1. Startseite
  2. Politik

Donald Trump und seine Inszenierung vom „Wahlbetrug“ - die Scherben eines Coups

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Mirko Schmid

Kommentare

Donald Trump hat seinen Feldzug gegen die Integrität der US-Wahlen von langer Hand geplant. Erfolg hatte er dennoch keinen, sein Plan liegt in Scherben. Eine Rekonstruktion.

Washington D.C. - Donald Trump macht sich rar seit der Wahlnacht am 3. November 2020. Einige wenige, kurze Pressekonferenzen hier, ein Reportergespräch da, ein Telefoninterview dort. Aber, das ist offensichtlich, Donald Trump scheut es augenscheinlich, offene und kritische Bühnen zu betreten. Im Anschluss an eine der selten gewordenen Pressekonferenzen rief ihm CNN-Korrespondent Jim Acosta hinterher: „Herr Präsident, werden Sie ihre Wahlniederlage einsehen?“ Trump ignorierte ihn und machte sich auf den Weg in die Katakomben des Weißen Hauses. Acosta rief ihm hinterher: „Sind Sie ein schlechter Verlierer?“

Donald Trump entgleitet die Meinungshoheit in den US-Medien

Momente wie diese sind es, die Donald Trump schmerzen. Er muss einsehen, dass ihm die Meinungshoheit entglitten ist, dass seine Botschaften nicht mehr alleine die Schlagzeilen der großen US-Medien bestimmen, dass Journalisten im Angesicht der schmachvollen Wahlniederlage des scheidenden Präsidenten kritische, ja auch höhnische Fragen stellen. Ein Ergebnis der jahrelangen Angriffe Trumps auf die Medien, die er mal mehr und mal weniger aggressiv als „Fake News Media“ gebrandmarkt hatte und brandmarkt.

Und eine neue Realität, die Donald Trump gar nicht schmeckt. Also zog er sich in seine Echokammer zurück und nutzte sein Lieblingsmedium Twitter, um Tirade über Tirade zu ventilieren. Die Wahl nämlich, das wird Trump nicht müde zu behaupten, hat er gewonnen. Haushoch. Es will nur niemand sehen. Und so hetzt der abgewählte Mann im Weißen Haus abwechselnd über die Medien, die Demokraten, die Gerichte und Republikaner, die sich nicht voll hinter seine Mär vom Wahlbetrug stellen.

Da sind zuerst die Medien. Mit CNN, dem weltweit anerkanntesten Nachrichtensender der USA, hat es sich Donald Trump schon lange verscherzt, er verachtet den von ihm als linkes Werkzeug zur Meinungsmache betrachteten TV-Sender aus tiefstem Herzen, Jim Acosta und zahlreiche Kolleginnen mussten sich immer wieder im Rahmen von Pressekonferenzen anpöbeln und verspotten lassen. Neu ist, dass Trump nun selbst gegen Fox News schießt - gegen die rechtskonservative TV-Anstalt also, die ihm wie keine andere die Bühne geboten hat, auf der er mit seinen Hassbotschaften überhaupt erst die Menschen erreichen konnte, die ihn 2016 ins Amt des US-Präsidenten wählten.

Donald Trump verbrachte die Wahlnacht im eigenen „War Room“

Um das zu verstehen, sollte zunächst ein Blick hinter die Kulissen des Weißen Hauses in der Wahlnacht vom 3. November geworfen werden. Wie die „Washington Post“ in einer ausführlichen Reportage berichtet, saß Donald Trump zusammen mit seinem Kampagnenchef Bill Stepien und seinen leitenden Beratern um Jason Miller und Jared Kushner, den Ehemann seiner Tochter Ivanka, in einem eigens eingerichteten, provisorischen „War Room“, einer Art kommunikationstechnischen Schaltzentrale.

Auf mehreren Bildschirmen verfolgten Sie die eintrudelnden Ergebnisse und waren zunächst siegessicher - Staat für Staat ging an Donald Trump. Und auch in den hart umkämpften Swing States lag der Amtsinhaber weit vorne, Erinnerungen an 2016 wurden wach. Trump hatte damals in allen landesweiten Umfragen hinter Hillary Clinton gelegen und zog dann doch aufgrund des antiquierten Wahlsystems der USA statt der Demokratin ins Weiße Haus ein, obwohl auf Clinton rund drei Millionen mehr Wahlstimmen entfielen als auf den Republikaner.

