Donald Trump verteidigt Mord-Video gegen AOC

Der republikanische Abgeordnete Paul A. Gosar hat ein Video verbreitet, in dem er die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez ersticht. Donald Trump stellt sich hinter ihn.
Washington D.C. – Im Repräsentantenhaus der USA herrscht dicke Luft. Die sich grundsätzlich seit einiger Zeit nahezu unversöhnlichen Lager aus Demokraten und Republikanern reiben sich aktuell an einer Posse, die sinnbildlich steht für den zunehmend rauen Umgang in der größeren der beiden Parlamentskammern. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen die Abgeordneten Paul A. Gosar aus Arizona (Republikaner), Alexandria Ocasio-Cortez aus New York (Demokraten) und – Donald Trump.
Im großen Schlagschatten, den die Zwischenwahlen (engl. Midterm Elections) 2022 bereits heute auf den Politikbetrieb der USA werfen, sind die Beteiligten längst im Vorwahlmodus. Das führt zu teilweise merkwürdigen, in manchen Fällen gar bedenklichen Auswüchsen. Für einen solchen zeichnet sich der republikanische Abgeordnete Gosar verantwortlich. Dessen Büro nämlich veröffentlichte unlängst einen im Anime-Stil gehaltenen Cartoon. Und der hat es in sich. Zunächst sind Karawanen von Migrant:innen zu sehen, über den Bildern liegt Anime-typisches Splatter-Blut. Dann: Grenzschützer, heroisch dargestellt.
Es folgen schnell geschnittene Bilder. Darunter eine Montage des Kopfes von Gosar auf einer Anime-Figur, die mit einem Katana, also einem japanischen Langschwert, zunächst eine weitere Anime-Figur in den Rücken sticht. Auf den Schultern trägt jene Figur den Kopf von Alexandria Ocasio-Cortez. Direkt im Anschluss springt das Gosar-Männchen mit seinen zwei Schwertern auf einen übergroßen Kopf von US-Präsident Joe Biden zu. Anschließend folgen weitere Bilder von Grenzschützern, die sich mit Pferden Migranten entgegenstellen.
Anime-Video eines Republikaners glorifiziert Grenzschützer in den USA und wiegelt gegen Migranten auf
Und dann in Sekundenbruchteilen zunächst Porträts der wichtigsten Feindbilder der „America First“-Bewegung: Biden, Pandemie-Chefberater Anthony Fauci, Vizepräsidentin Kamala Harris und Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi. Kurz darauf werden deren Antagonisten eingeblendet: der junge, skandalumwobene Abgeordnete Matt Gaetz, Paul A. Gosar selbst und Donald Trump. Seit seiner Veröffentlichung sorgt dieser kurze Clip, den Gosar auf Twitter inzwischen von seiner Timeline hat löschen lassen und der zuvor mit „Anime-Fans da draußen?“ überschrieben war, für Trubel.
Alexandria Ocasio-Cortez, eine Ikone der progressiven Linken in den USA, strich heraus, dass es sich bei dem Clip um eine weitere Verrohung der politischen Sitten handele. Auch realpolitisch hatte die Veröffentlichung Konsequenzen. Die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus beantragte eine Rüge für Gosar. Die Abstimmung endete mit 223 zu 207 Stimmen, somit schlossen sich zwei Republikaner der Rüge an.
Dieser Tadel gilt als eines der schärfsten Mittel, welche dem Repräsentantenhaus im Falle des Fehlverhaltens eines Abgeordneten zur Verfügung stehen. Mit der so erteilten Rüge, der erst vierten seit rund 40 Jahren, verlor Gosar zeitgleich seine Sitze im Ausschuss für natürliche Ressourcen sowie dem Aufsichts- und Reformausschuss, dem auch Ocasio-Cortez angehört. Gosar gab sich keiner Schuld bewusst und sprach von einer politischen Entscheidung. Nie habe er Gewalt unterstützt, setzte er in seiner Verteidigungsrede an, es sei nicht seine Absicht gewesen, „jemanden zu verärgern“.
„AOC“: Alexandria Ocasio-Cortez fordert, eine Grenze gegen Gewalt zu ziehen
Ocasio-Cortez sah das anders. In ihrer emotionalen Rede sagte sie unter anderem: „Unsere Arbeit hier zählt. Unser Beispiel zählt. Unser Dienst hat einen Sinn. Und wenn wir als Anführer in diesem Land mit Darstellungen gegen unsere Kollegen zu Gewalt anstacheln, dann sickert diese Gewalt ins Land. Und hier müssen wir die Grenze ziehen.“ Ihr widersprach Gosars Fraktionschef, der republikanische Minderheitsführer Kevin McCarthy. Dieser nannte die Abstimmung einen „Machtmissbrauch“ der Demokraten, um vermeintlich von nationalen Problemen abzulenken.
