Energiewende mit Steinkohle: Hier ist das kein Widerspruch

Thungela Resources ist eine Erfolgsgeschichte an der Börse Johannesburg. Lange Jahre ging der Aktienkurs raketenhaft in die Höhe, obwohl europäische Investmentfonds die Aktie nicht kaufen dürfen.
Denn Thungela fördert Steinkohle. Die im Westen verpönte Energiequelle bietet Afrika allerdings große Entwicklungschancen.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 02. Mai 2023.
Die Geschichte von Thungela Resources begann vor ziemlich genau zwei Jahren: Der Bergbaukonzern Anglo American wollte seine Beliebtheit bei Investoren steigern, die auf Nachhaltigkeitskriterien achten, und hat deshalb die Förderung von Steinkohle in Südafrika ausgegliedert.
So entstand Thungela Resources, ein Unternehmen, das im Juni 2021 an die Börse Johannesburg ging und eine unglaubliche Börsengeschichte schrieb: Der Aktienkurs ging in den ersten 15 Monaten um sagenhafte 1460 Prozent in die Höhe. Seitdem ist die Notierung zwar wieder um 55 Prozent abgestürzt. Doch Anleger des ersten Börsentags verzeichnen immer noch eine Wertsteigerung von 667 Prozent in weniger als zwei Jahren.
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Dabei ist das Unternehmen eine Aktie mit Gewicht: Die Marktkapitalisierung liegt bei 1,2 Milliarden Euro. Bei einem Umsatz von gut 1,6 Milliarden Euro schafft Thungela einen Netto-Gewinn von 198 Millionen Euro und erreicht eine Dividendenrendite von gut 30 Prozent.
Bei europäischen Investoren kaum bekannt
Solche Aktien müssen Anleger an den europäischen Aktienmärkten lange suchen. Eine südafrikanische Fondsmanagerin, die in Frankfurt Aktien aus Schwellenländern verwaltet, haben wir nach Thungela gefragt. Sie kannte die Aktie kaum. Denn europäische Investoren können in Steinkohle kaum noch investieren. Der Grund: Finanzinvestoren müssen in der EU immer restriktivere Nachhaltigkeitskriterien einhalten.
So schreibt die Europäische Union in der Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente vor, dass Fondsgesellschaften Informationen über die Risiken ihrer Produkte in Bezug auf Umwelt, Gesellschaft und Governance (ESG) nennen müssen. Außerdem müssen sie erklären, wie sich ihre Investments auf Umwelt und die Gesellschaft auswirken.
Zu diesem Zweck müssen Fondsgesellschaften seit März 2021 ihre Fonds nach deren Nachhaltigkeitszielen nach Artikel 8 oder Artikel 9 einstufen. Nur wenige Fondsmanager unterwerfen sich dem schärferen Artikel 9, da diese Fonds ein nachhaltiges Anlageziel und eine positive Wirkung nach ESG-Kriterien anstreben müssen. Für einen Fonds nach Artikel 8 genügt es, wenn er ein nachhaltiges Ziel verfolgt.
Investments in fossile Energie verhindert
Die Offenlegungsverordnung der EU macht es Fondsinvestoren praktisch unmöglich, in fossile Energie oder in den Bergbau zu investieren. Dabei ist der Einsatz von Steinkohle in Afrika weit weniger umstritten als in Europa. Kohle ist zudem eine Energiequelle, die günstig und unkompliziert nach Bedarf verfügbar ist.
Außerdem bietet sie einen weiteren Vorteil: Energie wird in Afrika nicht nur zur Stromerzeugung benötigt, sondern auch zum Kochen. Steinkohle kann somit Holzkohle ersetzen, die eine wesentlich schlechtere Nachhaltigkeitsbilanz aufweist. In Afrika kann Steinkohle, anders als in Europa, für den Übergang durchaus einen positiven Beitrag zur Energiewende leisten.
Somit strafen europäische Nachhaltigkeitspolitiker Unternehmen wie Thungela Resources oder Exxaro, den anderen börsennotierten Steinkohleförderer in Südafrika, ab und erschweren, ungeachtet lokaler Gegebenheiten, ein Investment in die Energiewende in Afrika. Kurioserweise – und das bleibt in Südafrika nicht unbemerkt – importiert Deutschland Steinkohle auch aus Südafrika für die Kohlekraftwerke, die in Deutschland weiterhin in Betrieb sind.
Strikte Nachhaltigkeitspolitik
Thungela selbst stellt Nachhaltigkeit stark in den Vordergrund. So achtet die Führung unter CEO July Ndlovu auf einen schonenden Umgang mit Wasserressourcen, ein modernes Abfallmanagement und eine Senkung der Kohlenstoffemissionen nach dem GHG-Protokoll (greenhouse gas) und gemäß der ISO-Norm 14064-1. In einem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht Thungela akribisch seine Aktivitäten im Hinblick auf eine bessere Umwelt, die Förderung dörflicher Gemeinschaften, die Einhaltung des Broad-Based Black Economic Empowerment (B-BEE) und faire Arbeitsbedingungen. Der Nachhaltigkeitsbericht 2022 umfasst 128 Seiten. Überprüfen lässt Thungela sein Nachhaltigkeitsengagement extern von der Beratungsgesellschaft Ibis Environmental Social Governance Consulting.
Dass europäische Investoren Investments in Thungela meiden, hat dem Interesse an der Aktie bisher nicht geschadet. Sie findet sich in den Portfolios zahlreicher Investoren aus Südafrika, Fondsgesellschaften und Lebensversicherer sowie in den Depots ausländischer Investoren, die mehr und mehr aus der arabischen Welt und Ostasien kommen. (Christian von Hiller)