Doch dann passierte das im Trump-Lager Undenkbare. Die Zahlen wandelten sich. Je mehr Stimmen ausgezählt wurden, desto knapper wurde der Vorsprung von Donald Trump in den wahlentscheidenden Swing States Nevada, Arizona, Minnesota, Michigan, Wisconsin, Georgia und North Carolina. Überall holte Joe Biden unaufhaltsam auf. Doch der Geduldsfaden riss Trump erst in dem Moment, in dem ausgerechnet Fox News - sein vermeintlicher Haussender - hervorpreschte und noch am späten Wahlabend Joe Biden zum Sieger in Arizona erklärte. Arizona! Ein Paukenschlag, war es dort doch seit 1996 keinem demokratischen Präsidentschaftsbewerber mehr gelungen, einen Sieg davonzutragen.

Donald Trump will Wahlniederlage in Arizona nicht wahrhaben und tobt gegen Fox News

Donald Trump tobte. Seinen Chefberatern Jason Miller und Jared Kushner trug er auf, umgehend zu intervenieren. Fox News solle die Zuschreibung Arizonas an Joe Biden rückgängig machen. Miller twitterte am frühen Morgen nach der US-Wahl, dass noch über eine Million Stimmen in Arizona auszuzählen seien. Das Trump-Lager habe seine Wählerschaft „gepusht“, um in Arizona zu wählen, die frühe Erklärung seitens Fox News wäre ein Versuch, deren Wahlstimmen irrelevant zu machen. Sein Fazit: Fox News solle die Bekanntgabe umgehend zurücknehmen.

Und Jared Kushner? Dem Schwiegersohn des wütenden Präsidenten wurde die Aufgabe zuteil, den Besitzer von Fox News und ehemaligen Trump-Intimus Rupert Murdoch persönlich anzurufen und aufzufordern, auf seine Belegschaft im Sinne von Donald Trump einzuwirken. Es ist nicht überliefert, ob Kushner tatsächlich mit Murdoch in diesen Stunden sprach. Fest steht: Fox News blieb bei seiner Prognose, Arizona blieb „blau“. Weit vor den als deutlich liberaler geltenden großen TV-Sendern CNN und MSNBC war es also ausgerechnet der rechtskonservative Nachrichtensender Fox News, der Trump in dessen Augen ein Messer in den Rücken rammte.

Im „War Room“ ging es nun hoch her. Trump, der laut „Washington Post“ alle anderen angeschrien haben soll („Was zur Hölle? In Arizona sollten doch wir gewinnen. Was ist da los?“), legte sich darauf fest, am ursprünglichen Plan festzuhalten und sich trotz der bedrohlicher werdenden Zahlen aus den Swing States und trotz der frühen Festlegung Joe Bidens als Wahlsieger in Arizona seitens Fox News zum Wahlsieger zu erklären. Eine Volte, die Donald Trump monatelang vorbereitet hatte.

Mit der Leugnung der Corona-Pandemie spielt Donald Trump ein gefährliches Spiel

Und das ging so: Zunächst sorgte Donald Trump mit markigen Worten dafür, dass seine Anhängerschaft die Corona-Pandemie als weit weniger bedrohlich erachtete als die Wählerschaft der Demokraten. Er spielte das Virus in der Anfangsphase der Pandemie herunter, später diskreditierte er seinen Chef-Immunologen Anthony Fauci in aller Öffentlichkeit und nutzte seine eigene Corona-Erkrankung, um seinen Fans zu suggerieren: schaut her, mir kann Corona nichts anhaben, so schlimm kann es nicht sein.

Donald Trump feierte proppenvolle Wahlkampfauftritte - auch nach seiner eigenen Corona-Infektion vor einer loyal ergebenen Anhängerschaft, die ganz ihrem Idol folgend auf Maskenpflicht und Mindestabstand pfiff. Studien ergeben, dass auf diese Veranstaltungen zahlreiche Neuinfektionen mit und auch Todesfälle durch Corona zurückzuführen sind. Seine Botschaft immer wieder: Die Demokraten machen Corona größer als es ist, um euch von der Wahlurne fernzuhalten.

