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Russischer Gelehrter hofft auf Donald Trump: „Er ist der Zerstörer der USA“

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Von: Marcus Giebel

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Andrej Sidorow im russischen Staats-TV
Hält Donald Trump für den Zerstörer der USA: Andrej Sidorow, Dekan an der Uni Moskau, hegt Sympathien für den Republikaner. © Screenshot YouTube

Die Eliten in Russland halten nicht viel vom Westen. Und schon gar nicht von den USA. Im Staats-TV offenbart ein Talk-Gast aber seine Bewunderung für Donald Trump.

Moskau – Der Westen wird vom Kreml seit Beginn des Ukraine-Kriegs immer wieder zum Feindbild stilisiert. Speziell die USA. Auch die Propagandisten schießen so manche verbale Salve ab. Wie ein auf YouTube kursierender Ausschnitt einer Talkrunde im russischen Staatsfernsehen zeigt, scheint ein westlicher Politiker in Russland aber durchaus willkommen zu sein.

Donald Trump ist der Hoffnungsträger – zumindest für Andrej Sidorow. Der Dekan an der Fakultät für Weltpolitik der Staatlichen Universität Moskau lässt sich in der Diskussion unter Männern zu der Einschätzung hinreißen: „Trump ist im Kommen. Denkt von ihm, was ihr wollt. Ich habe ihn immer als Zerstörer von Amerika gesehen und das tue ich noch immer.“

Trump-Bewunderung im russischen Staats-TV: „Wer braucht die Ukraine?“

Ganz zu Beginn des knapp vierminütigen Ausschnitts wird ein Zitat des abgewählten US-Präsidenten aus einem Interview mit Fox-Journalist Sean Hannity eingespielt. „Die Ukraine gerät in Vergessenheit“, sagt der einer Anklage entgegensehende Republikaner dort. Ein gefundenes Fressen für Wladimir Solowjew, Gastgeber der Runde mit Sidorow und bekannt für seine radikalen Ansichten gegenüber Kriegsgegnern und dem Westen.

Der Präsident Wladimir Putin treu ergebene Talkmaster fragt als Reaktion auf den Einspieler: „Sie wird zerstört werden. Wer braucht sie? Wer braucht die Ukraine, wenn sie Russland nicht respektiert?“ Daraufhin fühlt sich Sidorow bemüßigt, seine wenig schmeichelhafte Bewunderung für Trump zum Ausdruck zu bringen.

Dabei kommt er auch auf die missliche Lage des Ex-Präsidenten zu sprechen. Dessen einstiger Vize-Präsident Mike Pence solle dazu gebracht werden, gegen ihn auszusagen. Sidorows Befürchtung: Weil Pence keine großen politischen Ambitionen mehr verfolge, könne er seinen früheren Chef ans Messer liefern. „Das ist in den USA gerade populär“, schimpft er.

Donald Trump steht hinter einem Pult
Lob von unerwarteter Seite: Die Worte aus Russland wird Donald Trump interessiert vernommen haben. © IMAGO / UPI Photo

Russischer Gelehrter im TV: „2020 wurde den Amerikanern die Wahl gestohlen“

Zugleich versucht Sidorow den Anschein zu erwecken, in den USA würde der Wahlsieger ohnehin schon feststehen - unabhängig davon, ob sein Favorit wieder antreten dürfe. Womit er Trump und dessen nach wie vor unbewiesenen Vorwürfen des Wahlbetrugs das Wort redet: „Wenn jemand sagt, die US-Wahlen wären eine ernste Angelegenheit, für mich waren sie das zuletzt 2016. Uns wurde 2020 gezeigt, dass Wahlen korrekt durchgeführt werden, die richtige Person gewählt wird – 26 Prozent der Amerikaner stimmen da mit mir überein, die das Gefühl haben, dass die Wahl den Amerikanern gestohlen wurde.“

Sidorow geht sogar noch einen Schritt weiter, lässt den Sturm auf das Kapitol außer Acht und gesteht seinem offensichtlichen Lieblingspolitiker im Westen zu: „Trump hat die Situation nicht eskalieren lassen, er ist nicht zu Lincoln geworden.“ Hier handelt es sich um eine Anspielung auf den blutigen Bürgerkrieg zwischen den Nord- und den Südstaaten während der Präsidentschaft des entschiedenen Sklaverei-Gegners Abraham Lincoln, bei dem rund eine Million Menschen ums Leben kamen.

Trump würde die Unterstützung fehlen, bedauert der Dekan, demzufolge es zu wenige Revolutionäre gäbe. Zwar würde der Ex-Präsident eine Revolution via TV anzetteln, „aber wenn die Demokraten ihn am Boden halten, und den Rest der Republikaner auch, werden sie die Wahl 2024 auf dieselbe Weise gewinnen“. Soll natürlich heißen: Illegal. Sidorow rechnet sogar damit, dass Joe Biden für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus bleiben wird – auch wenn der an deren Ende bereits 86 Jahre alt wäre.

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Militär-Experte schimpft auf die USA: „Keine Zeit, weil wir uns im Krieg befinden“

Anschließend übernimmt Alexej Leonkow das Zepter und teilt ebenfalls gegen die USA aus. „Sie haben das Nazi-Virus seit 1945 erhalten. Es bewahrt, es wachsen lassen, es gefüttert“, spielt der Militär-Experte auf die Rolle der Vereinigten Staaten beim Sieg über Nazi-Deutschland an.

„Anstatt sich mit ihrer eigenen Entwicklung auseinanderzusetzen, wollen sie, dass wir uns mit der Ukraine beschäftigen, dann mit dem Baltikum, dann mit Polen, mit Finnland. Damit wir immer damit beschäftigt sind, anstatt mit unserer Kultur und unserer Bildung. Wir haben keine Zeit, weil wir uns im Krieg befinden und China hat mit denselben Dingen zu tun“, so der Experte.

Russlands Geschichte über 7500 Jahre? Militär-Experte wird im Staats-TV zurechtgewiesen

Leonkow hängt demnach ebenso wie viele seiner elitären Landsleute der Theorie an, die USA hätten Russland den Ukraine-Krieg – er nutzt nicht einmal den offiziellen russischen Sprachgebrauch, die sogenannte „militärische Spezialoperation“ – aufgezwungen, um dem großen Widersacher aus Zeiten des Kalten Krieges zu schaden. Deshalb fordert er ein Umdenken: „Wir haben genau jetzt die einzigartige Gelegenheit, auf alle Normen und was sie im Westen sagen, zu pfeifen und wieder aufzuerstehen, wie wir es machen sollten.“

In diesem Moment hätte Leonkow das Wort wohl besser abgegeben. Denn als er sich in der Folge dazu hinreißen lässt, der russischen Zivilisation eine 7500 Jahre lange Geschichte anzudichten, können selbst einige der anderen Anwesenden nicht an sich halten und verweisen feixend darauf, dass dies in der Geschichtsliteratur aber anders dargestellt werde.

So ergreift Moderator Solowjew noch einmal das Wort und bittet: „Lasst uns die Geschichte mit Respekt behandeln.“ Zumindest bei einigen Themen gibt es also auch für diese Runde Grenzen. (mg)

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