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„Eine Wärmepumpe einzubauen, ist keine Raketentechnologie“

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Von: Pitt von Bebenburg

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Mit fossilen Energien zu heizen, wird in einigen Jahren teuer werden - denn die EU will den Emissionshandel auf Gebäude ausweiten.
Mit fossilen Energien zu heizen, wird in einigen Jahren teuer werden - denn die EU will den Emissionshandel auf Gebäude ausweiten. © Imago

Verbandschef Bramann über den Stand der Ausbildung im Heizungsbau, ausgelastete Betriebe – und die Kritik der Branche an Robert Habecks Zeitplan.

Herr Bramann, Deutschland soll zügig die Wärmewende angehen, um die Klimaziele zu erreichen. Insbesondere der Einbau von Wärmepumpen, die mithilfe von Strom Umgebungswärme zum Heizen nutzen, soll eine wichtige Rolle spielen. Wie stark ist die Nachfrage?

Wir beobachten eine ganz andere Wirkung der derzeitigen Debatte, die sicher nicht beabsichtigt war: Derzeit betreffen acht von zehn Anfragen nicht die Wärmepumpen, sondern Heizungen mit fossilen Energieträgern. Viele Hausbesitzer kommen auf uns zu und sagen, sie wollten in der aktuellen Situation noch eine neue Ölheizung oder eine neue Gasheizung bekommen, damit sie Sicherheit verspüren. Die Bundesregierung wäre wirklich gut beraten, das Gesetz mit einem vernünftigen Vorlauf zu regeln, um solche Panikreaktionen zu vermeiden.

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Bisher ist ja noch nicht klar, wie genau das neue Gebäudeenergiegesetz aussehen wird, aber der Start ist für den 1. Januar 2024 vorgesehen.

Ja, der im Kabinett verabschiedete Entwurfsstand sieht trotz unserer vehementen Kritik keine angemessene Vorlaufzeit vor. Es sind im Vergleich zum Entwurf der Verbändeanhörung sogar noch weitere Verschärfungen enthalten. Auf die Experten, die das ganze umsetzen sollen, wird scheinbar nicht gehört. Für uns stellt sich die Frage, wie es mit dem Vertrauensschutz aussieht, wenn jetzt immer noch nicht klar ist, was tatsächlich kommt und 2024 eine neue Gesetzeslage gelten soll. Das kann einen Handwerker vor riesige Probleme stellen. Möglicherweise muss er einen Auftrag ganz stornieren, der auf der alten Gesetzeslage basierte, und seine Bestellungen rückabwickeln. Was glauben Sie, was das an Ressourcen braucht und Risiken mit sich bringt, vor allem auch an finanziellen! Deswegen ist einer der wichtigsten Punkte für uns, den Energieberatern, den ausführenden Handwerkern und den Auftraggebern Planungssicherheit zu geben. Kunden bräuchten auch einen Vorlauf, um die kommunale Wärmeplanung zu berücksichtigen. Wenn der Gebäudebesitzer veranlasst wird, jetzt zu modernisieren, dann weiß er eventuell noch gar nicht, was die kommunale Wärmeplanung vorsieht – und ob es etwa in seiner Kommune Sinn hat, eine Gasheizung zu installieren, die H2-ready ist, also einfach auf Wasserstoff umzustellen wäre.

Also wäre Ihr Rat an den Gesetzgeber, den Start von Anfang 2024 auf Anfang 2025 zu verschieben, um genug Zeit für den Vorlauf zu lassen?

Das wäre eine Möglichkeit. Wir brauchen derzeit ungefähr ein Jahr Vorlauf in der gesetzlichen Klarheit, was kommt. Auch die Förderstruktur muss klar sein. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, für bestimmte Konstellationen Ausnahmetatbestände im Gesetz zu verankern.

Das politische Ziel sind 500 000 Wärmepumpen pro Jahr ab 2024. Ist das realistisch? 2021 waren es noch 160 000, 2022 auch erst 220 000.

Die Zahl wird sich jedenfalls weiter nach oben entwickeln. Es gab im vorigen Jahr insgesamt rund 900 000 Heizungsmodernisierungen. Das entspricht einer Modernisierungsquote von fast fünf Prozent. Das spricht dafür, dass wir das schaffen können. Im Neubau sind Wärmepumpen kein Problem. Das sieht beim Bestand ganz anders aus.

Warum?

Es erfordert Zusammenarbeit über verschiedene Gewerke hinweg. Eine Wärmepumpe braucht einen Netzanschluss, also wird gegebenenfalls auch ein Elektriker benötigt. Oder ein Handwerker, der ein Fundament im Außenbereich für die Wärmepumpe setzt. Wir rechnen für diese Heizungsart nur für den Heizungsfachmann ungefähr mit dem 2,5-fachen Zeitaufwand gegenüber herkömmlichen Heizungen. Dazu kommt die Frage, inwieweit der Umstieg auf Wärmepumpen tatsächlich dazu beiträgt, CO2-neutral zu heizen. Die Produktion von Strom im Winter basiert stark auf Kohle. Wir haben einen Energiemix im Strombereich, der noch lange nicht CO2-neutral ist und es im Winter wahrscheinlich auch nie wird. Der große Bereich der Photovoltaik hat im Winter seine Defizite, und die Speichertechnik ist noch nicht so weit.

