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Eklat um Theologen-Papier im "Stil der Fatah und Hamas"

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Von: Simon Berninger

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Der ordinierte Theologe Rainer Stuhlmann im christlichen Dorf Nes Ammim, das er bis 2016 leitete.
Der ordinierte Theologe Rainer Stuhlmann im christlichen Dorf Nes Ammim, das er bis 2016 leitete. © epd

Ein Theologe sorgt in einer Israel-Schrift der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) für so viel Wirbel, dass der Landesverband Jüdischer Gemeinden eine Reise mit der Kirche nach Israel kurzfristig absagt.

Eine „Arbeitshilfe“ unter dem Titel „70 Jahre Staat Israel“ sorgt für Wirbel in der evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Darin schreibt der Theologe und Ruhestands-Pfarrer Rainer Stuhlmann, für die Juden habe die Staatsgründung Israels Schutz, Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden gebracht. Für die Palästinenser sei die Gründung des israelischen Staates hingegen „ein Grund zur Trauer“, weil sie ihnen „Vertreibung, Zerstörung, Zwang und Unrecht“ gebracht habe.

Auch mit der israelischen Siedlungspolitik auf palästinensischem Boden geht Stuhlmann ins Gericht: „In den letzten Jahren hat die militärische Überlegenheit Israel dazu verführt, brutal seine Interessen gegenüber Palästina durchzusetzen. Mit einer aggressiven Siedlungspolitik werden Fakten geschaffen, die die Spielräume Palästinas immer mehr einengen.“

„Propaganda-Stil der Fatah und der Hamas“

Der Vorstand des Landesverbands jüdischer Gemeinden nahm an Stuhlmanns zweiseitigem Essay heftigen Anstoß, wirft ihm eine „Verunglimpfung des Staates Israel als brutale Besatzungsmacht und die Unterschlagung historischer Fakten“ vor. Zur 70-Jahr-Feier auf die Lebenslage der Palästinenser „als direktes Resultat der Staatsgründung Israels“ zu verweisen stelle laut dem Vorsitzenden des Landesverbandes, Oded Horowitz, das Existenzrecht Israels in Frage und hinterlasse „einen faden Beigeschmack antizionistischer Stereotype“.

Auch in den Meinungsspalten der Medien stößt der Essay auf Kritik. Der Chefredakteur der „Westdeutschen Zeitung“, Uli Tückmantel, spricht von „einseitigen Schuldzuweisungen gegen Israel im Propaganda-Stil der Fatah und der Hamas“. Auf dem Online-Portal Ruhrbarone wirft Kommentator Ulrich W. Sahm Stuhlmann „Geschichtsklitterung“ vor. Seine Argumente stammten „aus dem klassischen Repertoire palästinensischer Propaganda zur Delegitimierung Israels und der Juden“.

Nachdem der Wirbel um die Arbeitshilfe nicht abriss, sagte der Landesverband der jüdischen Gemeinden am Dienstag schließlich auch eine gemeinsame Reise mit der EKiR nach Israel ab. Religionsvertreter aus den jüdischen Gemeinden und der evangelischen Kirche wollten ursprünglich am Donnerstag nach Israel fliegen. Die Reise sollte den gemeinsamen Bemühungen dienen, den Dialog zwischen Christen und Juden in Deutschland zu verbessern sowie diesen zu einem besseren Verständnis für beide Seiten zu nutzen.

Unter anderem sah das Reiseprogramm auch einen Besuch im nach Nes Ammim vor – eine christliche Siedlung zwischen Haifa und der libanesischen Grenze, die 1963 als „Ort des gegenseitigen Kennenlernens, der Verständigung und der praktischen Solidarität“ mit Juden wie Arabern gegründet wurde. Kein anderer als Rainer Stuhlmann selbst leitete Nes Ammim von 2011 bis 2006.

Auch Kirchenspitzen reisen nicht nach Israel

Auch die Mitglieder der Kirchenleitung, die ihre Teilnahme an der Reise zugesagt hatten, werden nach der Absage des Landesverbandes jüdischer Gemeinden nicht nach Israel reisen. „Da das Anliegen“, wie es in einer Mittelung hieß, „die Begegnung mit dem Landesverband und das gemeinsame Feiern des Jubiläums der israelischen Staatsgründung durch den überraschenden Rückzug des Landesverbandes hinfällig geworden ist“.

Dennoch verteidigte Präses Manfred Rekowski Stuhlmanns Essay: „Eine Distanzierung konnte es nicht geben, denn in der Sache sehe ich dazu keine Notwendigkeit“, sagte Rekowski der „Rheinischen Post“. „Für uns ist wichtig, auch die Seite der Palästinenser zu betrachten. Wir stehen da zwischen den Stühlen, und das ist schwer, aber an dieser Stelle dürfen wir es uns nicht einfach machen.“

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