Weiter nannte McCarthy das Verfahren eine „Zensur“ und drohte den Deomkraten an, dass dieser angeblich „neue Standard“ auch „in Zukunft angewendet werden“ würde. Aktuelle Umfragen nämlich machen den Republikanern Hoffnung, die Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus mit der Zwischenwahl am 8. November 2022 zu ihren Gunsten drehen zu können.
Für McCarthys Worte zeigte die in den USA häufig nur AOC genannte Abgeordnete kein Verständnis: „Was ist so schwer daran zu sagen, dass das falsch ist?“, fragte Ocasio-Cortez während der Sitzung des Repräsentantenhauses. „Hier geht es nicht um mich. Hier geht es nicht um den Abgeordneten Gosar. Hier geht es darum, was wir bereit sind zu akzeptieren.“
Donald Trump stellt sich hinter Abgeordneten, der Mordvideo gegen AOC auf Twitter veröffentlicht
Ihr schloss sich Nancy Pelosi an, die als Sprecherin des Hauses die Mehrheitsfraktion vertritt: „Diese Aktionen erfordern eine Reaktion. Wir dürfen nicht zulassen, dass Mitglieder Witze darüber machen, sich gegenseitig zu ermorden“, so Pelosi. „Dies ist sowohl eine Gefährdung unserer gewählten Amtsträger als auch eine Beleidigung der Institution.“
Auch außerhalb des Kongresses blieben Reaktionen nicht aus. Donald Trump etwa stellte sich hinter seinen Parteikollegen Gosar. Dieser sei „ein Kongressabgeordneter, der in Arizona hoch angesehen wird, und stark agiert in Bezug auf Kriminalität, Grenzen, unser Militär und unsere Veteranen“, ließ Trump in einer Erklärung wissen. Außerdem setze sich Gosar für niedrigere Steuern und „unseren großartigen, aber belagerten zweiten Verfassungszusatz“, also das Recht auf den Besitz und das Tragen von Waffen ein. Trumps Fazit: „Paul A. Gosar hat meine volle und uneingeschränkte Zustimmung!“
Unter Trumps Schutz wagten sich sowohl Gosar als auch McCarthy noch weiter aus der Deckung. Gosar sprach von einer Liste von Namen der Demokraten, die nach einer Machtübernahme der Republikaner im Zuge der Zwischenwahlen aus ihren Ausschüssen geworfen werden sollen. Sein Fraktionschef McCarthy sprach davon, dass sowohl Gosar als auch die Trump-treue Abgeordnete Marjorie Taylor Greene „bessere Aufgaben in ihren Ausschüssen“ erhalten werden, wenn die Republikaner im nächsten Jahr die Mehrheit gewinnen sollten.
Alexandria Ocasio-Cortez: „AOC“ kritisiert frauenfeindliche Belästigung durch Republikaner im Kongress
Marjorie Taylor Greene war wie Gosar aus ihren Ausschüssen geworfen worden, nachdem sie mehrfach mit rassistischen Äußerungen aufgefallen war. Gemeinsam mit dem ebenfalls umstrittenen Abgeordneten Matt Gaetz, dem vorgeworfen wird, eine Minderjährige für Sex bezahlt zu haben, tourt die rechtsextreme Trump-Anhängerin durch die USA und verbreitet unter anderem die Ideologie des Verschwörungskultes QAnon.
Während der Debatte im Repräsentantenhaus am Mittwoch sprachen mehrere demokratische Frauen über die zunehmenden Bedrohungen, denen sie in den letzten Monaten ausgesetzt waren. Ocasio-Cortez verurteilte Belästigungen seitens einer Reihe von republikanischen Mitgliedern des Kongresses. Letztes Jahr etwa soll sie der republikanische Abgeordnete Ted Yoho auf den Stufen des Kapitols angesprochen, sie „ekelhaft“ genannt und Berichten zufolge eine sexistische Beleidigung genutzt haben, als Ocasio-Cortez außer Hörweite war.
Marjorie Taylor Greene attackiert Alexandria Ocasio-Cortez im Kapitol
Marjorie Taylor Greene folgte Ocasio-Cortez im Mai 2021 durch einen Korridor des Kapitols, schrie sie an und beschuldigte sie fälschlicherweise, „Terroristen“ zu unterstützen. Auf die Frage nach McCarthys Verteidigungshaltung für seinen Parteifreund Gosar sagte Ocasio-Cortez Pressevertretern, sie würde es „lieben“, wenn der republikanische Fraktionschef „das von den Dächern rufen würde“: „Bitte lassen Sie ihn dem ganzen Land mitteilen, dass er Menschen, die gewalttätig gegenüber Frauen sind, zutiefst unterstützt und dass er Mitglieder, die Spenden für Neonazi-Organisationen sammeln, zutiefst akzeptiert und sie in wichtige Komitees einsetzt.“
Gosar wird seit langem für seine extremistischen Ansichten kritisiert, einschließlich der Verbreitung der Behauptung, der Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021 und die tödliche Kundgebung von rassistischen Nationalisten in Charlottesville im Jahr 2017 seien Teil einer linken Verschwörung gewesen. (Mirko Schmid)