Türkei-Wahl könnte wegen Ausnahmezustand abgesagt werden
Die Lage im Erdbebengebiet in der Türkei bleibt unübersichtlich. Erdogan will den Ausnahmezustand ausrufen. Dann kann er auch die Türkei-Wahl am 14. Mai verschieben.
Ankara – Die Lage in dem Erdbebengebiet in der Türkei ist noch immer unübersichtlich. Viele Menschen stecken bei eisigen Temperaturen unter den Trümmern fest. Angehörige und Betroffene bitten um Hilfe, weil keine Rettungskräfte zur Bergung kommen. Und die Kritik an dem Krisenmanagement von Präsident Recep Tayyip Erdogan nimmt immer mehr zu.
Der Abgeordnete der Türkischen Arbeiterpartei TIP, Baris Atay, zeigt sich in einem Video aus Iskenderun bei Atay verärgert über die Lage. „Hier gibt viele eingestürzte Gebäude und drei Arbeitsmaschinen. Die Maschinen haben die Menschen selber organisiert. Sie haben ihre Hoffnung verloren“, erzählt Atay. Weder AFAD (Katastrophenschutz) noch andere Behörden oder Verantwortliche seien vor Ort. „Die Menschen suchen alleine nach ihren Angehörigen“.
Ähnliche Videos haben auch zahlreiche Angeordnete der pro-kurdischen HDP gepostet, die belegen, dass an vielen Stellen des Unglückgebietes keine Rettungskräfte angekommen sind. Die HDP-Abgeordnete Tülay Hatimogullari beklagt, dass die Verantwortlichen ihre Arbeit nur langsam oder gar nicht tun. „Die Menschen unter den Trümmern können wir immer noch retten“, sagte die Abgeordnete in einem Video in Hatay.
Der Erdbebendirektor beim Katastrophenschutz, Orhan Tatar, hatte ebenfalls mit seinen Aussagen bei einer Pressekonferenz für Verärgerung gesorgt. „Wir wissen wo die eingestürzten Gebäude sind und wir haben schon Teams dorthin beordert. Das Gebiet ist groß. 25.000 Rettungskräfte können nicht gleichzeitig überall sein. Derzeit ist alles unter Kontrolle und wir haben alle Stellen erreicht“, sagte Tatar.

Unterdessen müssen Menschen, die Nachrichten aus der Katastrophenregionen schicken, mit Konsequenzen rechnen. „Wir verfolgen diejenigen, die unser Volk mit falschen Nachrichten und Verzerrungen gegeneinander ausspielen wollen“, sagte Erdogan vor den Kameras und ergänzte, man werden mit diesen abrechnen, wenn der Tag gekommen sei.
„Es gibt schon ein Desinformationsgesetz“, sagt der Türkei-Experte und Politikwissenschaftler Prof. Savas Genc im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.Media. Das Kalkül dahinter sei aber ein anderes. „Er erneuert hier seine Drohung an seine Kritiker, um sie einzuschüchtern.“ Mit der Zeit würden die Menschen diese Angst vergessen. Die Erdbebenkatastrophe könnte Erdogan und seine AKP bei der anstehenden Türkei-Wahl am 14. Mai unter Druck setzen. Der türkische Staatschef habe aber einen Trumpf im Ärmel. „Erdogan will den Ausnahmezustand ausrufen. Dann hat er die Möglichkeit, die Wahlen abzusagen und sie um ein Jahr zu verschieben,“ so Genc.
Ob die Wahlen dann tatsächlich stattfinden werden, werde sich in den kommen Wochen zeigen. „Er wird in zwei bis drei Wochen schauen, wie die Stimmung im Land ist. Sollte die Stimmung dann schlecht und seine Umfrageergebnisse niedrig sein, wird er vermutlich die Wahlen am 14. Mai absagen“, fürchtet der Türkeiexperte. (Erkan Pehlivan)