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Eingebaute Emissionen

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Von: Joachim Wille

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Holz als Baustoff soll dazu beitragen, den Klimaeinfluss des Bausektros zu vermindern. Statt energieintensiv hergestellt werden zu müssen, speichert es Kohlenstoffdioxid.
Holz als Baustoff soll dazu beitragen, den Klimaeinfluss des Bausektros zu vermindern. Statt energieintensiv hergestellt werden zu müssen, speichert es Kohlenstoffdioxid. © dpa

Das Umweltbundesamt sieht Immobilien als eine Großbaustelle für den Klimaschutz. Auflagen für den Sektor sollen dabei der Bundesregierung zufolge aber keine sozialen Probleme verschärfen

Der große Umbau muss schneller gehen, denn es bleiben nur noch etwas mehr als 20 Jahre: Der Bereich Gebäude, bekanntermaßen neben dem Verkehr der größte CO2- und Ressourcensünder, muss, wie alle anderen Sektoren, bis 2045 klimaneutral werden. So schreibt es das Klimaschutzgesetz vor, das der Bundestag 2021 verschärft hat. Ein Hindernis auf diesem Weg ist die energetische Sanierung von Altgebäuden, die bisher zu langsam verläuft. Aber auch die Schaffung (benötigter) neuer Wohnungen schafft Klimaprobleme, denn sie erfordert zusätzliche Energie und Rohstoffe – wenn in der Baupolitik und Industrie nicht radikal umgedacht wird. Teile der Lösung: Adaption des Gebäudebestands statt Neubauten auf grüner Wiese und mehr Bauen mit klimaverträglichen Materialien wie Holz statt mit Steinen, Beton und Stahl.

Die Ampel-Koalition hat ein Ziel von 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr ausgegeben. 2022 wurden jedoch nur rund 280 000 gebaut, 2023 dürften es gut 240 000 sein. Aus Klimaperspektive könnte man das positiv sehen. Aber trotzdem wächst der „Öko-Fußabdruck“ des Sektors weiter, nur etwas weniger stark. Und der unverminderte Druck auf den Wohnungsmarkt führt zu noch höheren Mieten und verschärft so soziale Probleme.

Wie aber lassen sich mehr bezahlbare Wohnungen schaffen, ohne dabei Umwelt und Klima unnötig zu schaden? Die wichtigste Stellschraube hierfür ist, den vorhandenen Gebäudebestand wo immer möglich zu erhalten oder sinnvoll umzubauen und umzunutzen. Das jedenfalls hat die „Kommission Nachhaltiges Bauen“, die am Umweltbundesamt (UBA) angesiedelt ist, in einem aktuellen Positionspapier festgehalten. Damit ließen sich CO2-Emissionen und unnötig hohe Rohstoffverbräuche am einfachsten vermeiden. UBA-Präsident Dirk Messner warnt, ohne diese Umorientierung würden „wir unsere Klima- und Ressourcenschutzziele im Gebäudesektor krachend verfehlen“. Die Vorschläge der Kommission wurden jetzt an Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) überreicht.

Lemke begrüßte die Vorschläge. „Vielen Menschen im Land ist noch nicht klar, was für eine große Aufgabe vor uns liegt“, sagte sie und meinte damit unter anderem die Senkung des Flächenverbrauchs. Neuer Wohnraum solle in erster Linie in Innenstädten und auf Siedlungsbrachen entstehen, statt Flächen neu zu versiegeln, so Lemke. Zudem sollten Solardächer und Fassadenbegrünungen zur Regel werden, um Energie zu gewinnen und im Mikroklima die Sommertemperaturen in den Städten zu senken.

Ergänzt werden müssten solche Bemühungen in der Stadtplanung mit einem Fokus auf kompaktes Bauen, gesundes Stadtgrün und nachhaltige Mobilität, macht der Co-Chef der UBA-Kommission und Leiter des Stadtplanungsamtes von Magdeburg, Matthias Lerm, deutlich. „Wenn heutige Parkplatzhöfe wieder zu Hausgärten werden, muss dies einhergehen mit passenden Mobilitätsalternativen, also einem erweiterten ÖPNV- und Sharing-Angebot sowie zusätzlichen Fahrradstraßen und Fußgängerflächen“, sagt Lerm,

Bauministerin Geywitz betont, beim Klimaschutz im Bauen sollten stets soziale Auswirkungen mitgedacht werden. Niedrigere Klimastandards wären wegen der hohen Energiekosten „schon auf kurze Sicht unrentabel“. Aber bei der Bewertung von Um- und Neubau dürfe man nicht nur auf den laufenden Energieverbrauch schauen. Vielmehr brauche es eine „Lebenszyklusbetrachtung“ der Treibhausgasbilanz von Projekten.

In einer solchen Bilanz schneidet das Umbauen und Umnutzen bestehender Gebäude deutlich besser ab als das Neu-Bauen. Bei Neubauten wiederum haben Gebäude, die ganz oder überwiegend aus Holz hergestellt werden, große Vorteile. Holz muss, anders als Bausteine oder Beton, nicht in CO2-intensiven Prozessen hergestellt werden, zudem sind in ihm große CO2-Mengen gespeichert, die beim Wachstum der Bäume aus der Atmosphäre entnommen wurden. Die Technologie ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass auch Mehrfamilien- und Hochhäuser damit errichtet werden können.

Die Förderung des Bauens mit Holz soll denn auch in diesem Jahr einen Push bekommen – von Bund und EU. So haben Geywitz und Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) für die Bundesregierung eine „Holzbau-Initiative“ angekündigt. Der Grüne sagte dazu: „Im Gebäudebereich ist der Holzbau bislang die einzige für die breite Anwendung verfügbare Technologie, mit der Kohlenstoff im Tragwerk und der Hülle von Gebäuden gespeichert werden kann.“ Und auch die EU sieht hier große Potenziale. Schweden, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, will den „Green Deal“ und das Ziel der Klimaneutralität der Union auch im Bausektor umsetzen. Es arbeitet an einer Strategie, auch mit Holzbau zum Klimaschutz beizutragen.

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