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Epidemie trifft die saudischen Prinzen

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Von: Martin Gehlen

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Die Ausbreitung im Blick: Das Corona-Krisenzentrum in der saudischen Hauptstadt Riad. 	nureldine/afp
Die Ausbreitung im Blick: Das Corona-Krisenzentrum in der saudischen Hauptstadt Riad. © AFP

Die Corona-Seuche erreicht Riad in einer heiklen Phase.

In Saudi-Arabiens Königsfamilie geht die Angst um. Denn das Coronavirus grassiert nun auch in der Machtzentrale der superreichen Wüstenmonarchie. Nach einem Bericht der „New York Times“ sollen sich bisher mehr als 150 Prinzen angesteckt haben, die Hälfte von ihnen liegt im Krankenhaus. In einem kritischen Zustand ist offenbar Faisal bin Bandar bin Abdulaziz Al Saud, der Gouverneur von Riad. König Salman, der als 84-Jähriger länger schon Züge von Demenz zeigt, begab sich nahe der Hafenstadt Dschidda in Palast-Quarantäne auf eine Insel. Sein Sohn Kronprinz Mohammed bin Salman, der de facto Herrscher Saudi-Arabiens, zog sich nach FR-Informationen mit einigen Getreuen und Ministern an einen abgelegenen Küstenteil des Roten Meeres an der Grenze zu Jordanien zurück.

Saudi-Arabien ist im Nahen Osten inzwischen mit über 3400 Fällen nach Iran, Türkei und Israel das Land mit den meisten Corona-Kranken. Gesundheitsminister Tawfiq al-Rabiah warnte kürzlich, man stehe erst am Anfang der Pandemie und die Zahl der Infizierten könnte bis auf 200 000 hochschnellen. Denn wie in allen arabischen Staaten ist auch in Saudi-Arabien die Dunkelziffer offenbar enorm hoch, weil es an Tests fehlt. Nach Informationen des saudischen Whistleblowers Mujtahidd, der seit 2011 immer wieder geheime Details aus den inneren Zirkeln des Königshauses ins Netz stellt, werden seit zwei Wochen in der König-Faisal-Klinik in Riad, die exklusiv der Herrscherfamilie und ausländischen Diplomaten vorbehalten ist, 500 Intensivbetten freigehalten. Auf dem Lande gebe es zudem Tausende Fälle, die nicht in Klinken versorgt würden. Nach Angaben von Ärzten hat sich das Virus auffällig stark unter Migrantenarbeitern verbreitet. Arbeitskräfte aus Asien und anderen arabischen Nationen machen ein Drittel der 33 Millionen Einwohner aus. Sie leben oft dicht gedrängt in Mehrbettzimmern und haben praktisch keinen Zugang zu ärztlicher Versorgung.

Sechs Wochen nach dem ersten Corona-Fall im Land trifft die beginnende Eskalation der Seuche Saudi-Arabien zu einem kritischen Zeitpunkt. In der Königsfamilie tobt ein beispielloser Machtkampf. Anfang März ließ Kronprinz Mohammed bin Salman den einzigen noch lebenden Bruder seines Vaters, Prinz Ahmed bin Abdulaziz, sowie den 2017 entmachteten Kronprinzen und langjährigen Innenminister, Mohammed bin Nayef, verhaften.

In dem fünfjährigen Krieg im Nachbarland Jemen sind die Huthis seit Beginn des Jahres erneut militärisch auf dem Vormarsch. Ende März beschossen sie erstmals seit fünf Monaten wieder Saudi-Arabien mit Raketen. Das Angebot Riads für eine Corona-Feuerpause während der kommenden beiden Wochen lehnten sie als taktisches Manöver ab.

Obendrein ruht der gesamte lukrative Pilgerbetrieb nach Mekka und Medina. Normalerweise spülen die frommen Reisenden jedes Jahr zehn Milliarden Euro in die Kassen der Wüstenmonarchie und sind damit nach dem Rohöl die zweitwichtigste Einnahmequelle. Wahrscheinlich muss Ende Juli erstmals seit mehr als 200 Jahren auch der Hadsch ausfallen. Hadsch-Minister Mohammed Saleh bin Taher Banten rief alle Gläubigen auf, vorerst keine Vorbereitungen für die Pilgerfahrt zu treffen. Die Muslime müssten jetzt geduldig sein, „bis wir klare Sicht haben“. Die letzte Absage des islamischen Welttreffens – so ermittelte jetzt die König-Abdulaziz-Forschungsstiftung Darah – war im Jahre 1798, ausgelöst durch den Einmarsch Napoleons in Ägypten.

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