Robert Habeck: Deutschland droht Klimaziel auch 2030 deutlich zu verfehlen
Der neue Klimaschutzminister Robert Habeck will zur Amtsübernahme Bilanz ziehen, wo Deutschland steht – und was noch passieren muss.
Update von Dienstag, 11.01.2022, 13.50 Uhr: Ohne weitreichende Gegenmaßnahmen geht Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) davon aus, dass Deutschland seine Klimaziele auch noch 2030 deutlich verfehlt. „Wenn wir den Pfad der bisherigen Maßnahmen fortschreiben, werden wir im Jahr 2030 die Zielverfehlung noch deutlicher sehen“, sagte Habeck in einer Pressekonferenz zum Stand des Klimaschutzes.
Gehe es so weiter wie bisher, dann werde Deutschland Ende des Jahrzehnts seine klimaschädlichen Treibhausgase lediglich um 50 Prozent anstelle der angestrebten 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert haben, sagte Habeck. „Das ist in Zahlen ausgedrückt 200 Millionen Tonnen zu viel.“ Schon die „Corona-Sondereffekte“ hätten in diesem Jahr nicht gewirkt. Auch 2021 werde Deutschland sein Reduktionsziel „deutlich verfehlen“ und laut Prognosen sogar einen Anstieg der Emissionen um vier Prozent verzeichnen.
Der Minister bilanzierte „einen gehörigen Rückstand“ auf allen Ebenen beim Klimaschutz. Das Land müsse die Anstrengungen „in allen Bereichen“ verdreifachen und den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. In den vergangenen Jahren sei hier viel zu wenig geschehen, vor allem bei der Windenergie. „Wir haben es geschafft, in Deutschland in den letzten 30 Jahren die erneuerbaren Energien zu einem Anteil von 42 Prozent der Stromversorgung zu bringen“, sagte Habeck. Dieser Anteil solle bis 2030 auf 80 Prozent steigen. Deutschland habe jetzt nur noch acht Jahre Zeit dafür.
Energiewende: Robert Habeck stellt ambitionierte Pläne vor
Erstmeldung von Dienstag, 11.01.2022, 12.00 Uhr: Berlin – Die Energiewende, ein Thema, das Deutschland bereits seit geraumer Zeit beschäftigt, kommt nach Darstellung der Bundesregierung zu langsam voran. Zur Amtsübernahme möchte der neue Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag (11.01.2022) in Berlin den Stand der Fortschritte vorstellen. Im Vorfeld dessen kommt aus der SPD der Vorschlag, die anstehenden gesamtgesellschaftlichen Umwälzungen mittels einer Energiewende-Kommission zu bewältigen.
„Die Energiewende ist ein gewaltiges Transformationsprojekt. Für ihr Gelingen ist nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Akzeptanz von größter Bedeutung“, sagte Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies der Wirtschaftswoche. „Nach dem Vorbild der Kohlekommission sollten Bund und Länder deshalb mit allen betroffenen Interessensgruppen eine hochrangig besetzte Energiewende-Kommission einberufen.“

Habeck: Deutschland mit „drastischem Rückstand“ – Klimaziele 2022 werden nicht erreicht
Wenn es vorankommen wolle, brauche das Land Geschlossenheit in dieser Frage. „Das Gremium soll in den kommenden drei bis vier Monaten ebenso zügig wie verbindlich Konsens über die Ziele und die notwendigen Schritte hin zur Klimaneutralität herstellen“, sagte Lies weiter.
Habecks „Eröffnungsbilanz“ zeigt, wie sehr der Klimaschutz in Deutschland hinter den Erwartungen liegt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Bundesministerium erfahren hatte. Aller Voraussicht nach werden die Klimaziele für das Jahr 2022 verfehlt, auch für 2023 werde es schwer. Im Ministerium ist von einem „drastischen Rückstand“ die Rede.
Grüne: Die „Solarpflicht auf neuen Gebäuden“ soll gesetzlich verankert werden
Nun will Minister Habeck umfassende Sofortmaßnahmen auf den Weg bringen. Die Weichen sollen auf mehr Solaranlagen gestellt werden und die Ausschreibungsmengen für erneuerbaren Strom aus Wind und Sonne soll erhöht werden. Wie es im Ministerium heißt, soll eine „Solarpflicht auf neuen Gebäuden“ gesetzlich verankert werden. Aus dem Koalitionsvertrag lässt sich hierzu entnehmen: bei gewerblichen Neubauten solle eine Solaranlage bei geeigneten Dachflächen verpflichtend sein, bei privaten Neubauten solle es „die Regel“ werden.
Erwartungsgemäß ist die FDP geneigt hierbei etwas zu bremsen. „Eine Pflicht für Eigenheime und Mehrfamilienhäuser sehe ich sehr skeptisch“, sagte Fraktionsvize Lukas Köhler der Augsburger Allgemeinen (Dienstag). Unterstützung signalisierte er hingegen für eine Umsetzung bei Gewerbebauten.
Verbraucherzentralen fordern sozialen Ausgleich: Energiewende so „bürgernäher und gerechter“
Auf eine bessere Einbindung von Privathaushalten drängen die Verbraucherzentralen. Sofern Verbraucherinnen und Verbraucher Solaranlagen wirtschaftlich betreiben könnten, es bessere Mieterstromangebote gebe und Anwohner von Wind- und Solarparks von günstigem Strom profitierten, „dann wird die Energiewende nicht nur wahrscheinlicher, sondern auch bürgernäher und gerechter“, sagte Klaus Müller, Vorstand des Verbands VZBV, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Des Weiteren forderte er auch weitergehende Maßnahmen zum sozialen Ausgleich: „Dafür muss das angekündigte Klimageld in Form einer Pro-Kopf-Pauschale kurzfristig eingeführt werden, von dem insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen profitieren würden.“

Klimaforscher fordert „Habeck muss (…) Einnahmen aus dem CO2-Preis zurück verteilen“
Der Klimaforscher und Leiter des NewClimate Instituts, Niklas Höhne, forderte schnell wirkende Klimaschutzmaßnahmen, sagte der Düsseldorfer der Rheinischen Post (Dienstag) aber auch: „Habeck muss zudem einen Vorschlag machen, wie das Versprechen eingehalten werden soll, die Einnahmen aus dem CO2-Preis sozialverträglich zurück zu verteilen.“ (Lukas Zigo/dpa)