Donald Trump gegen Joe Biden: Wahlnacht könnte zum Alptraum werden
Am 3. November wählen die USA einen neuen Präsidenten. Offen ist, ob das Ergebnis schon am Wahlabend feststehen wird. Donald Trump könnte sich trotzdem zum Sieger erklären.
- Donald Trump und Joe Biden kämpfen ums Weiße Haus.
- Die Briefwahl spielt diesmal eine große Rolle.
- Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA könnte sich verzögern.
Washington – Um kurz nach 8.30 Uhr unserer Zeit war alles vorbei. Hillary Clinton hatte eben zum Hörer gegriffen und ihrem Gegner zum Sieg gratuliert. Und Deutschland wachte am Morgen des 9. November 2016 aus unruhigen Träumen auf und fand die USA zu einem ungeheuren Ungetüm verwandelt. Der neue Präsident hieß Donald Trump.
Die USA haben die Wahl zwischen Donald Trump und Joe Biden
Am 3. November 2020 wird sich nun entscheiden, ob Trump weiter im Amt bleibt oder ob er aus dem Weißen Haus ausziehen muss. Offen ist aber, ob die Frage Donald Trump oder Joe Biden noch in der Wahlnacht entschieden sein wird. Nicht auszuschließen ist jedenfalls, dass die Welt ein ähnliches Szenario erlebt wie im Jahr 2000, als erst Wochen nach der Wahl der Sieger im Duell zwischen George W. Bush und Al Gore feststand.
Damals spielte Florida nicht mit. Zwar hatte die Wahlkommission schon einen Tag nach dem Wahlabend ein Ergebnis bekanntgegeben, doch aufgrund des knappen Vorsprungs für Bush gab Gore nicht so schnell klein bei. Außerdem sorgten vor allem die legendär-verwirrenden Schmetterlings-Wahlzettel für reichlich Verwirrung.
Aber auch die richterlich angeordneten Nachzählungen ergaben kein klares Bild, über Wochen wusste niemand, wer denn eigentlich die Nase wirklich vorne hatte. Auch heute muss die Frage offen bleiben, da die Auszählung schließlich durch ein höchst umstrittenes Urteil des Obersten Gerichtshofs gestoppt wurde. So lag George W. Bush am Ende in Florida mit 537 Stimmen vorne. Die Wahl war zu seinen Gunsten entscheiden.

Donald Trump oder Joe Biden: Briefwahl spielt eine große Rolle
In diesem Jahr ist ein ähnliches Szenario denkbar. Vielleicht auch ein sehr viel schlimmeres. Denn was geschieht, wenn am Wahlabend in manchen Bundesstaaten kein Sieger verkündet werden kann? Nicht etwa, weil es besonders eng zugeht, sondern vielmehr deshalb, weil die zahlreichen Briefwahlstimmen noch gar nicht ausgezählt wurden. Denn in vielen Bundessaaten kommen diese erst zum Schluss an die Reihe, selbst wenn die Briefe schon viele Tage vor dem eigentlichen Wahltag angekommen sind.
Zudem reicht es in 21 Staaten, wenn der Brief am Wahltag abgestempelt wird. Sollte er dann in einem Zeitraum von bis zu zehn Tagen noch eintreffen, gilt auch diese Stimme noch. Das ist zum Beispiel im umkämpften Ohio der Fall. Es dürfte also entsprechend viel Zeit ins Land gehen, ehe die Ergebnisse offiziell verkündet werden können.
Bisher hat das in der Regel keine große Rolle gespielt. Seit jeher haben sich TV-Sender und Nachrichtenagenturen auf ihre Hochrechnungen gestützt und noch während der Wahlnacht die Resultate in den einzelnen Bundesstaaten bekanntgegeben. Und wenn es denn wirklich mal eng wurde, hieß es zunächst einfach nur: „Too Close to Call“ (Zu eng, um ein Ergebnis zu verkünden).
Wie die Wahl 2016 ausging:
Kandidaten | Donald Trump | Hillary Clinton |
Partei | Republikaner | Demokraten |
Vize-Kandidat | Mike Pence | Tim Kaine |
Electoral College | 304 | 227 |
Popular Vote | 62.984.828 | 65.853.514 |
Prozent | 46,1 % | 48,2 % |
Demokraten stellen sehr viel mehr Anträge für die Briefwahl als die Republikaner
Doch nichts bleibt für immer. In diesem Jahr kommt der Briefwahl aufgrund der Corona-Pandemie jedenfalls eine ganz andere Rolle zu als bei allen Wahlen zuvor. Anders als zum Beispiel 2016, als jede vierte Stimme per Brief einging, dürften die Zahlen diesmal sehr viel höher liegen. Tatsächlich sind bereits jetzt deutlich mehr Anträge gestellt worden als früher. Bei einer ungefähr gleichwertigen Verteilung der Briefwahlstimmen wäre das relativ egal. Doch dem dürfte kaum so sein. Bisher deutet nämlich alles darauf hin, dass Joe Biden hier einen Löwenanteil abbekommen wird. Ob North Carolina, Pennsylvania, New Hampshire, Ohio, Iowa oder Florida – überall haben die Demokraten deutlich mehr Briefwahlanträge gestellt als die Republikaner.
