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Dürre schon im Winter

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Von: Stefan Brändle

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Die sonst so romantische Loire ist bei Montjean derzeit alles andere als ein Postkarten-Motiv. JEAN-FRANCOIS MONIER/AFP
Die sonst so romantische Loire ist bei Montjean derzeit alles andere als ein Postkarten-Motiv. © afp

Mit Riesen-Wasserspeichern will Frankreich der dramatischen Trockenheit entgegenwirken.

Von Schlössern gesäumt, von Dichtern beschrieben: Die Loire ist Frankreichs Königsfluss. Majestätisch und launisch wie die Nation, ist sie auch berühmt für ihre Hochwasser. „2003 wurde der Pont Royal von den Fluten fast mitgerissen“, erinnert sich eine Spaziergängerin am Aufgang zur Königsbrücke, wo die Jungfrau von Orléans im Mittelalter die Belagerung der Briten beendete. Jetzt sorgt sich die ältere Dame, denn die Loire ist nur noch ein Rinnsal. „Das ist schon beunruhigend, wenn man bedenkt, dass wir noch im Winter sind. Wie tief wird der Wasserstand bis im Sommer wohl noch sinken?“

In Frankreich hat es seit gut einem Monat nicht mehr richtig geregnet, obwohl der Februar hier normalerweise Regen oder gar Schnee bringt. Dass die Loire in Orléans gefrieren könnte wie anno 1903, ist heute undenkbar.

Die Folgen zeigen sich im ganzen Land: In Südfrankreich trocken Flüsse aus und versiegen Quellen. In Pyrenäen-Nähe wüteten bereits die ersten Waldbrände. Paris schlug wegen der Trockenheit Feinstaubalarm, einzelne Gemeinden im Midi untersagen schon das Autowaschen und stellen Hausbesitzende darauf ein, dass sie Sommer ihren Swimmingpool nicht mehr füllen dürfen.

In und um Orléans ist vor allem die Landwirtschaft betroffen. Benoît Foulon, Gemüsezüchter unweit der Königsbrücke, stellt gerade radikal um: „Wir kehren zu früheren Anbaumethoden zurück, die weniger bewässerungsintensiv sind.“ Dafür schmecken die Tomaten und Gurken seines Betriebes noch besser als früher. In Villamblain nordwestlich der Loire-Stadt hat Pascal Chateigner einen ungewohnten Wechsel vollzogen: Einen Teil der Mais-Produktion hat er durch resistentere Sonnenblumen ersetzt. „Andere Berufskollegen gehen dazu über, Maisfelder abzubauen und dafür Weidewiesen für Rinder zu schaffen – oder gar die afrikanische Sorghum-Hirse anzubauen, die auch hohe Temperaturen ohne viel Wasserzufluss erträgt.“

Mit dem Schuh zertritt der Getreidebauer einen Erdklumpen, der sofort in kleine Stück zerfällt. „Sehen Sie, die Böden sind schon jetzt völlig ausgetrocknet. Dabei stehen wir noch am Anfang des Jahres!“ Diesen Winter hätten sich die unterirdischen Naturspeicher nur zum Teil gefüllt, erzählt er. „Wahrscheinlich wird der Präfekt des hiesigen Departementes Loiret das Abpumpen des Grundwassers zu Agrarzwecken stark einschränken. Obwohl es mir jetzt schon an Wasser mangelt, werde ich diesen Sommer nur noch 60 bis 70 Prozent Wasser beziehen können. Das reicht nicht für alle Kulturen, wenn es heiß wird.“

Diese Restriktionen sind Teil eines „nationalen Wasserplans“, den die Regierung in Paris für Mitte März vorbereitet. Er beruht, wie man bereits weiß, auf 50 Empfehlungen eines beratenden Komitees. Die Umsetzung ist schwierig – und teuer. Dazu gehört die Sanierung lecker Kanalisationen, wegen denen in Frankreich ein Fünftel Wasser verlorengeht. Für die Agrarbewässerung soll in Zukunft auch Abwasser aus Kläranlagen verwendet werden.

Auf Kosten des Trinkwassers?, fragen Kritiker:innen. An Hanglagen sollen systematisch Auffangbecken erstellt werden. Und in den Ebenen so genannte „Mega-Wannen“. Diese riesigen Wasserbecken, die oft mehrere hunderttausend Kubikmeter umfassen, werden seit dem Hitzesommer von 2022 in allen Agrarregionen Frankreichs gebaut.

Die „méga-bassines“ sind hoch umstritten, weil sie nicht nur mit Regen-, sondern auch mit Grundwasser gefüllt werden. „Wenn man eine Fläche von zehn Hektar mit Plastik auslegt und darin Wasser lagert, das in der Hitze verdampft, schadet das der Sache nur“, sagt Simon Ronceray, Biolandwirt in Yèvre-la-Ville.

Der große französische Agrarverband FNSEA tritt für die „Megabecken“ ein, und auch Staatspräsident Emmanuel Macron sagte jüngst, es müsse alles getan werden, um der Landwirtschaft zu mehr Wasserspeichern zu verhelfen. Die linke Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne schlägt dagegen vor, Maisfelder, die nur als Schweine- und Hühnerfutter dienen, vom Bewässerungskontingent jedes Hofes auszunehmen. Dies sei nachhaltiger für die Grundwasserbestände, sagt Confédération-Vertreter Laurent Beaubois. „Dass die Böden und Bäche austrocknen, ist schon schlimm genug. Wenn auch das Grundwasser alle ist, wird die Klimakatastrophe perfekt.“

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