Lederer amtiert seit 2016 als Senator für Kultur und Europa in Berlin. Zugleich hat er das Amt des Bürgermeisters inne.

Der Linken-Politiker gehört zum pragmatischen Flügel seiner Partei. Er ist in Schwerin geboren, wurde 1992 Mitglied der PDS, war von 2003 bis 2005 deren Berliner Landesvorsitzender und anschließend elf Jahre lang Landeschef der Partei Die Linke, dem Zusammenschluss von PDS und WASG.

Der 48-jährige Lederer ist von Beruf Rechtsanwalt. pit

Was bedeutet da die Ankündigung von Vonovia, wegen der hohen Kosten gar nichts Neues mehr zu bauen?

Es zeigt, dass vereinbarte Ziele von einem großen Wohnungsbaukonzern bundesweit nicht eingehalten werden. Wir wollen Verlässlichkeit für Berlin und haben deshalb vorgeschlagen, ein kommunales Wohnungsbauprogramm voranzutreiben. Wenn das Land über zehn Jahre hinweg eine Milliarde Euro jährlich investiert, könnten damit 7500 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, mit einer Einstiegsmiete von teilweise 6,50 bis 7,50 Euro, teilweise zehn Euro kalt. Das ist der Wohnungsbau, den die Berlinerinnen und Berliner brauchen.

Der nächste Volksentscheid steht bevor. Er will erreichen, dass Berlin schon 2030 klimaneutral wird. Ist das zu schaffen?

Wir als Linke wissen, dass Berlin mehr Anstrengungen unternehmen muss, um Klimaneutralität so schnell wie möglich hinzubekommen. Wir wollen die Sanierung von Gebäuden und den Umbau des Gas- und Fernwärmenetzes beschleunigen und den öffentlichen Nahverkehr deutlich stärken. Das hat schon begonnen, wird aber alles nicht dazu führen, dass wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 erreichen. Als Kommune und Land fehlen uns dafür auch ein paar Werkzeuge des Bundes. Deswegen beteiligen wir uns nicht am Wettbewerb um die Zielzahl, sondern werden nach der Wahl das Gespräch mit der Initiative suchen.

Klaus Lederer zur Berlin-Wahl: „Der Bund steht nicht zur Wahl“

Bundesweit steckt die Partei Die Linke in einer schweren Krise. Welche Auswirkungen haben die innerparteilichen Probleme auf die Berlin-Wahl?

Wir sind in Berlin immer gut damit gefahren, die Gemeinsamkeiten zu betonen. Ich konzentriere mich auf das, was ich beeinflussen kann. Der Bund steht hier nicht zur Wahl. Aber es ist nicht immer ganz so einfach, das zu verdeutlichen.

Der Linken-Parteiflügel um die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht wirft Deutschland vor, einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland zu führen. Ist es das, was Sie mit Ihrer Kritik an „selbstzerstörerischen Diskursen“ meinen?

Ein Mitglied des UN-Sicherheitsrats, nämlich Russland, hat die Ukraine überfallen. Die Ukraine hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Dabei braucht sie die Unterstützung von Partnerinnen und Partnern, sonst ist dieses Recht nichts wert. Und wenn ich dazu stehe, dass ein Krieg nur durch eine Verhandlungslösung beendet werden kann, so wird doch Wladimir Putin nur an den Verhandlungstisch gehen, wenn sich Russland die Ukraine nicht einverleiben kann. Die Genossinnen und Genossen hier im Berliner Landesverband sehen das auch so. Ich bedaure sehr, dass Teile meiner Partei auf Bundesebene immer wieder Zweifel daran lassen, dass wir ganz klar an der Seite des überfallenen Landes stehen. (Interview: Pitt von Bebenburg)

Auch interessant

Kommentare