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Ein Outsider im höchsten Staatsamt Costa Ricas

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Von: Klaus Ehringfeld

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Der Sieger mit seiner Tochter Isabella.
Der Sieger mit seiner Tochter Isabella. © AFP

Der konservative Sozialdemokrat Rodrigo Chaves gewinnt unerwartet die Präsidentschaftswahl in Costa Rica.

Die Menschen in Costa Rica haben am Sonntag für einen radikalen Wandel gestimmt und mit Rodrigo Chaves einen nahezu unbekannten Kandidaten zum Präsidenten gemacht. Der 60-jährige frühere Experte der Weltbank hat mit seinem antisystemischen Diskurs die Mehrzahl der Wähler:innen hinter sich gebracht.

Mit dem Versprechen, „die Mächtigen von der Macht zu vertreiben und das Volk an die Macht zu bringen“, erreichte Chaves bei der Stichwahl nach Auszählung von mehr als 95 Prozent der Stimmzettel 52,81 Prozent. Für seinen Gegenkandidaten, den ehemaligen Präsidenten José María Figueres, entschieden sich 47,2 Prozent. Figueres vertrat im Wahlkampf am stärksten die traditionelle Politik, gegen die sein Rivale wetterte und die mittlerweile für die Mehrheit der Menschen des kleinen und vergleichsweise reichen Landes in Zentralamerika Schuld am schleichenden Abstieg trägt.

Die Menschen werden von Chaves, der sein Amt am 8. Mai antritt, die Einlösung der Versprechen einfordern. Und das sind vor allem der „Wandel“ der traditionellen Politik und die Bekämpfung der Korruption.

Der Wirtschaftswissenschaftler war vor dem ersten Wahlgang im Februar kaum bekannt, weil er fast 30 Jahre lang für die Weltbank tätig war – unter anderem als Direktor des Indonesien-Büros der Finanzorganisation. So kam er in den Umfragen auf kaum mehr als fünf Prozent für die erste Runde.

Wahl in Costa Rica: Sieg trotz Vorwürfen

Doch dann erreichte er knapp 17 Prozent und zog damit in einem völlig zersplitterten Bewerberfeld die Stichwahl ein. Dem fast 1,90 Meter großen Chaves konnten dabei auch Vorwürfe nichts anhaben, er habe in der Zeit bei der Weltbank Frauen wiederholt sexuell belästigt. Der an den besten Unis der USA ausgebildete promovierte Ökonom, der ein recht loses Mundwerk hat und gerne provoziert, bezeichnete die Vorwürfe als „Scherz“. Dennoch trat er 2019 plötzlich von seinem Job bei der Weltbank zurück und gab in der Heimat sein politisches Debüt, als er für gerade einmal sechs Monate Überraschungsfinanzminister in der scheidenden Regierung von Carlos Alvarado wurde.

„Ich nehme diese Entscheidung des costaricanischen Volkes mit tiefster Demut entgegen“, sagte Chaves in seiner ersten Rede als gewählter Präsident. „Dieses Ergebnis ist für mich keine Medaille, sondern eine enorme Verantwortung“. Aber mit nur zehn Abgeordneten seiner sozialdemokratischen Partei PSD in dem Parlament mit 57 Sitzen wird der neue Präsident auf Absprachen angewiesen sein.

Costa Rica, das verglichen mit Ländern wie Nicaragua, Honduras und El Salvador ein Hort an Stabilität und Demokratie in Zentralamerika ist, steht vor großen Herausforderungen. Der Umbau zu einer green economy wird das künftige Staatsoberhaupt ebenso vorantreiben müssen wie den Kampf gegen Arbeitslosigkeit und zunehmende Informalität in der Wirtschaft. Gerade für die ökonomische Expertise haben Chaves ersten Analysen zufolge viele der Wahlberechtigten gewählt.

Auch in Costa Rica, das traditionell über eine sehr breite Mittelschicht verfügt, geht die Schere zwischen Arm und Reich deutlich auseinander. Zwei von zehn Familien leben mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze. Insgesamt geht es bei dieser Abstimmung um die Frage, wie das Modell eines kleinen tropischen Wohlfahrtsstaates aufrechtzuerhalten ist, in dem es keine Armee gibt, aber dafür ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem. Dinge, die für Lateinamerika ganz und gar nicht zur Normalität gehören.

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