Donald Trump diskreditiert Briefwahlen und fordert seine Anhängerschaft auf, vor Ort abzustimmen

In Schritt zwei diskreditierte Donald Trump die Briefwahlen. Diese seien von dem Demokraten gezinkt und von vorne bis hinten korrupt. Seinen Fans bläute der Präsident ein, dass sie ja nicht per Post abstimmen, sondern lieber vor Ort in die Wahllokale gehen sollten. Und die „Trumpsters“ folgten ihrem Helden. Während überproportional viele Unterstützerinnen und Unterstützer der Demokraten sich für die Briefwahl registrierten, setzte die republikanische Wählerschaft auf den Wahltag.

Um die Vorbereitungen seines Plans abzuschließen, fehlten noch ein paar weitere Schritte. Im dritten Schritt drängte Donald Trump republikanische Gouverneure in den entscheidenden Bundesstaaten dazu, mit der Auszählung der Briefwahlstimmen erst nach der Auszählung der am Wahltag vor Ort in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen zu beginnen. Dies sorgte dafür, dass Donald Trump in den ersten Hochrechnungen fast überall dort vorne lag, wo die Wahl entschieden wurde.

Unzählige von ihm eingesetzte Richterinnen und Richter sollen Donald Trump helfen

Im nächsten Schritt setzte Donald Trump an den landesweiten Bundes- und Berufungsgerichten unzählige Richterinnen und Richter ein, von denen er Loyalität im Falle eines Falles erwartete - und drückte noch vor der Wahl die Berufung von Amy Coney Barrett an den Obersten Gerichtshof der USA durch - obwohl die Republikaner noch vier Jahre zuvor darauf bestanden hatten, keine Richterstühle am Supreme Court während eines laufenden Wahlkampfes zu besetzen. Das Argument damals: Die Bevölkerung solle zunächst über den Präsidenten oder die Präsidentin entscheiden.

Donald Trump setzte darauf, dass er mit dieser Durchsetzung der US-Gerichte den entscheidenden Vorteil auf seiner Seite hätte, sollte es nach der Wahl zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen - bis hin zum von Trump persönlich mit drei Nominierungen nach rechts verschobenen Supreme Court.

Donald Trump erfindet Wahlbetrug - „Tausende weggeworfene Stimmen“

Als Donald Trump während des ersten TV-Duells mit Joe Biden danach befragt wurde, ob er nach einer möglichen Niederlage gegen den Demokraten das Weiße Haus friedlich räumen würde, sah der US-Präsident dann seine Chance gekommen, sein verschwörerisches Gift endgültig in die Ohren seiner Anhängerschaft zu träufeln. Er behauptete, tausende seiner Briefwahlstimmen seien einfach weggeworfen worden. In den USA ist eine Briefwahl schon weit vor dem eigentlichen Wahltag möglich. Auch im Anschluss an das TV-Duell wiederholte Trump immer wieder, dass er die Wahl ausschließlich durch Betrug verlieren könne.

Im Rahmen seiner „Town Hall“-Veranstaltung zwischen den beiden TV-Duellen mit Joe Biden fragte NBC-Moderatorin Savannah Guthrie Donald Trump danach, ob es denn nicht einfach sein könne, dass ein Präsidentschaftskandidat auf faire Art und Weise verliert. Donald Trump wiederholte seine unbewiesenen Verschwörungstheorien und schimpfte erneut in aller Öffentlichkeit über die Briefwahlen.

Donald Trump beauftragt Rudy Giuliani mit dreckigem Wahlkampf gegen Joe Biden

Um ganz sicher zu gehen, dass er als strahlender Sieger aus der Präsidentschaftswahl hervorgehen würde, schaltete Donald Trump schon Monate zuvor Rudy Giuliani ein. Sein persönlicher Anwalt, der im Herbst 2018 zum Team Trump gestoßen war, sollte dreckige Wäsche aus dem Umfeld von Joe Biden ans Licht bringen. Als Giuliani nichts fand, beauftragte er den russischen Spion Andriy Derkach damit, Tonbandaufnahmen und andere „Beweismittel“ zu fälschen und zu manipulieren, um Bidens Wahlkampf zu sabotieren. Giuliani war es auch, der die wirre und vor Widersprüchen nur so strotzende Geschichte um den Laptop von Hunter Biden in Umlauf brachte.

