Erdbeben in der Türkei: Kinder werden offenbar von islamistischer Organisation weggebracht

Beim verheerenden Erdbeben in der Türkei haben viele Kinder ihre Eltern verloren. Dutzende Minderjährige sollen nun in der Hand von islamistischen Organisationen sein.
Istanbul – Das Erdbeben in der Türkei hat offiziellen Angaben zufolge über 41.000 Menschen das Leben gekostet. Viele der Kinder haben dabei ihre Eltern verloren. Der Verbleib vieler Waisen ist offenbar unklar, wie der Journalist Cengiz Mumay auf Twitter berichtet.
Wie der türkische Sender Halk TV zudem berichtet, sollen mindestens 20 Kinder im Istanbuler Stadtteil Beykoz in zwei Villen der Hilfsorganisation IHH (İnsan Hak ve Hürriyetleri İnsani Yardım Vakfı) untergebracht worden sein. Reporter von Halk TV konnten mit einigen der Kinder sprechen, die bestätigten, dass sie von einem Verein von Antakya nach Istanbul gebracht worden seien.
Kinder aus Erdbebengebiet in der Türkei sollten nicht Sekten überlassen werden
Inzwischen hat sich der Rechtsanwaltverein „Çağdaş Hukukcular Dernegi“ (ÇHD) in die Sache eingeschaltet und Strafanzeige gestellt. Die Kinder sollen zwischen Null und vier Jahren sein. „Wenn die Kinder entführt sein sollten, sollte die Täter unverzüglich ermittelt und strafrechtlich belangt werden“, teil der Rechtsanwaltsverein mit – und fordert transparente Informationen über das Schicksal der Kinder von Erdbebenopfern in der Türkei. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Kinder, die unter staatlicher Obhut Schutz stehen sollten, irgendeiner Sekte, Vereinigung oder Stiftung überlassen werden“, teilt die ÇHD mit.
Bislang keine Ermittlungen durch Staatsanwaltschaft in der Türkei ersichtlich
Die Rechtsanwälte teilen zudem mit, dass die Kinder am 10. Februar von einem Augenzeugen beobachtet worden sein. Dieser habe daraufhin den Vorfall der Polizei und Staatsanwaltschaft gemeldet. Beide Behörden sollen allerdings den Augenzeugen beschwichtigt haben. Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft sind bislang nicht ersichtlich.
Inzwischen liegt das Thema auch dem türkischen Parlament vor. Der Oppositionsabgeordnete Zeynel Özen (HDP) hat eine parlamentarische Anfrage an die Familienministerin Derya Yanik (AKP) gestellt. In Istanbul befänden sich mehr als 60 Kinder aus dem Erdbebengebiet in Häusern einer Sekte, heißt es darin. „Hat das Familienministerium irgendwelche Untersuchungen dazu gemacht?“, fragte Yanik. In seiner Anfrage will der Abgeordnete zudem wissen, wie viele Kinder aus dem Erdbebengebiet in der Türkei verschollen sind.
Was ist die IHH?
Die Hilfsorganisation IHH (İnsan Hak ve Hürriyetleri İnsani Yardım Vakfı) gilt als islamistisch und steht der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan nahe. Die Organisation stand vor allem im Jahr 2010 in der Öffentlichkeit, als sie einer der Hauptorganisatoren der sogenannten Gaza-Flotille war. Damals wollten mehrere Schiffe, mit Hilfsgütern beladen, die israelische Seeblockade durchbrechen und in den Gazastreifen gelangen. Die Schiffe wurden von der israelischen Marine gestoppt und bei der Erstürmung des Hauptschiffes „Mavi Marmara“ wurden neun Personen getötet. Der Chef der IHH, Bülent Yildirim, soll sich kurz vor dem Auslaufen der Flotille dazu entschieden haben, aus dem Schiff auszusteigen.
„Sind die Erdbebenkinder in Sicherheit?“
Mit dem Hashtag #DepremÇocuklarGüvendeMi, (übersetzt: sind die Erdbebenkinder in Sicherheit), soll auf das Thema aufmerksam gemacht werden. Die Zahl der Kinder, die ihre Eltern verloren haben, ist lässt sich bislang nicht beziffern. Das liegt vor allem an den abweichenden Opferzahlen. Während die Katastrophenschutzbehörde AFAD von über 42.000 Todesopfern ausgeht, spricht die Opposition von bis zu 280.000 Todesopfern. (Erkan Pehlivan)