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Doch kein Tag des Volkes

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Von: Felix Lill

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Ferdinand Marcos Junior profitiert von der Unterstützung des scheidenden Präsidenten Duterte.
Ferdinand Marcos Junior profitiert von der Unterstützung des scheidenden Präsidenten Duterte. © AFP

Nach einer chaotischen Präsidentschaftswahl auf den Philippinen heißt der Gewinner wie erwartet Ferdinand Marcos Junior.

Ich war um 5.30 Uhr in der Schlange, um abzustimmen“, schrieb ein offensichtlich wütender Barry Gutierrez, der für die liberale Oppositionskandidatin Leni Robredo arbeitet, eineinhalb Stunden später auf Twitter. „Jetzt sagen sie uns, dass es ein Problem mit VCM gibt und wir einfach zurückkommen sollten. Keine Zeit gegeben. Was ist das @COMELEC?“ VCM lautet die Abkürzung für „vote counting machine“, ein Automat zur Auszählung von Stimmen. Und Comelec heißt die Wahlkommission der Philippinen, der am Montag in unzähligen Tweets und Zeitungsberichten Kritik entgegenschlug. Hunderte Menschenrechtsaktivist:innen und Studierende demonstrierten vor dem Comelec-Büro und warfen der Behörde Wahlbetrug vor.

Schließlich hätte es der große Tag der philippinischen Demokratie sein sollen. Das südostasiatische 110-Millionen-Menschen-Land hat sein neues Regierungsoberhaupt gewählt. Nach sechs Jahren autoritärer Führung unter Rodrigo Duterte, der Drogenabhängige töten, Kritiker:innen verhaften und die Justiz politisieren ließ, sehnten viele im Land schon lange eine reibungslose Machtübergabe herbei. Staatsoberhäupter auf den Philippinen dürfen laut Verfassung nur eine Legislaturperiode regieren. Dass der eher wenig regeltreue Duterte dennoch an der Macht klammern würde, galt lange als realistische Sorge.

Philippinen: Wahlautomaten defekte

Dabei hakt es beim Machtwechsel schon an viel banaleren Dingen. Im ganzen Land stellten sich schon vor dem Wahltag 168 der Wahlzettelzählautomaten, in die die Menschen ihre Stimmzettel einführen, als defekt heraus. Wie viele Stimmen am Ende deshalb verloren gingen, ist nicht klar. Wählerinnen und Wähler mussten teils stundenlang warten, um ihre Stimme abzugeben, oder wurden zunächst wieder nach Hause geschickt.

Alternativ konnten sie einem Wahloffiziellen den Stimmzettel übergeben– und darauf vertrauen, dass dieser auch verarbeitet würde. Diesen guten Glauben aber hatten viele Wahlberechtigte nicht. Schließlich ist das Vertrauen in die Politik ohnehin angeschlagen. Die sechs Jahre der Duterte-Regierung haben den Diskurs rauer gemacht. Der Wahlkampf warf neue Fragen auf, was die Integrität des Favoriten angeht. Ferdinand Marcos Junior, Sohn des gleichnamigen einstigen Diktators des Landes, hat seit Monaten einige Verfahren am Hals; sie könnten die Disqualifizierung seiner Kandidatur bedeuten. Aber die Wahlkommission Comelec hat es wie bei den Zählmaschinen nicht geschafft, den Fall vor der Wahl abschließend zu klären.

Fake News und Trolle

Der Wahlsieg von Marcos Junior, der vom nun scheidenden Duterte stets protegiert worden ist, war am Dienstagmorgen aufgrund des weiten Vorsprungs bei den bis dahin ausgezählten Stimmen praktisch sicher. Das endgültige Ergebnis wird sich im Laufe der Woche herausstellen. Seinem Einfluss auf etablierte Medien sowie einem Heer von Trollen und Influencern in den sozialen Medien hat Marcos es zu verdanken, dass die Angelegenheit um seine mögliche Disqualifizierung kaum zum Wahlvolk durchgedrungen ist. Auch deshalb hat Marcos in den Umfragen stets weit vorn gelegen. Durch Fehlinformationskampagnen halten es viele Wahlberechtigte etwa für ein Gerücht, dass Marcos Junior mehrfach keine Steuererklärungen abgegeben hat.

Marcos Junior, der sich von der durch Ermordungen, Gewalt und anderen Menschenrechtsverletzungen geprägten Regentschaft seines Vaters nur indirekt distanziert hat, mochte zur Aufklärung auch nicht recht beitragen. Zu Anhörungen erschien er nicht, offiziell wegen Krankheit. Dies wiederum ist eine Entschuldigung, die er auch schon in jungen Jahren als Student an der Universität Oxford anführte, als er durch die Prüfungen fiel.

Aufarbeitung der Gewalt-Regime wird unwahrscheinlicher

Höchstwahrscheinlich werden die Menschen auf den Philippinen nach dem autoritären Duterte künftig von einem weiteren Präsidenten mit fragwürdiger Integrität regiert – mit der Disqualifizierung Marcos Juniors unter anderem wegen nicht gezahlter Steuern rechnet kaum noch jemand.

Der Demokratie im Land würde eine zweite Regentschaft unter dem Namen Marcos noch aus einem anderen Grund schaden: Eine Aufarbeitung der Tausenden von Tötungen unter dem Duterte-Regime wird unwahrscheinlicher. Die Familie Marcos ist mit der Familie Duterte befreundet. Rodrigo Dutertes Tochter Sara ist im Tandem mit Marcos als dessen Vizepräsidentin angetreten. mit dpa

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