Seine Saat war ausgestreut, als es am 3. November zum großen Finale kam. Für Donald Trump war klar: Würde er wie 2016 eine Mehrheit der Wahlleute für sich gewinnen, wäre alles gut. Würde jedoch Joe Biden, wie es nahezu alle Umfragen vermuten ließen, auf einen Wahlsieg zusteuern, dann hätte Trump alle Vorbereitungen in die Wege geleitet, um dies zu verhindern. Trump hatte bereits Tage vor der Wahl angekündigt, all jene Ergebnisse juristisch anzufechten, die nicht bereits in der Wahlnacht feststehen und nicht zu seinen Gunsten ausfallen würden.

Donald Trump hält wirre Rede und sucht intern nach Bestätigung

So ist die wirre und bizarre Rede zu verstehen, die Donald Trump am 5. November 2020, zwei Tage nach der Präsidentschaftswahl im Weißen Haus hielt. Wieder erklärte er sich zum Sieger, sprach von einer „roten Welle“ (also einem flächendeckenden Wahlsieg der Republikaner) und behauptete, dass man ihm seinen Wahlsieg „stehlen“ wolle. Trump, das wurde vielen spätestens jetzt klar, blieb seiner Taktik treu, die Integrität der Wahlen in den USA in Frage zustellen, um seine eigene Niederlage entweder abzuwenden oder aber zumindest als einen Diebstahl und sich selbst somit als Opfer finsterer Machenschaften darzustellen.

In den folgenden Tagen wurde es ruhiger um Donald Trump - von immer wieder anrollenden Wellen wilder Twitter-Tiraden abgesehen. Seine öffentlichen Auftritte wurden rarer. Intern, so berichtet es die „Washington Post“, soll Donald Trump dafür umso eifriger kommuniziert haben. Dutzende Vertraute soll er angerufen und befragt haben. Die Frage war immer gleich: „Glaubst du, dass ich wirklich verloren habe?“

Niemand traut sich, Donald Trump die bittere Wahrheit zu erzählen

Nur: Donald Trump hatte sich in den letzten Jahren mit seinen sich immer schneller abwechselnden Einstellungen und Entlassungen der wichtigsten Angestellten um sich herum ein Umfeld geschaffen, in dem niemand mehr derjenige sein wollte, der dem Narzissten auf dem Sessel des Oberbefehlshabers der USA schlechte Nachrichten überbringen muss. Und so fielen die Antworten stets gleich aus - der Tenor: „Nein, Chef, Sie haben natürlich gewonnen. Man will Ihnen die Wahl klauen. Wehren Sie sich juristisch!“

Donald Trump Exit Weißes Haus
Für Donald Trump rückt der Auszug aus dem Weißen Haus immer näher. © MANDEL NGAN/afp

Und das tat Donald Trump. Zwar gingen viele der Anwältinnen und Anwälte, die im Vorfeld der Wahlen einige kleinere Siege für den Präsidenten errungen hatten, von der Fahne. Doch jetzt waren nicht die gefragt, die unter anderem in einigen Bundesstaaten kürzere Fristen für die Registrierung zur Abgabe der Briefwahl durchgesetzt hatten. Nun überließ Trump vielmehr seiner „Strike Force“ die Bühne.

Donald Trump schickt Rudy Giuliani, Jenna Ellis und Sidney Powell in den Kampf

Ein Team von Rechtsgelehrten, die unerschütterlich loyal hinter Donald Trump stehen, sollte, angeführt von Rudy Giuliani, Jenna Ellis und Sidney Powell, Klage um Klage produzieren und so nach und nach die Gültigkeit der Briefwahlstimmen und in der Folge den Wahlsieg von Joe Biden kippen.

