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Macron leitet Zeitenwende in Afrika-Politik ein

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Von: Stefan Brändle

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Während der Pandemie 2020 war französische Hilfe in Afrika (im Bild in Libreville in Gabun) noch hochwillkommen. STEEVE JORDAN/AFP
Während der Pandemie 2020 war französische Hilfe in Afrika (im Bild in Libreville in Gabun) noch hochwillkommen. STEEVE JORDAN/AFP © Steeve Jordan/afp

Frankreichs Präsident Macron bietet den afrikanischen Ex-Kolonien eine neue – emanzipierte – Partnerschaft an. Nicht zuletzt wegen Moskaus Offensiven dort.

Bevor Emmanuel Macron an diesem Mittwoch für mehrere Tage nach Zentralafrika verreiste, bot er den früheren Kolonien Frankreichs eine „gleichberechtigte Kooperation“ an. „Arroganz“ und postkoloniales Denken sollten engen Beziehungen im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich weichen, postulierte der französische Präsident. Frankreich reduziere den Bestand seiner Armeebasen in Afrika und verwandle sie in Militärakademien, wo einheimische Soldaten dann ausgebildet würden.

Ganz freiwillig ist diese französische Zeitenwende in Afrika nicht: Die französischen Militärmissionen wurden in den vergangenen Monaten unsanft aus den frankophonen Sahelstaaten Mali und Burkina Faso geworfen; an ihre Stelle tritt nun die russische Söldnerfirma „Wagner“. In West- und Zentralafrika skandieren Menschenmengen antifranzösische Parolen und schwingen russische Fahnen. Vereinzelt greifen Mobs auch französische Botschaften an, wobei unklar bleibt, ob dies aus eigenem Antrieb oder durch antreibende Mithilfe Moskaus geschieht.

Frankreich reagierte zuerst ungläubig, dann reichlich verschnupft. Nun setzt das Umdenken ein: In seiner Grundsatzrede vorm Abflug betonte Macron immer wieder die „tiefe Demut“ und „Bescheidenheit“ Frankreichs gegenüber Afrika. Im Sommer 2022 noch hatte der Präsident die Ex-Kolonien der „Heuchelei“ bezichtigt, weil sie die russische Invasion der Ukraine nicht als solche bezeichnen und damit verurteilen wollten.

Bei der Münchener Sicherheitskonferenz gab Macron dann zu, er sei „verblüfft, wie wir das Vertrauen des Südens verloren haben“. Mit „wir“ meinte er neben Frankreich allerdings auch den ganzen Westen. Abfinden will er sich damit offensichtlich nicht und gelobt, seine neue Afrikapolitik auf der Tournee durch vier Staaten auch gleich in die Tat umzusetzen. Die Reise wirkt an sich schon wie ein Echo auf den jüngsten Afrika-Trip des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der in Südafrika sogar gemeinsame Militärmanöver mit Südafrika veranlasste. Und so undiplomatisch wie der Moskauer Chefdiplomat kann Macron auch sein: Putins „Wagner“-Truppe bestehe aus „kriminellen Söldnern, die mehreren Putschregimes als Lebensversicherung dienen“, sagte er; sie raubten Rohstoffe und vergewaltigten Frauen. Dem Kreml wirft er vor, mit „Manipulationen und Propaganda“ antiwestliche Ressentiments in afrikanischen Ländern zu schüren.

Macron besucht von Mittwoch an drei frankophone Länder sowie das früher portugiesische Angola, das reich an fossilen Energien ist. Über deren Lieferung an den Westen will er dort sprechen. Doch er angolanische Staatschef João Lourenço hatte einst in Moskau studiert und steht noch heute der nationalen Volksbefreiungsbewegung MPLA nahe. Zu Sowjetzeiten hatte die gegen die proamerikanische Unita gekämpft. Jetzt spielt Lourenço geschickt Ost und West gegeneinander aus.

In Gabun nimmt der Franzose an einem Treffen zum Schutz der Regenwälder im Kongobecken teil. Umweltorganisationen werfen Macron aber vor, er suche dort vor allem die massiven französischen Erdölinteressen zu sichern. Außerdem stütze er mit seinem Besuch Gabuns Präsidenten Ali Bongo vor dessen Wiederwahl im August. Trotz schöner Worte verschließe er die Augen vor den Korruptionsvorwürfen gegen die seit 1967 herrschende Bongo-Dynastie.

Ähnlichen Vorwürfen sieht sich Macron vor seinem Treffen mit dem Denis Sassou Nguesso, Präsident der ex-französischen Kolonie Kongo-Brazzaville (oder auch Republik Kongo) ausgesetzt. Der seit 1979 fast ohne Unterbrechung regierende Nguesso gilt als ein Exponent der „Françafrique“, das heißt, des postkolonialen Filzes zwischen Paris und den Eliten seiner einstigen Kolonien. Am Montag hat Macron die Françafrique als „passé“ bezeichnet.

Auch in Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (RDC), wartet Kritik: Paris unterstütze – vielleicht auch aus Schuldgefühlen wegen unterlassener Hilfe gegen den Völkermord von 1994 – die Regierung von Ruanda, die mit Mördermilizen verdeckt auf dem Staatsgebiet der RDC wüte. In Paris wurde Macron von einem kongolesischen Journalisten gefragt, wie er das Staatsgebiet der Ukraine verteidigen könne – aber zugleich zulasse, dass Ruanda ungestraft auf RDC-Gebiet vordringe.

Macron erwiderte, er verurteile jede Verletzung von Staatsgrenzen – egal wo. In Afrikas sozialen Medien drücken aber viele das Gefühl aus, dass die „neue Demut“ Frankreichs etwas zu berechnend klinge, um wirklich als Basis für eine neue Partnerschaft mit Afrika zu dienen. Russlands Lawrow brauchte sich auf seiner Afrika-Tournee gar nicht erst in wohlgemeinten Erläuterungen zu ergehen: Von Putin erwartet man im Kongo und anderswo keine Moralpredigten, wie Macron sie anstimmt. Welche Partner Afrika auf lange Sicht mehr nützen, bleibt dabei freilich offen.

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