Es ist also nur zu verständlich, dass Donald Trump immer wieder gegen die Briefwahl wettert und grundlos als betrugsanfällig kritisiert. Trump ist jedenfalls der Meinung, dass die Leute gefälligst schön brav in ihr Wahllokal gehen und dort ihre Stimme abgeben sollten, so wie es sich nun mal gehöre. Sonst nämlich drohe Chaos. Trump allerdings schreit es auf Twitter förmlich heraus: „MAYHEM!!!“
Zudem geht Donald Trump ganz offenbar davon aus, dass es niemals ein reguläres Ergebnis bei der Wahl 2020 geben werde. „Wegen der neuen und beispiellos großen Menge an nicht beantragten Stimmzetteln, die dieses Jahr an ‚Wähler‘ oder wohin auch immer geschickt werden, kann das Wahlergebnis vom 3. November niemals genau ermittelt werden. Das ist genau das, was manche wollen“, schreibt Trump auf Twitter.
Am liebsten wäre es Donald Trump also, wenn die Briefwahl ganz abgeschafft werden könnte. Dazu wird es allerdings nicht kommen. So bleibt ihm vor allem die Hoffnung, dass er aufgrund der verlangsamten Zählweise am Wahltag vor allem in den umkämpften Bundesstaaten die Nase vorne haben wird. Das könnte dann eine wahre Horrornacht zur Folge haben.
Donald Trump gegen Joe Biden: Wie die Wahlnacht verlaufen könnte
Ein mögliches Schreckensszenario sieht so aus. Joe Biden hat die magische Schwelle von 270 Wahlstimmen noch nicht erreicht, nur die hart umkämpften Staaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin sind noch offen. Da es die Gesetze den Beamten anders als in vielen anderen Bundesstaaten dort verbieten, Stimmzettel vor dem Wahltag zu bearbeiten oder gar zu zählen, bleiben die Briefwahlstimmen zunächst weitgehend unberücksichtigt, sodass Donald Trump in der Live-Auszählung plötzlich in Führung liegt.
Was wird Trump dann tun? Es ist davon auszugehen, dass er einfach seinen Sieg verkünden wird. Denn für das Team Trump gilt nur das Ergebnis am Wahlabend, sonst nichts. „Der Präsident wird am Wahlabend bestimmt, nur das ist ein faires System, so ist das System gemacht“, sagt Regierungssprecherin Kayleigh McEnany klipp und klar.
Das ist auch der Grund, warum Donald Trump selbst gerne auf eine Vorwahl der Demokraten in New York Bezug nimmt, bei der einige Ergebnisse erst mehrere Wochen nach dem Wahltag offiziell verkündet wurden. Die „New York Times“ schrieb damals von der verpfuschten Wahl, die einen November-Alptraum befürchten lasse.
US-Wahlen 2020: Wie würde Joe Biden reagieren?
Es wäre vor allem ein Alptraum für die Demokraten. Denn was soll Joe Biden dann tun? Natürlich wird er darauf pochen, erst mal die offiziellen Ergebnisse abzuwarten. Aber Donald Trump schert sich nicht die Bohne um Bidens Wünsche und stellt auf Twitter und in seiner Siegesansprache schon mal das Programm für die nächsten vier Jahre vor. Und die Trump-Fans bringen sich in Stellung, um den Demokraten mal gehörig den Marsch zu blasen. Rechte Milizen gibt es immerhin genug in den USA.
Joe Biden wäre also in einer denkbar schlechten Lage. Denn Michigan, Pennsylvania und Wisconsin werden von den Republikanern regiert. Es ist also davon auszugehen, dass Donald Trump massiven Einfluss auf seine Parteifreunde ausüben wird, damit sie ihn auf jeden Fall zum Sieger erklären – und wenn sie sich auf Unregelmäßigkeiten und Verzögerungen bei der Auszählung der Briefwahlzettel berufen müssen. Ob es Biden also etwas nutzt, dass er sich mit Top-Anwälten gegen Manipulationen im US-Wahlkampf ausrüstet? Ein juristisches Nachspiel wie im Jahr 2000 wäre dann unabwendbar. Und was würde auf den Straßen geschehen?
US-Wahlnacht 2020: Auch eine frühe Entscheidung ist möglich
Es muss allerdings nicht so kommen. Angesichts der relativ eindeutigen und auch sehr stabilen Umfragen rechnen Experten allgemein damit, dass Joe Biden die Präsidentschaftswahl am 3. November gewinnen wird. Und auch das Wahlergebnis könnte recht früh feststehen – wenn Biden in Florida gewinnt. Das erscheint angesichts der Umfragen durchaus möglich.
Dort nämlich ist die Briefwahl seit Jahren recht weit verbreitet, zudem beginnt die Bearbeitung der Stimmzetteln schon lange vor dem eigentlichen Wahltag. Sollte Joe Biden sich also schon frühzeitig über Erfolge in Florida freuen können, dürfte die lange Wahlnacht tatsächlich eher kurz ausfallen. Und auch in Deutschland wüsste man schon vor 8.30 Uhr am Morgen des 4. November, wie der neue Präsident heißt. (Von Christian Stör)