Und Giuliani, Ellis und Powell gaben sich siegessicher. Sie berichteten von Beweisen, eidesstattlichen Erklärungen, Aufnahmen. Sie behaupteten, der große Knall stünde bevor, es werde sich schon zeigen, dass Donald Trump das Opfer einer Intrige von monumentalem Ausmaß sei. Gerade Giuliani rückte immer mehr in den Fokus der US-amerikanischen Öffentlichkeit, selbst wenn er seine Pressekonferenzen vor einem Fachhandel für Gartengeräte hielt.

Die Bilanz vom Rechtsteam um Donald Trump: 22 Klagen, null Siege

Doch das Verhältnis von öffentlicher Aufmerksamkeit für Giuliani und seine „Strike Force“ und tatsächlichen Erfolgen vor Gericht geriet nach und nach in ein Ungleichgewicht. Das Magazin „Business Insider“ fasste die verheerende Bilanz zum damaligen Stand zusammen: 22 Klagen, null Siege. Es mag Verzweiflung gewesen sein, als Rudy Giuliani, Jenna Ellis und Sidney Powell im Vorfeld einer bizarren und peinlichen Pressekonferenz die ganz großen Enthüllungen ankündigten und doch wieder jeden Beweises im Sinne von Donald Trump schuldig blieben.

Rudy Giuliani, dem die Abteilung Faktencheck der „Washington Post“ mit der Höchstwertung von vier „Pinocchios“ bedacht hatte, wählte in den Folgetagen die Flucht nach vorn und behauptete nun, dass Niederlagen vor Gericht Teil des großen Plans der „Strike Force“ seien. Es sei nichts vorüber, der Kampf gehe weiter. Donald Trump soll höchst ungehalten auf die Erfolgsbilanz seiner juristischen Elitetruppe reagiert haben. Im Anschluss an die bizarre Pressekonferenz soll Trump die führenden Mitglieder seines „Legal Teams“ als „Dummköpfe“ bezeichnet haben.

Donald Trump feuert Sidney Powell, seine Anwälte verlieren weiter Prozess um Prozess

Sidney Powell fand ihren Stuhl gar vor der Tür wieder, als sie nach einem Interview im Anschluss an die Pressekonferenz den republikanischen Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, verdächtigt hatte, Schmiergelder von Demokraten angenommen zu haben, um Donald Trump um den Wahlsieg im Swing State zu bringen. Trump schickte Rudy Giuliani und Jenna Ellis vor, um Powell nahezu grußlos per öffentlichem Statement aus der „Strike Force“ zu werfen.

Das eigentliche Dilemma der einst hoch angesehenen Rechtswissenschaftler Giuliani, Ellis und Powell war jedoch, dass der Kampf längst verloren war. Die Schlappen vor den Gerichten wurden immer herber, ein Richter schlug einem Anwalt des Trump-Teams vor, den Beruf zu wechseln, nachdem dieser mit dem Vorwurf vor Gericht gegangen war, republikanische Wahlbeobachter seien in Pennsylvania von der Wahl ferngehalten worden. Auf Nachfrage von Richter Paul S. Diamond, wie viele Beobachter aus Reihen der republikanischen Partei vor Ort gewesen seien, knickte der Anwalt zuvor ein: „Die Anzahl betrug ungleich null.“ Die Antwort des Richters: „Es tut mir leid, was ist dann Ihr Problem?“

Ehemaliger Berater: Donald Trump „weist die klassischen Symptome eines Außenseiters auf“

Anthony Scaramucci, ein langjähriger Berater und kurzzeitiger Kommunikationschef von Donald Trump, versucht gegenüber der „Washington Post“ die Psyche seines ehemaligen Chefs zu erklären. Trump sehe sich als Außenseiter und als solcher weise er die „klassischen Symptome“ eines Mannes auf, der glaubt, dass es eine Verschwörung geben muss, wenn er verliert. Scaramucci beschreibt Trumps Denkweise so: „Es sind nicht meine Mängel, aber es gibt eine Kabale gegen mich.“ Deshalb sei der abgewählte Präsident anfällig für Verschwörungstheorien.

Und so kämpft der 45. Präsident der USA weiter gegen die Realität und nimmt auf diesem Weg seine Fans mit. Zum „Million MAGA March“, zu dem unter anderem die rechtsextreme Schlägertruppe „Proud Boys“ aufgerufen hatte, gingen tausende Trump-Fans in Washington D.C. für Donald Trump auf die Straße. Der Präsident selbst ließ sich grüßend und die Daumen nach oben reckend durch die Menge kutschieren. Dass es am Rande der Veranstaltung zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam, überraschte letztlich niemanden mehr, Trump selbst schob sie auf den „Antifa-Abschaum“.

