Emissionsziel wird knapp erreicht

Das Umweltbundesamt sieht einen „Teilerfolg“, aber auch Bedarf für stärkere Reduktion
Einen „Teilerfolg“ nannte Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), am Mittwoch die Emissionsbilanz für Deutschland im Jahr 2022, als er die Daten dazu präsentierte. Um 1,9 Prozent sind demnach die CO 2-Emissionen im Land gegenüber dem Vorjahr gesunken. In absoluten Zahlen emittierte Deutschland im letzten Jahr laut UBA rund 746 Millionen Tonnen Treibhausgase, umgerechnet in CO 2-Äquivalente. Das sind 15 Millionen Tonnen weniger als noch 2021.
Messner sagte im gleichen Atemzug aber auch, Deutschland müsse ab sofort jährlich seine Emissionen um sechs Prozent verringern, also um das Dreifache der aktuellen Reduktion, um bis 2030 seine Klimaziele einzuhalten.
Eine Beschleunigung ums Dreifache ist bekanntlich auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien nötig. Bereits 2022 stieg die erneuerbare Stromerzeugung um neun Prozent und dämpfte so laut UBA die Mehremissionen, die aus dem Ersatz russischen Erdgases durch Kohle resultierten. Bei der Photovoltaik ging dieser Effekt auf einen starken Ausbau von mehr als 7.000 Megawatt zurück, bei Windkraft an Land vor allem auf ein relativ gutes Windjahr.
Dennoch verzeichnete der Energiesektor 2022 ein CO 2-Plus von rund zehn Millionen Tonnen, das gesetzliche Budget wurde dennoch knapp eingehalten. „Das Zugpferd der deutschen Klimapolitik ist durch die kriegsbedingte Krisenpolitik außer Tritt geraten“, bewertete Messner diese Entwicklung. Man müsse hier wieder auf einen Reduktionspfad kommen. „Im Energiebereich haben wir einen Plan, aber das Tempo stimmt noch nicht“, sagte Messner
Klima-Problem Verkehrspolitik
Anders sieht der UBA-Präsident das für den Verkehr. Der Bereich übertraf seine gesetzlich vorgegebene Emissionsobergrenze um neun Millionen Tonnen. Als Gründe nennt Messner die nach Einschränkungen durch Corona wieder gestiegene Mobilität. Dies wurde auch durch hohe Kraftstoff-Preise nicht ausgebremst. Der Verkehr sei der einzige Bereich, in dem die Emissionen gegenüber 2021 gestiegen sind und der sein Klimaziel verfehlt. Daran konnte auch ein Zulassungsrekord bei E-Autos nichts ändern. „Für den Verkehr braucht Deutschland erst einmal dringend einen Plan, wie dort die Klimavorgaben eingehalten werden können“, machte Messner klar.
Neben dem Verkehrsminister wird auch die Bauministerin Mitte dieses Jahres eines der schon gewohnten Klima-Sofortprogramme vorlegen müssen. Zwar sanken die Emissionen im Gebäudesektor 2022 laut UBA um sechs Millionen Tonnen, dennoch wurde das Budget wie schon im Vorjahr um fünf Millionen Tonnen überzogen.
Die erzielte Einsparung in Gebäuden resultiert laut den Angaben vor allem aus der Wirkung gestiegener Energiepreise, unterstützt durch milde Witterung. Die privaten Haushalte hätten dabei letztes Jahr ihren Gasverbrauch um etwa zwölf Prozent verringert.
Letztlich sorgte 2022 vor allem die Industrie dafür, dass Deutschland sein Klimaziel einhalten konnte. Sie senkte ihre Emissionen um rund zehn Prozent oder 19 Millionen Tonnen. „Der Klimaschutz ist eine Art Krisengewinnler in Bezug auf die Industrie“, brachte Messner die Sache auf den Punkt. Zum einen sei auch dort viel Gas gespart worden, erläuterte er. Zum anderen habe es Produktionsrückgänge gegeben, so bei der Stahlerzeugung und bei Ammoniak.
Auch Industrie braucht mehr Transformation zum Klimaschutz
Das sei allerdings nicht die Art von Klimaschutz, die man sich für Deutschland vorstelle, betonte der UBA-Präsident. „Wir wollen die Industrie nicht stilllegen, sondern wir wollen sie transformieren.“ Den größten Einbruch erlebte die Industrie dabei in den letzten beiden Monaten November und Dezember 2022. Dieser Umstand fand auch keinen Eingang mehr in die CO 2-Bilanz, die der Thinktank „Agora Energiewende“ schon zu Jahresbeginn vorgelegt hatte. Das räumte dessen Direktor Simon Müller am Mittwoch ein.
„Agora Energiewende“ hatte deswegen die Industrie-Emissionen mit 173 Millionen Tonnen CO 2für 2022 höher veranschlagt. Das UBA kommt hier aufgrund der deutlich späteren Bilanzierung „nur“ auf 164 Millionen Tonnen, Wegen dieser Diskrepanz hatte Agora prognostiziert, Deutschland würde 2022 mit 761 Millionen Tonnen das Gesamtziel des Klimaschutzgesetzes überziehen. Das UBA hingegen kommt zu dem Ergebnis, die gesetzliche Klima-Vorgabe sei eingehalten worden.
Für Agora-Direktor Müller tritt Deutschland bei der CO 2-Reduktion dennoch auf der Stelle. Der jetzige leichte Emissionsrückgang sei nicht auf wirkliche Klimaschutz-Anstrengungen zurückzuführen. Für den Thinktank hat 2022 auch gezeigt, dass es keine Spielräume gibt, um Mehremissionen zwischen den verschiedenen Sektoren von Energie bis Landwirtschaft auszugleichen. „Die Klimaziele erreichen wir nur, wenn die Hebel in allen Sektoren umgelegt werden“, sagt Simon Müller.