Eine Breitseite für die AfD

Britta Haßelmann, grüne Fraktionsgeschäftsführerin im Bundestag, führt die AfD beim Diätenstreit vor. Haßelmann putzte die rechte Partei so sehr nach Strich und Faden runter, dass sogar die Union in Begeisterungsstürme ausbrach.
Vor ein paar Wochen fiel Britta Haßelmann dadurch auf, dass sie doch mal etwas pikiert war. Beim Grünen-Parteitag nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen rutschte der Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt nämlich raus, das Verdienst der Parlamentarischen Geschäftsführerin habe darin bestanden, während der kräftezehrenden Gesprächsrunden für die Verpflegung zu sorgen. Haßelmann retournierte sinngemäß, sie habe keineswegs nur Brötchen geschmiert – woraufhin Göring-Eckardt ertappt twitterte: „Natürlich nicht!“ Sie habe vielmehr „auch noch(!) für Information und Essen gesorgt“.
Am Mittwoch schlug dann aber die große Stunde der 56-jährigen einstigen Sozialarbeiterin vom Niederrhein mit Wahlheimat Bielefeld. In der Diätendebatte des Bundestages putzte Haßelmann die AfD so sehr nach Strich und Faden runter, dass sogar die Union in Begeisterungsstürme ausbrach. Die Ex-CDU-Abgeordnete und einstige Familienministerin Kristina Schröder twitterte: „Mein Mann hat mir den heutigen Auftritt von Britta Haßelmann eben extra auf dem iPad vorgeführt. Wirklich großartig!“
Haßelmann nimmt Bernd Baumann ins Visier
Wie war es dazu gekommen? Zuerst war da die Wortmeldung des AfD-Mannes Stefan Keuter zu den Bezügen der Bundesparlamentarier. Die Debatte ging um die Erhöhung der Diäten, die jetzt automatisch vonstatten geht, damit öffentliche Empörung sich nicht mehr regelmäßig wiederholt. Jener Automatismus muss von Gesetzes wegen vom neuen Bundestag noch bestätigt werden; Zeit dafür hätte er bis zur 3. Kalenderwoche 2018. Keuter aber verurteilte die Diätenerhöhung als „Frechheit“ – es gehe schließlich um „hart erarbeitetes Steuergeld“.
Haßelmann fühlte sich aufgerufen, dagegenzuhalten – und wandte sich zunächst an den AfD-Kollegen Bernd Baumann, an dessen Stelle sie „im Erdboden versinken“ würde „angesichts der Debatte, die wir hier führen“. Die Diätenerhöhung habe zunächst am 13. Oktober im so genannten Vorältestensrat eine Rolle gespielt – mit dem Tenor, dass darüber geredet werden müsse. Baumann habe da keinen Widerspruch angemeldet, ja nicht mal das Wort ergriffen. „Und dann reden wir hier über Scham und über Peinlichkeiten“, so Haßelmann. Sie gucke „da nur nach rechts“, zur AfD eben.
Bei der Beratung der Parlamentarischen Geschäftsführer am 11. Dezember sei die Diätenerhöhung abermals Thema gewesen, referierte Haßelmann. Und da habe man vereinbart, darüber am 13. Dezember endgültig zu befinden. Wieder habe Baumann weder Widerstand geleistet noch eine inhaltliche Anmerkung gemacht. Der Antrag auf Aussprache sei vielmehr von CDU und CSU gekommen. „Und dann“, rief Haßelmann – jetzt sehr lautstark – ins Plenum, „werden heute die Backen so aufgeblasen. Wie scheinheilig ist das denn?“ Wer meine, den Bundestag so vorführen zu können, „der muss früher aufstehen“.
Die Parlamentarier applaudierten heftig. Und als Haßelmann resoluten Schrittes auf ihren Platz zurückkehrte, empfing sie dort ihr sichtlich begeisterter Fraktionschef Anton Hofreiter.
Große Auftritte sind Haßelmanns Sache sonst nicht – auch wenn sie dem Parlament seit 2005 angehört und seit 2013 Erste Parlamentarische Geschäftsführerin ist. Sie ist die pragmatisch-praxisorientierte Arbeiterin im Hintergrund. In der Nacht, als Jamaika scheiterte, stand die verheiratete Mutter eines Sohnes, die früher mit Drogenabhängigen arbeitete, plötzlich vor der Kanzlerin.
Auch Angela Merkel liebt ja das Unauffällige. Die beiden versicherten einander die gegenseitige Wertschätzung. Und Haßelmann war sichtlich stolz. Wie gefährlich praktische Vernunft sein kann, hat die AfD jetzt schmerzhaft erfahren.
Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sagte der FR über die Kollegin: „Ich arbeite jetzt seit mehreren Jahren mit ihr zusammen. Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind – was häufig vorkommt –, kann sie sehr anstrengend sein. Sie ist aber immer gut informiert und verlässlich. Deswegen macht mir die Zusammenarbeit mit ihr durchaus Spaß – gerade weil sie nicht immer einfach ist.“ Grosse-Brömer war einer derer, die Haßelmann den Beifall nicht versagten.