Die Anschuldigungen von Donald Trump gegen Wahlmaschinen-Hersteller Dominion laufen ins Leere

Die Rechtsgelehrten der „Strike Force“ um Rudy Giuliani hatten inzwischen eine neue Taktik erkoren. Die elektronischen Wahlsysteme der Firma Dominion seien genutzt worden, um Millionen von Trump-Stimmen zu löschen oder in Stimmabgaben für Joe Biden umzuwandeln. Das könne im Nachhinein nicht mehr nachvollzogen werden, sei also nicht gerichtfest beweisbar, gab selbst Giuliani erstaunlich offen zu. Aber die Volte verfing bei den Fans von Donald Trump, obwohl sie absolut aus der Luft gegriffen und mit Fakten nicht in Einklang zu bringen ist. Dominion selbst sah sich genötigt klarzustellen, dass ein solcher Betrug „physisch unmöglich“ sei.

Brad Raffensperger ist als Secretary of State in Georgia zuständig für den Ablauf der Wahlen. Weil er die Stimmauszählungen dort nicht wie von Donald Trump gewünscht abbrach, bevor alle Stimmen ausgezählt wurden, konnte Joe Biden an Trump vorbeiziehen und als erster Demokrat seit 28 Jahren im republikanisch geprägten Staat im Osten der USA gewinnen. Seither gilt Raffensperger als Feindbild des Mannes, der am 20. Januar 2021 aus dem Weißen Haus ausziehen muss.

Die frei erfundenen Anschuldigungen gegen Dominion verurteilte der Republikaner Raffensperger scharf und befand, dass sich seine Partei „nur selbst damit geschadet habe, indem sie die Integrität der Dominion-Maschinen in Frage stellten“. Raffensperger befürchtet, dass dies im Januar, wenn es in Georgia zu zwei Stichwahlen um die entscheidenden letzten beiden Senatssitze kommt, dazu führen könnte, dass Trump-Fans zuhause bleiben und den Demokraten die Senatsmehrheit nahezu kampflos überlassen könnten. Nicht zuletzt, weil es in der loyalen Anhängerschaft von Donald Trump bereits Aufrufe zum Boykott der Senatswahlen im Januar geben soll.

Donald Trump hofft auf Georgia - und wird von einem Republikaner enttäuscht

Kurz flammte im Lager von Donald Trump noch einmal Hoffnung auf, als Gouverneur Brian Kemp vor der Zertifizierung des Wahlergebnisses in Georgia eine Pressekonferenz ankündigte. War Donald Trump endlich mit seinen Anschuldigungen und Forderungen zum Vorgesetzten von Brad Raffensperger durchgedrungen? Doch die Hoffnungen blieben unerfüllt. Kemp sagte: „Als Gouverneur habe ich die feierliche Verantwortung, das Gesetz zu befolgen, und das werde ich auch weiterhin tun. Wir müssen alle zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Bürger Vertrauen in zukünftige Wahlen in unserem Staat haben.“ Anschließend unterschrieb er die Zertifizierung, der Wahlsieger in Georgia hieß nun auch offiziell Joe Biden.

Eine weitere Anekdote verdeutlicht die Verzweiflung des Lagers um Donald Trump. Der Präsident lud verschiedene hochrangige Abgeordnete der Parlamente in Michigan nach Washington D.C. ein, wo sie nach der Besprechung an die Fassade des „Trump International Hotel“ projiziert wurden, in dessen Räumlichkeiten einige von ihnen nach der Besprechung dabei gesehen wurden, wie sie teuren Dom Pérignon tranken.

Donald Trump soll versucht haben, die Abgeordneten dazu zu bewegen, die Ergebnisse nicht zu zertifizieren und am Wahlergebnis vorbei Wahlleute ins „Electoral College“, die Runde von Abgesandten, die den Präsidenten stellvertretend für ihre Bundesstaaten endgültig wählen, zu schicken, die für Donald Trump stimmen. Das Kalkül ging nicht auf, am 23. November zertifizierte der Staat Michigan offiziell den Wahlsieg von Joe Biden.

