Ende der Atomkraft-Ära: Deutschland nimmt Abschied von den letzten AKWs
Nach mehr als 60 Jahren endet in Deutschland die Produktion von Atomstrom. Die letzten drei Meiler gehen vom Netz. Kritik am Ausstieg hält aber an.
Berlin – Vor rund 62 Jahren ging das erste kommerzielle Atomkraftwerk in Deutschland in Betrieb – am heutigen Samstag (15. April) soll jetzt auch mit den letzten drei verbliebenen Meilern Schluss sein. Doch auch wenn das Zeitalter der Atomkraft hierzulande endet, schwelt die Debatte wenige Stunden vor Abschaltung der Kraftwerke weiter.
Eigentlich hätten die AKWs schon Ende vergangenen Jahres vom Netz gehen sollen. Das hatte die Koalition aus CDU/CSU und FDP einst als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossen. Wegen des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Energiekrise entschied die Ampel-Koalition im vergangenen Jahr jedoch, die drei Meiler über den Winter weiterlaufen zu lassen.
Die Abschaltung des letzten Werks wird kurz vor Mitternacht erwartet – welcher der Meiler Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg der letzte sein wird, ist noch unklar. Gegnerinnen und Gegner der Kernkraft kündigten bereits an, das Ende in mehreren Städten mit Kundgebungen zu begleiten.

FDP klagt über Atomausstieg – und hofft auf künftigen Weiterbetrieb
Obwohl der Ausstieg kurz bevorsteht, ist die politische Debatte um einen Weiterbetrieb der Meiler noch nicht vorbei. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte, die Technologie nicht völlig aufzugeben. „Die Kernenergie muss auch nach dem Ausstieg eine Zukunft in Deutschland haben“, sagte er. „Dazu gehört, dass wir die Forschung auf dem Gebiet der Kernfusion ausweiten und die Chancen neuer und sicherer Technologien der Kernspaltung nutzen.“
Wenn es nach dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner ginge, sollten die drei Kernkraftwerke in der Reserve belassen und nicht zurückgebaut werden. „Wenn wir sie in den nächsten zwei, drei Jahren ans Netz bringen müssten, hätten wir diese Chance“, sagte der Finanzminister am Freitagabend (14. April) dem Fernsehsender Welt. Doch das scheitere an Koalitionspartnern von den Grünen.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte am Freitagabend im Interview der ARD-„Tagesthemen“, er glaube an eine Neuauflage der Kernenergie. „Wir spüren diese große Energiekrise, wir brauchen jedes Fitzelchen Energie“, sagte der CSU-Vorsitzende.
Grüne gegen Weiterbetrieb der AKWs: „Möchte ich Putin nicht gönnen“
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein forderte mehr Forschung an neuen Technologien. „Der Ukraine-Krieg und die Energiekrise zeigen uns, dass wir uns breit aufstellen müssen. Wir müssen besonders angesichts des Atomausstiegs technologieoffen Forschung fördern. Nicht nur aussteigen, sondern auch mal einsteigen“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Erleichtert blickt dagegen Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auf das anstehende Ende der Kernenergie. „Der Atomausstieg macht Deutschland sicherer“, sagte sie. Die Risiken der Atomkraft seien „im Falle eines Unfalles letztlich unbeherrschbar“.
Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, bei einem Weiterbetrieb der AKWs bestehe die Gefahr, sich in eine erneute Abhängigkeit von Russland zu begeben. Die FDP müsse die Frage beantworten, ob sie „das Uran dann wieder aus Russland holen“ wolle. „Wir haben uns gerade beim Gas aus der Abhängigkeit befreit. Dieses Geschäft möchte ich Putin nicht gönnen“, sagte Trittin.
Abschaltung der Kernkraftwerke: Mehrheit der Deutschen gegen Atomausstieg
Mit der Abschaltung der drei Meiler fängt die eigentliche Arbeit am Atomausstieg erst an. „Wir haben etwa drei Generationen lang Atomkraft genutzt in unserem Land und dabei Abfälle produziert, die noch für 30.000 Generationen gefährlich bleiben. Diese Verantwortung übergeben wir an unsere Enkel, Urenkel und noch viele weitere Generationen“, sagte Lemke mit Blick auf die anstehenden Aufgaben. Insgesamt müssen noch mehr als 30 Meiler in Deutschland zurückgebaut werden.
Wenn mit den Abbautätigkeiten begonnen werden kann, werden zuerst die Brennelemente aus dem Reaktordruckbehälter entfernt und in das benachbarte Lagerbecken überführt. Mit der Zeit werden dann etwa die nuklearen Systeme dekontaminiert, Hauptkühlmittelleitungen demontiert und die Einbauten des Reaktordruckbehälters zerlegt. Alles in allem soll der nukleare Rückbau in 10 bis 15 Jahren abgeschlossen sein.
Eine Mehrheit der Deutschen steht dem geplanten Atomausstieg laut Umfragen kritisch gegenüber. Deutlich mehr als die Hälfte (59 Prozent) hält die Entscheidung der Politik für falsch, lediglich rund ein Drittel (34 Prozent) für richtig, hatte die Befragung Deutschlandtrend für das ARD-„Morgenmagazin“ ergeben. (nak/dpa)