Es heißt, sinnvoll seien Wärmepumpen vor allem bei Neubauten, wenn zugleich Fußbodenheizungen vorgesehen sind und auf dem Dach Photovoltaik bereitsteht zur klimafreundlichen Stromerzeugung. Ist es überhaupt sinnvoll, so weitgehend auf das Modell Wärmepumpen für den Bestand zu setzen?

Zumindest nicht gleichzeitig und für alle Gebäude. Wir hätten uns gewünscht, dass das Gebäudeenergiegesetz einen Transformationsfahrplan für bestimmte Gebäudebestände gibt, die man clustern könnte. Wir hätten uns zunächst die Gebäudetypen vornehmen können, die man als „low hanging fruits“ bezeichnen kann, wo der Einbau einer Wärmepumpe ausreicht, wo ein Garten vorhanden ist, um sie aufzustellen, und eine Abstandsfläche, um den Schallschutz managen zu können. Bei ungeeigneten Gebäuden, sollte man zunächst mit der Modernisierung an anderer Stelle beginnen und dann erst die Wärmepumpe einbauen. Wenn die Wärmepumpe zuerst kommt, arbeitet sie uneffektiv und ist vielleicht sogar überdimensioniert für den späteren Bedarf. Das ist leider in dem derzeitigen Entwurf nicht vorgesehen.

Helmut Bramann ist seit dem Jahr 2018 Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Der Verband vertritt nach eigenen Angaben rund 49 000 Handwerksbetriebe mit über 392 500 Beschäftigten, darunter etwa Heizungsbetriebe. FR Bild: ZVSHK/Christoph Papsch
Helmut Bramann ist seit dem Jahr 2018 Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Der Verband vertritt nach eigenen Angaben rund 49 000 Handwerksbetriebe mit über 392 500 Beschäftigten, darunter etwa Heizungsbetriebe. Mehr unter zvshk.de © ZVSHK/Christoph Papsch

Schauen wir auf die Aus- und Fortbildung in der Branche. Wenn der Meister möglicherweise vor 30 Jahren ausgebildet wurde und sein Leben lang Gas- und Ölheizungen eingebaut hat: Wie fit sind die Betriebe, auch neue Techniken wie die Wärmepumpe einzubauen?

Wir haben versucht, das Ruder sehr schnell herumzureißen. Unsere Schulungen für die Fachkräfte sind voll, insbesondere was das Thema Wärmepumpen betrifft. Die Betriebe beschäftigen sich damit. Man muss auch dazusagen: Eine Wärmepumpe einzubauen ist keine Raketentechnologie. Der wesentliche Punkt ist ihre richtige Auswahl, Einstellung und Einbindung ins Wärmeverteilsystem im Gebäude selbst. Die hierfür notwendigen hydraulischen Kenntnisse haben Heizungsmonteure seit langem

Die Branche hat noch viele andere Aufgaben zu bewältigen, vom hydraulischen Abgleich bis zur Modernisierung von Bädern. Finden die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer überhaupt Fachkräfte, die die Arbeit erledigen können?

Das ist derzeit möglicherweise nicht einfach. Die Betriebe sind gut ausgelastet. Der zweite Punkt ist, dass seit der Corona-Phase teilweise große Lieferprobleme bestehen. Gerade Wärmepumpen werden teilweise nicht komplett ausgeliefert, so dass Lagerhaltungskosten entstehen und die Aufträge nicht ausgeführt werden können.

Was wären denn Alternativen zur Wärmepumpe, wenn man an dem Ziel festhält, dass neue Heizungen von 2024 an mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien funktionieren sollen?

Ich denke an das gesamte Thema Biomasse, an Scheitholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Deutschland und Pellets, die in der Regel aus Holzabfällen der Industrie gewonnen werden. Diese Alternativen werden im derzeitigen Entwurf allerdings benachteiligt, weil sie mit erheblichen Auflagen verbunden werden. Ein anderer Aspekt sind biogene Gase. Auch das Hochfahren des Wasserstoffes sollte man als faire Option beobachten. Wir brauchen Alternativen gerade für Gebäude, in denen sich keine Wärmepumpen einbauen lassen. Denken Sie an denkmalgeschützte Gebäude. Denken Sie an Gebäude in Innenstädten, wo die Hausgrenze gleichzeitig die Grundstücksgrenze darstellt. Wo wollen Sie da eine Wärmepumpe hinstellen?

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