Donald Trump lässt sich auf wenig erfolgsversprechende Strategie ein

Zur Einordnung interessant ist ein Gespräch zwischen Donald Trump und seinen Beratern Bill Stepien, Justin Clark, Jason Miller und David Bossie, das laut Informationen der „Washington Post“ am 7. November 2020 stattgefunden haben soll. Seine führenden Berater hatten Trump erklärt, dass es schwierig sein würde, sich in jedem Staat juristisch durchzusetzen, zudem könne der Rechtsstreit bis in den Dezember hinein dauern. Die vier Berater bezifferten die Chance darauf, Donald Trump auf diesem Wege doch noch zur Wiederwahl zu verhelfen, auf 5 bis 10 Prozent, wie die Tageszeitung von einer weiteren an dem Treffen beteiligten Person erfuhr. Donald Trump soll signalisiert haben, dass er die Strategie verstehe und ihr zustimme.

Doch die juristischen Reihen um Donald Trump lichteten sich. Die frühere Generalstaatsanwältin von Florida, Pam Bondi, die unmittelbar nach der Wahl gemeinsam mit Rudy Giuliani für Donald Trump getrommelt hatte, stellte ihre Beteiligung an der „Strike Force“ eine Woche darauf ein. Zum endgültigen Bruch zwischen Trumps Kernteam aus professionellen Anwältinnen und Anwälten soll es gekommen sein, als Rudy Giuliani und seine „Strike Force“ ihre Anklageschrift an das Berufungsgericht in Philadelphia vorlegten.

Sie wollten erreichen, alle nach dem Wahltag eingegangenen Briefwahlstimmen für ungültig erklären zu lassen, obwohl im Vorfeld der Wahl Gerichte entschieden hatten, dass die längere Frist rechtens sei. Dem widersprach das Berufungsgericht entschieden und stellte fest, dass die Kläger entgegen ihrer Behauptung nicht befugt seien, ihren Vorwurf auf Bundesstaatlicher Ebene verhandeln zu lassen. Dies glich einem Todesurteil für einen Großteil aller Klagen aus dem Team um Donald Trump.

Eine Kluft zwischen den Anwälten von Donald Trump und der „Strike Force“ um Rudy Giuliani tut sich auf

Zu diesem Zeitpunkt entstand eine Kluft zwischen den Ansichten der meisten Anwälte im Team auf der einen und Rudy Giuliani auf der anderen Seite. Eine Quelle aus dem Umfeld des Rechtsteams der Kampagne verriet der „Washington Post“, dass „viele andere“ Mitglieder des Rechtsteams Rudy Giuliani als „verwirrt“ und schlecht auf Rechtsstreitigkeiten vorbereitet bezeichnet hatten. Einige der Anwälte der Trump-Kampagne und der Republikanischen Partei sollen sogar versucht haben, Treffen mit Giuliani und seiner „Strike Force“ aus dem Weg zu gehen. Als Giuliani und Sidney Powell intern nach Beweisen für ihre explosivsten Behauptungen gefragt wurden, sollen sie diese schuldig geblieben sein.

Giuliani und Jenna Ellis, beide stets darauf aus, Donald Trump zu gefallen, sollen darauf bestanden haben, dass der verzweifelte Kampf des Präsidenten noch nicht vorbei sei. Eine mit ihrer Strategie vertraute Person aus dem Umfeld der „Strike Force“ beschrieb die Bemühungen von Giuliani und Ellis als „Schauspiel für ein Publikum aus einer Person“ und bestätigte, dass Trump Giuliani dementsprechend als „Kämpfer“ und „seinen Kollegen“ hoch schätze.

Rudy Giuliani und Jenna Ellis starten „feindliche Übernahme“ der Kampagne um Donald Trump

Die Spannungen im Trump-Rechtsteam spitzten sich zu, als Giuliani und Ellis das inszenierten, was die als „hochrangiger Verwaltungsbeamter“ bezeichnete Quelle der „Washington Post“ die „feindliche Übernahme“ der Überreste der Trump-Kampagne nennt. Am Nachmittag des 13. November, einem Freitag, soll Donald Trump Rudy Giuliani vom Oval Office aus angerufen haben, während andere Berater anwesend waren, darunter Vizepräsident Mike Pence.

