„Echte Stoßwaffe der Demokratie“

Die Ukraine hofft wieder – und der Kreml schwankt zwischen Weltuntergang und Arroganz
Der russische TV-Propagandist Wladimir Solowjow gab sich düster. „Meiner Meinung nach zeigt die Uhr des jüngsten Gerichtes schon keine Sekunden mehr an, sondern ihre Bruchteile“, verkündete er am Mittwoch angesichts der künftigen Lieferungen amerikanischer und deutscher Kampfpanzer an die Ukraine. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow verbreitete dagegen kriegerische Gelassenheit. „Diese Panzer werden brennen wie alle anderen. Nur dass sie viel teurer sind.“
Russlands Staatsöffentlichkeit weiß nicht recht, wie sie auf Panzer reagieren soll, die aus dem Westen anrollen. Die Bundesregierung teilte mit, Deutschland werde zunächst 14 „Leopard 2AG“ bereitstellen, das Ziel seien aber zwei Bataillone, also 88 Kampfpanzer. Auch anderen Ländern erlaube man den „Leopard“-Export Richtung Kiew, allein Polen und die Niederlande wollen weitere 32 Panzer liefern. Und laut New York Times werden die USA die Ukraine mit 30 bis 50 „M1-Abrams“ unterstützen. 14 britische „Challenger“-Panzer sind schon zugesagt.
In Kiew rufen diese Neuigkeiten Freude, aber keine Begeisterung hervor. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte schon vor Tagen gesagt, angesichts Tausender Panzer auf russischer Seite würden 10, 20 oder 50 Fahrzeuge das Problem nicht lösen. „Einige Hundert Panzer für unsere Panzertruppen“, fügte Andrij Jermak, Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, am Dienstag hinzu. „Das wäre eine echte Stoßwaffe der Demokratie gegen diese Sumpf-Autokraten.“ Der Kiewer Militärexperte Michail Samuss hofft auf bis zu 300 Panzer aus dem Westen. Aber er und andere ukrainische Fachleute reden bereits laut über amerikanische F-16-Kampfjets, sie würden die für eine große Gegenoffensive nötige Luftüberlegenheit schaffen. Den Russen aber missfallen schon die „Leoparden“ und „Abrams“. Die Zeitung „Moskowski Komsomolez“ zitiert den Militärexperten Wladislaw Schurygin, der sich beschwert, dass Moskau seine Streitkräfte noch nicht in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt habe. Man müsse Atom-U-Boote und mobile Raketensysteme in Bewegung setzen, um dem Westen die eigenen roten Linien aufzuzeigen.
Der „Leopard“ gilt in Russland nicht nur als Rückgrat der Bundeswehr im Kalten Krieg, sondern auch als Erbe der Wehrmachtspanzer „Tiger“ und „Panther“, mit denen es die Sowjetarmee im Zweiten Weltkrieg zu tun hatte. „Jetzt zeigt sich die tief in der deutschen Elite steckende Russophobie“, schreibt die Staatsagentur „RIA Nowosti“. „Offenbar haben sie uns weder unseren Sieg im Zweiten Weltkrieg noch die Eroberung Berlins oder das Bemühen um eine gleichberechtigte Partnerschaft verziehen.“ Berlin habe sich doch dem Druck der USA und Polens gebeugt, die Panzer zu liefern.
Russlands Medien feiern die fast einjährige „Spezialoperation“ gegen die Ukraine weiter als Siegeszug, manche Fachleute versichern, die Ukraine müsse noch lange Monate auf die versprochenen Panzer warten. Andere spotten, schon Kämpfer des sogenannten Islamischen Staats hätten türkischen „Leopard“-Panzern ohne Probleme den Garaus gemacht. Und seit Wochen spekulieren Militärblogger:innen über das baldige Auftauchen des russischen Wunderpanzers „T-14 Armata“ an der Front, dessen Stahl angeblich keine „Leopard“-Kanone durchschlagen kann. Aber wie das Fachportal „topwar.ru“ schreibt, sind bisher nur wenige Dutzend der umgerechnet 4,7 Millionen Euro teuren Hightech-Panzer einsatzfähig. „Das Perspektivprojekt Armata gehört in die Schublade.“ „Leopard“ und „Armata“ werden sich in der Ukraine wohl kaum begegnen.