Giuliani, der über die Freisprecheinrichtung sprach, soll Donald Trump erneut bestätigt haben, dass er gewinnen könne und dass seine anderen Berater ihn über seine Chancen belügen würden. Der stellvertretende Kampagnenleiter des Teams Trump Justin Clark soll Giuliani daraufhin einen „Plauderer“ genannt und gesagt haben, der ehemalige Bürgermeister von New York füttere den Präsidenten mit schlechten Informationen. Das Treffen soll ohne eine Einigung auf eine klare Strategie versandet sein.

Im Kampagnenteam um Donald Trump entbrennt der Streit

Am nächsten Tag, einem Samstag, twitterte Trump, dass Rudy Giuliani, Jenna Ellis, Sidney Powell und andere nun für seine Rechtsstrategie verantwortlich seien. Ellis soll die Helfer der Kampagne in Arlington geschockt haben, als sie das Hauptquartier der Trump-Kampagne betrat und die Mitarbeiter angewiesen haben soll, dass diese jetzt auf sie und Giuliani zu hören hätten. Die Quelle der „Washington Post“ erinnert sich: „Sie kamen an diesem Tag und sagten: Wir haben den direkten Befehl des Präsidenten. Nehmen Sie keine Bestellung auf, wenn sie nicht von uns kommt.“

Eine Ansage, die bei den Beratern Clark und Miller nicht gut ankam. Auf ihre vehementen Versuche, Giuliani und Ellis zu bremsen, soll Ellis gesagt haben: „Gut, dann rufen wir den Präsidenten an.“ Miller soll geantwortet haben: „Sicher, lasst uns das machen“. Der Kampf um die strategische Hoheit über die Nachwahlkampagne hatte ihren Höhepunkt erreicht. Giuliani und Ellis gewannen den internen Machtkampf und geben dem Versuch von Donald Trump, die Demokratie in den USA zu untergraben, seither ihr Gesicht.

Donald Trump wähnt sich trotz begonnener Amtsübergabe an Joe Biden als wahren Sieger

Doch zwischen Samstag, dem 21. November und Montag, dem 23. November 2020 kam Bewegung in die festgefahrene Weigerung des Donald Trump, Realitäten anzuerkennen. Republikanische Senatoren, ehemalige nationale Sicherheitsbeamte sowie einige seiner engsten Berater setzten Trump zunehmend unter Druck, die General Services Administration zu autorisieren, den Übergang der Amtsgeschäfte an Joe Biden einzuleiten. Dieser bürokratische Schritt war Voraussetzung dafür, dass Joe Biden und seine künftige Verwaltung Zugriff auf öffentliche Mittel und Einsicht in vertrauliche Sicherheitsinformationen erhielten.

Doch Trump zögerte zunächst und befürchtete, dass er durch die Genehmigung des Übergangs de facto seine Wahlniederlage eingestehen würde. Über mehrere Tage erklärten der Stabschef des Weißen Hauses, Mark Meadows, sowie Jay Sekulow, einer der persönlichen Anwälte des Präsidenten, gegenüber Donald Trump, dass der Übergang nichts mit Zugeständnissen zu tun habe und eine Verweigerung Rechtsverfahren nach sich ziehen könnte.

Am späten 23. November twitterte Donald Trump, dass er den Übergang zugelassen habe, weil er „im besten Interesse unseres Landes“ sei, trotzdem setzt er seinen Kampf gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl, die Demokratie in den USA und die Realität fort und betont weiterhin, er sei um seinen Wahlsieg betrogen worden. Trump will nicht einsehen, dass ihn rund 6,5 Millionen weniger Menschen in den USA gewählt haben als seinen Konkurrenten Joe Biden. Er will nicht einsehen, dass sein Team vor den Gerichten praktisch chancenlos ist und dass die meisten umkämpften Bundesstaaten ihre Ergebnisse bereits zertifiziert haben. Donald Trump will nicht einsehen, dass er verloren hat. (Mirko Schmid)

Auch interessant

Kommentare